Interview mit Birgit Kelle: »Der Gender-Wahn muss beendet werden«

Foto: Kerstin Pukall

Mit Gender-Mainstreaming werden irrwitzige Summen Geldes verschleudert. Das Ziel ist die Zerstörung der Familie. Birgit Kelle ruft deshalb die Eltern zum Widerstand auf.

Dieser Tage erscheint ein neues Buch von Ihnen, in dem Sie sich des Gender Mainstreamings annehmen. Bitte erklären Sie, was das ist.

Birgit Kelle: Gender Mainstreaming ist eine Ideologie, die den Menschen einreden will, dass es zwischen Frauen und Männern keinen Unterschied gibt: Es ist der alte Streit darüber, was anerzogen und was angeboren ist. Gender beschreibt das sogenannte »soziale Geschlecht«, das angeblich ganz anders sein kann, als unser biologisches. Wir sind also nach dieser Theorie alle Gefangene in unseren heterosexuell genormten Rollenstereotypen, aus denen man uns jetzt dringend befreien will. Dazu sprießen ständig »neue Geschlechter« aus dem Boden. Bei Facebook sind es schon 60. Jeder, der einen Moment darüber nachdenkt, wird schnell an sich und seinem Umfeld feststellen, dass das einfach Unfug ist.

Viele Leute glauben, es ginge bei Gender Mainstreaming nur um gleiche Rechte für Männer und Frauen, um Gleichberechtigung und Frauenförderung. Dagegen hat niemand etwas. Hier geht es aber um ganz andere Dinge, nämlich eine Volkspädagogik, die eine neue Kategorie des Denkens schaffen soll, indem man uns alle zu gendersensiblen Menschen erzieht. Und, auch nicht unwichtig: Für den Gender-Wahn werden seitens der Politik aberwitzige Summen zur Verfügung gestellt. Diese ganze Gender-Industrie muss endlich in Frage gestellt werden.

Klingt komisch, und Sie sagen ja auch »gaga« dazu. Hat ein normaler Mensch in seinem täglichen Leben jemals damit zu tun? Anders gefragt: Warum ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen?

Birgit Kelle: Wir alle haben ständig damit zu tun, ohne dass es den meisten Menschen auffällt. Ministerien, Bürgermeister und Universitäten verändern die deutsche Sprache, ohne jegliche demokratische Legitimation, in dem sie das »Binnen-I« einführen, also zum Beispiel »Bürgermeister_In« schreiben. An manchen Universitäten gibt es für Studenten Punktabzüge, wenn sie ihre Examensarbeiten nicht »gendergerecht« verfassen. Städtische Gleichstellungsbeauftrage – übrigens fast ausnahmslos Frauen – verfassen auf Kosten der Steuerzahler Sprachleitfäden mit Hinweisen, welche Begriffe man nicht mehr verwenden soll. Ampelmännchen werden zu Ampelweibchen, damit sich Frauen nicht diskriminiert fühlen, wenn sie über die Straße gehen. In Berlin gibt es neuerdings sogenannte Unisextoiletten mit drei Türen, damit auch diejenigen aufs Klo gehen können, die sich nicht entscheiden wollen, ob sie Mann oder Frau sind, und so weiter.

Es ist eine einzige große Kasperleveranstaltung, und leider traut sich in der Politik niemand laut zu rufen, dass der Kaiser ja gar keine Kleider anhat.

Die Bundesregierung hat – von der Öffentlichkeit fast unbemerkt – Gender Mainstreaming ganz offiziell zur Leitlinie ihrer Politik gemacht. Wie konnte das geschehen?

Birgit Kelle: Weil niemand das Thema ernstgenommen hat. Der ganze Gender-Kram war doch schon immer im Ressort, das Kanzler Gerhard Schröder als »Frau und Gedöns« bezeichnete. Kaum ein deutscher Politiker hat erkannt, welches ideologische Potential sich unter Gender-Fahnen versammelt, welche gewaltigen Geldmittel da in linksfeministische Strukturen gepumpt werden. Es ist faszinierend zu beobachten, wie eine vergleichsweise kleine Gruppe von Gender-Ideologen die politische Diskussion beherrscht. Das war bei der Debatte um das Betreuungsgeld so, das ist bei den Versuchen, in einigen Bundesländern zu einer Frühsexualisierung von Kindern zu kommen, genauso. Es gibt da einen deutlichen Zusammenhang.

