Doch, Herr Queerbeauftragter, Sie nehmen uns was weg!

Warum regt uns der “Angriff auf die Familie” eigentlich auf? Warum irritiert uns das Schwulen-Pärchen, das mit wohlfeilen Worten Adoptionsrechte fordert? Es lohnt sich, auf die Gefühle unter unseren rationalen Argumentationsschleifen zu schauen. – Eine Polemik aus dem Bauch heraus von Dr. Martin Voigt


“Wir nehmen niemandem etwas weg, sondern geben mehr Menschen rechtliche Sicherheit.” – So versöhnlich und plausibel kontert der Queerbeauftagte Sven Lehmann (Grüne) die Kritik an der modernen Familienpolitik. Wenn alle Formen von Familie gestärkt würden, würde das niemanden benachteiligen. Der aktuelle Stein des Anstoßes ist „die größte familienrechtliche Reform der letzten Jahrzehnte“, die Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) angekündigt hat.

Der Kulturkampf um Familie, Ehe, Identität, Sexualität, Kinder und Erziehung hat mit der Ampelkoalition neuen Schwung bekommen. Vor einem Angriff auf die traditionelle Familie warnen konservative Stimmen, die sich der euphorischen Vielfaltsdoktrin in Politik und Medien entgegenstellen. Die Ampel trete „den Schutz von Ehe und Familie und unser Grundgesetz mit Füßen,“ kritisiert die CSU-Politikerin Dorothee Bär die Reform. Die „Fundamente unserer Gesellschaft“ würden preisgegeben.

Die Familie – ist sie nun Keimzelle der Gesellschaft und zentrale Instanz der menschlichen Kultur? Oder ist Familie überall da, „wo Menschen verbindlich Verantwortung füreinander übernehmen“, egal ob „verheiratet, verpartnert, Patchwork, alleinerziehend oder etwas dazwischen“, wie die Grünen behaupten?

Fragen zu stellen, ist fürs erste gar nicht verkehrt: Ist es nicht ein Gewinn für Kinder, wenn sie künftig auch vier Eltern haben können? Sind Regenbogenfamilien, Homosexuelle etwa, die mit adoptierten Kindern oder dank einer Leihmutter eine „richtige Familie“ gründen wollen, nicht eine Bereicherung für unsere offene Gesellschaft? Sollten „vielfältige Lebens- und Liebesweisen“ nicht viel intensiver in Kindergärten und Schulen sexualpädagogisch besprochen werden, um Vorurteile gänzlich aus den Köpfen zu bekommen? Reicht da Toleranz, oder sollte man Akzeptanz verbindlich fordern?

Da Lehmann freimütig von „wir“ versus die anderen spricht, bleiben wir doch dabei: Hört man uns, also den Kritikern zu, stellen sich eher solche Fragen: Warum ist „Familie in Gefahr“ geraten? Warum eigentlich muss „die binäre Geschlechterordnung als alternativlose Grundlage für die natürliche Familie“ erhalten bleiben? Das klingt alles so abstrakt. Soll Familie als Modell und Instanz „zerstört“ und „ausgelöscht“ werden? Warum kann das jemand wollen? Zu den möglichen Motiven, die hinter einem „wir nehmen niemandem etwas weg“ und „wir wollen doch nur Familie für alle“ stehen, nur so viel: Dass Leute, die in einem Atemzug Abtreibungen und Leihmutterschaft gut finden, es einfach nur gut meinem im Sinne von Selbstbestimmung und gleiches Glück für alle, glauben wir nicht wirklich. Doch Anstand und Diskurskultur gebieten es, dem politischen Gegner weder böse Absichten noch geistige Erkrankungen zu unterstellen.

Babyglück dank Samenspende vs. naturgegebenes Familienmodell

Um etwas Durchblick im Kulturkampf um die Familie zu gewinnen, sollen die Absichten der Familienreformer außen vorgelassen und stattdessen die eigenen Positionen geklärt werden. Es lohnt sich, das Bauchgefühl, das sich bei diesen emotional besetzten Themen regt, einmal genauer zu artikulieren, ohne dabei in theoretisch-hölzerne oder alarmistische Phrasen zu rutschen. Was bedeutet für uns Familie und warum gerät das, was für uns Familie ausmacht, in Gefahr, wenn die Politik, die bunte Lobby und ihre Medien andere Formen des Zusammenlebens ebenfalls Familie nennen?

Die Argumentation geht dann schnell in eine juristische Richtung: Man spricht das Sorgerecht an. Kinder hätten ein Recht auf ihre leiblichen Eltern. Man zieht sogar die Adoptionsforschung heran, denn die oft lebenslange Suche adoptierter Kinder nach ihren leiblichen Eltern belege, wie elementar die biologische Abstammung im Familiengefüge sei. Eine sperrige Argumentation. Oder der Blick richtet sich auf künftige Szenarien: Welche rechtlichen Konsequenzen drohen im Familienrecht, wenn die biologische Abstammung kaum noch eine Rolle spielt? Wird man Elternschaft in Zukunft beantragen und staatlich genehmigen lassen müssen?

Ja, sämtliche linke Programme weisen in dieselbe Richtung: Das Ehegattensplitting wird abgeschafft, weil es die „traditionelle Frauenrolle“ zementiere. Es existiert eine verkappte Ganztagsschulpflicht, und ließe man die linken Parteien, wie sie wollen, würden sie über das Vehikel der Bildungspflicht eine Krippenpflicht einführen. Die Belege ließen sich so weiter aneinanderreihen und das gesamte Bild ist eindeutig: Der „Angriff auf die Familie“ findet statt.

Zu jedem einzelnen Punkt lässt sich das „Warum wir das nicht wollen“ mühsam aufrollen, doch wer hört einem noch zu, wenn man die Steuersituation einer traditionellen Alleinverdienerfamilie erklärt, oder Studien zur Stresshormonausschüttung von in Krippen kollektivierten Kleinstkindern zitiert. Talkshow-Debatten gewinnt man so nicht, und das nicht nur, weil in der Runde auf eine konservative Meinung vier linke Stimmen kommen, sondern weil Gefühle die Argumente komplett auflaufen lassen.

Da sitzt dann eben eine patente Single- oder Lesben-Mama, die ihr Babyglück einer Samenspende zu verdanken hat, oder das Vorzeige-Schwulen-Pärchen, das eloquent glaubhaft macht, wie rührend es sich um ein adoptiertes Kind kümmern würde. Und die Moderatorin betont freudestrahlend, man lebe eben nicht mehr in den 1950er Jahren und „heteronormative Klischees“ seien längst überholt. Was soll dann noch die abstrakte Theorie vom naturgegebenen Familienmodell? Man bräuchte schon eine Medienmacht, die das „Ein Kind braucht Vater und Mutter“ in berührende Bilder packt, überall und immerzu, und nicht nur manchmal und implizit in Kinofilmen oder Romanen.

Gerade schon zwanghaft argumentiert man also auf der rationalen Ebene. Aber seien wir doch einmal ehrlich – Adoptionskinder hin und Abstammungsrecht her – es geht uns die ganze Zeit um unser Gefühl für Familie. Wir sind doch extrem entsetzt und provoziert durch die familienpolitischen Angriffe.

Was triggert uns eigentlich die Homo-Hochzeit im Nachbargarten?

Doch an die Gefühle will man nicht so richtig ran, es bleibt bei einem „Familie in Gefahr!“ mit Ausrufezeichen. Vielleicht ist das so, weil man meint, dass sich Gefühle als Argumente nicht so richtig eignen würden. Oder es fehlen die richtigen Worte, um dem Bauchgefühl beim Artikulieren zu helfen. Schade eigentlich, denn der Gegner macht genau das: Er feiert eine permanente Gefühlsshow um liebenswerte Homo-Pärchen mit Adoptionswunsch, benachteiligte Gender-Identitäten und superglückliche, kinderlose Zeit-Journalistinnen mit Abtreibungserfahrung. Die bunten Medien inszenieren eine gefühlsselige Jubelarie auf die Patchwork- und Regenbogenfamilie als neue Instanz einer offenen Gesellschaft.