Längst geht es nicht mehr um die Gleichberechtigung von Mann und Frau – die ist hierzulande weitgehend erreicht, und das ist ein großes Verdienst des klassischen Alt-Feminismus. Es geht inzwischen darum, alle bewährten Beziehungsmodelle – allen voran die traditionelle Familie als das weltweite Erfolgsmodell – nachhaltig zu beschädigen und weitgehend zu zerstören. Die Ehe als Beziehung von Mann und Frau wird in Frage gestellt, selbst die biologische Verwandtschaft steht zur Debatte. Die Grünen haben längst das Konzept der »sozialen Elternschaft« entworfen. Denn wenn Geschlecht nur noch eine soziale Konstruktion ist, dann ist es Elternschaft analog auch. Wenn ich mir aussuchen kann, ob ich Mann oder Frau bin, dann darf auch jeder Eltern sein, der sich danach fühlt. Was Kinder brauchen oder wollen, spielt da keine Rolle mehr. In den Augen der Strippenzieher an der Gender-Front stören Eltern nur noch bei der Umformung ihrer Kinder zum neuen Menschen. Es wird Zeit, dagegen massiven Widerstand zu organisieren.

Wenn Sie Gender Mainstreaming ablehnen, heißt das auch, dass Sie gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau sind? Oder hat beides nichts miteinander zu tun?

Birgit Kelle: Niemand, der halbwegs bei Verstand ist, hat etwas gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Das gilt auch für mich.

Sie sagen, dass wir der Biologie nicht entkommen können – Männer und Frauen sind nun mal nicht gleich. Welche Folgen ergeben sich aus dieser Feststellung, zum Beispiel für das Verhältnis zwischen Mann und Frau?

Birgit Kelle: Es wird von interessierter Seite immer mal wieder versucht, mich in die konservative Ecke, katholisch-fundamentalistisch-mittelalterlich, homophob und so weiter zu stellen, weil man sich da so schön gruseln kann. Die Wahrheit ist, dass ich für Wahlfreiheit eintrete. Jede Frau und jede Familie hat in einer freien Gesellschaft das Recht, so zu leben wie sie will. Sie wollen einen Krippenplatz? Von mir aus, sollen Sie bekommen! Sie leben in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung? Für mich kein Problem! Sie wollen sich morgens beim Aufstehen nicht entscheiden, welches Geschlecht Sie an dem Tag gerade haben? Gern, dürfen Sie!
Ich weiß nur nicht, warum diese Fragen neuerdings als Bildungsauftrag des Staates betrachtet werden, sodass man inzwischen selbst Grundschüler mit diesem Thema belästigen will. Auch heute noch wachsen in Deutschland 75 Prozent der Kinder bei ihren miteinander verheirateten Eltern auf. Und auch heute noch müssen Alleinerziehende Tag für Tag ums finanzielle Überleben kämpfen, wenn sie ihre Kinder nicht wenige Monate nach der Geburt in eine Fremdbetreuung geben wollen. Und auch heute noch erfahren Mütter und Väter in dieser Gesellschaft keine Anerkennung dafür, was sie mit ihrer Erziehungsarbeit für die ganze Gesellschaft leisten. Das ist ein Thema für Deutschland, und für alle diese Leute engagiere ich mich.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Gender-Mainstreaming-Konzept und aktuellen Debatten über Sexualität, speziell über die von Kindern?

Birgit Kelle: Ja, klar. Männer und Frauen sind unterschiedslos gleich, biologische Eltern sind nicht wichtig für ihre Kinder, Krippe, Kita und möglichst noch Ganztags-Gesamtschule sichern eine weitgehend elternfreie Erziehung – das sind die Ziele dieser Leute. Man will sich einen neuen Menschen schaffen, befreit von Traditionen und Rollen, befreit auch von der Biologie, allzeit ökologisch wachsam, am besten noch vegan und natürlich tolerant gegenüber allem und jedem – außer natürlich Kirchen und Konservativen. Was die Landesregierungen in Baden-Württemberg, Niedersachsen und aktuell auch noch Schleswig-Holstein planen, ist nichts anderes als ein ungenierter Zugriff auf die Kinder ab der Grundschule. Und deshalb begrüße ich ausdrücklich den wachsenden Widerstand von Eltern gegen diesen Wahnsinn.

Bürgerliche sind ja bequem, aber ich kann nur allen Eltern raten, Widerstand zu leisten. Die Petition mit 200.000 Teilnehmern war schon gut, aber wir müssen raus auf die Straße. Wir müssen ein breites Bündnis schaffen und nicht nur bei den ›üblichen Verdächtigen‹ mobilisieren. Auch Eltern, die sonst SPD und Grünen nahestehen, sind entsetzt, wenn man ihnen erklärt, was für Lernmaterialien zur Verfügung stehen, mit denen ihre Kinder über den Betrieb von Bordellen, Darkrooms und ähnlichem belehrt werden sollen. Auch und gerade muslimische Familien lehnen diese Art der Frühsexualisierung für ihre Kinder kompromisslos ab. Die sind auch alle eingeladen, mit auf die Straße zu gehen. Es geht hier nicht um das übliche parteipolitische Hickhack, es geht um die Zukunft unserer Kinder.

Soeben ist Birgit Kelles neues Buch »Gender Gaga. Wie eine absurde Ideologie unseren Alltag erobern will« erschienen.