Und das ist die Folge: Auf der emotionalen Ebene deutet der linke Mainstream den Begriff „Familie“, und nicht nur den, mittels Dauerwerbesendung „positiv“ um. Eine Verschwörungstheorie? Leider nein. Würden Sie ihr Kind noch in den Regenbogenkindergarten schicken? Woran denken Sie bei der Strophe „Bunt bunt bunt sind alle meine Kleider“? Spaß beiseite und hinein ins spaßbefreite Twitter:

Wir müssen den Begriff „Heimat“ positiv umdeuten und so definieren, dass er offen und vielfältig ist. Und, dass er ausdrückt, dass Menschen selbst entscheiden können, wie sie leben, glauben und lieben wollen. Das wäre ein Gewinn für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Das forderte nicht die Soziologiedozentin mit Emanzenpony und Ring durch die Nase im Gender-Seminar, sondern das twitterte öffentlich die SPD-Politikerin und amtierenden Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Was Dekonstruktion heißt, weiß sie natürlich, oder ahnt es zumindest. Durch das Umdeuten und Umdefinieren verlieren die anderen, die Reaktionären, also wir, unsere inneren Bilder und Vorstellungen. Durch permanente Wiederholung schleichen sich zunächst alternative dann überlagernde Bilder in unser Unterbewusstsein.

Das ewige Mantra von der „Ehe für Alle“ schlug den bisher für sich stehenden Begriff „Ehe“ aus der Verankerung und verknüpfte über das „für alle“ die Ehe mit dem inneren Bild eines Homo-Pärchens. Sind da vor dem inneren Auge hinter den ganzen Regenbogenfahnen und den vielfältigen Lebens- und Liebesweisen noch irgendwo Mann und Frau? Oder sind sie in den Hintergrund getreten, fast ganz verschwunden?

Beschwichtigend hieß es schon damals, man wolle der klassischen Ehe – sehen Sie, man muss schon „klassische“ hinzufügen – man wolle der Ehe zwischen Mann und Frau doch nichts wegnehmen, sondern nur gleiche Rechte für alle. Ja, was triggert uns eigentlich die Homo-Hochzeit im Nachbargarten? Wir können doch nach wie vor Ehen schließen, wie es uns passt.

Die Reconquista wird nicht über die Ratio gelingen

Ganz einfach und ehrlich: Wir wollen nicht, dass es Ehe heißt! Wir wollen nicht, dass zwei Männer vor dem Altar stehen! Zwei Lesben und das Ergebnis einer Samenspende sind keine Familie! Abtreibung ist Mord! Leihmutterschaft ist Ausbeutung und Menschenhandel! Ein Mann ist ein Mann, und eine Frau eine Frau, sorry, das liegt nicht an uns, das ist einfach so! Unsere Kinder sollen keine Kondome über Holzpenisse ziehen oder homosexuelle Darkroom-Theaterstücke aufführen! Und: Familie bleibt Familie!

Wir lassen uns unsere Überzeugungen und inneren Bilder nicht wegnehmen und umdeuten. Wir lassen unsere Sitten und Bräuche nicht mit einer queeren Soße übergießen und entwürdigen. Wir lassen uns unsere Vorstellung von Familie und Ehe nicht banalisieren und entwerten. Weil es unsere Gefühle verletzt! Das an allererster Stelle. Das kommt spontan, das ist die Ursache unserer Empörung.

Natürlich geraten unsere Familien und vor allem unsere Kinder durch die „zerstörerische Agenda“ ganz real in Gefahr, wenn zum Beispiel Familien ökonomisch drangsaliert, Mütter in die Erwerbstätigkeit gedrängt und Kinder verstaatlicht und mit Perversitäten indoktriniert werden. Aber das ist das Denken, Rechnen und Argumentieren, das einsetzt, wenn sich die erste Empörung aus dem Bauch heraus in einem lauten „Kinder in Gefahr!“ Luft gemacht hat.

Wir merken gar nicht mehr, wie wütend uns das macht, dass wir vor die Begriffe Ehe, Familie und bald auch Heimat ständig ein „klassisch“ oder „traditionell“ davor setzen müssen, um das Gemeinte vor der queeren Bedeutungserweiterung zu schützen. Wir sind wütend, weil wir an Boden verloren haben. Wir müssen uns dieser Wut stellen und sie nutzen. Die Reconquista wird nicht über die Ratio gelingen.

Imitation von Ehe ist kulturelle Aneignung

Es ist dieser Tage schon in Ordnung auf seine verletzten Gefühle zu pochen. Wir müssen ja nicht gleich so empfindlich sein, wie amerikanische Student*innen, die vor der Lektüre von Shakespeare eine Triggerwarnung benötigen. Wir sollten uns nur ein Scheibchen abschneiden von der peinlichen Dauerempörung der Grünen, die den menschengemachten Klimawandel fühlen und nicht belegen.

Stimmen wir doch ein in den aktuellen Schlachtruf der verletzten Gefühle: „Kulturelle Aneignung“ ertönt es allerorten, selbst wenn Stefan Sushi verkaufen will, oder Fridays for Future-Schulschwänzer eine weiße Sängerin wegen ihrer Dreadlocks wieder ausladen. Das alles hat Lehmann, so scheint es, nicht mitbekommen, denn er „würde es den Heteros wünschen ehrlich gesagt“, eine „offene Beziehung“ mit „sexuellen Freiräumen“ zu führen. Dies sei nämlich ein „Teil unserer schwulen Kultur, unserer queeren Kultur. Dafür haben wir gekämpft.“

Wir lehnen dankend ab, Herr Lehmann, denn das wäre kulturelle Aneignung. Bleiben Sie gerne bei Ihren offenen Beziehungen und amourösen PrEP-Abenteuern, und lassen Sie uns dafür bitte unsere heteronormative und monogame Kultur. Um es deutlich zu sagen: Zwei Männer vorm Altar, eine schwule Hochzeitstorte, und die kitschige Imitation von Ehe sind genau das: Kulturelle Aneignung!

Das Wahre, Schöne und Gute lässt sich nicht dekonstruieren

Es ist an der Zeit, einfach einmal laut und deutlich zu sagen, wie man fühlt, was man für richtig und normal hält, und wo Gefühle verletzt werden, ganz ohne sich zu rechtfertigen und sich in sperrige Rationalitäten zu verstricken. Gut, die medialen Kräfteverhältnisse werden sich nicht ändern und sie werden unsere Werte weiter lächerlich machen, vielleicht sogar noch mehr, wenn auch wir einmal Gefühle statt phrasengeschwängerte Argumentationsschleifen bringen. Egal, denn es ist gut für die Psychohygiene, und wenn Klarheit über die intrinsische Motivation herrscht, werden auch die Thesen schärfer.

Also warum regt sie uns auf, die von Leh- und Buschmann herbeigesehnte Familienrechtsrevolution? Mit einem gegrummelten „Blut ist dicker als Wasser“ könnten wir den inneren Rückzug antreten. Was ficht sie uns an, die Patchwork- und Regenbogen-Idylle der anderen? Ganz einfach, weil es eine Lüge ist:

Es macht nicht glücklich, wenn Mama und Papa sich scheiden lassen und einen neuen Partner anschleppen, der dann auch noch Kinder hat. Da nützen auch die Geschenke der „sozialen Eltern“ und der neuen Omas und Opas nichts. Weihnachten ist dann eine Farce. Homosexuelle Triebbefriedigungsgemeinschaften haben mit einer Ehe und Familie nichts zu tun und sollen auch so nicht heißen. Und wenn sie dann trotzdem noch ein Kind wollen per Adoption, Samenspende oder Leihmutterschaft, um Familie zu imitieren, dann ist das Perversion im Quadrat, ganz abgesehen von der Tragödie des Kindes.

Es ist die große Lüge, die uns aufregt. Die Lüge breitet sich aus und keiner sagt etwas. Jeder klatscht dem nackten Kaiser Beifall und macht seinen Kotau vor der Lüge. Die Lüge erhält gleiche Rechte. Die Lüge wird gleich wertvoll. Die Lüge wird zur gesetzlichen Norm und damit zur kulturellen Tatsache. Die Lüge hat uns den Regenbogen genommen. Die Lüge zerstört Familien und Kinder.

Doch, Herr Lehmann, Sie wollen uns etwas wegnehmen – die Wahrheit. Aber das wird Ihnen trotz aller „positiver Umdeutung“ und der Revolution im Familienrecht nicht gelingen, denn Lügen haben kurze Beine: Das Wahre, Schöne und Gute ist kein Kulturprodukt, das man dekonstruieren kann! Familie, das ist Natur pur, oder wie sagte der Dichter Ernst Wichert: „Vater, Mutter und Kind, das ist der ewig alte und immer wieder neue Dreiklang, der die Welt zusammenhält.”

Unser Gefühl für Familie ist uns in die Seele gelegt, und deshalb sollten wir viel mehr aus dem Bauch heraus polemisieren, wenn uns die Lüge anficht, und idealisieren, wenn wir die Wahrheit verteidigen! – Das Hohelied der Familie folgt in Kürze.