Winfried Mack, stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg und stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, war Referent bei einer öffentlichen Veranstaltung zum Thema „Bildungsplan“, „Gender“ und „sexuelle Vielfalt“ am 17. November 2015. Hier finden Sie seine Rede im Wortlaut.
»Zu Beginn möchten wir klarstellen: Die CDU ist die Partei der Freiheit! Staatliche Bevormundung, auch in Form von verordneten Ideologien, lehnen wir strikt ab.Hierzu gehört auch die Gender-Ideologie. Die CDU steht zudem für ein tolerantes Baden-Württemberg, in dem jeder Mensch sich frei entfalten kann. Dieses Ziel muss aber für alle gelten, auch für alle Minderheiten: egal ob es religiöse, ethnische, inklusive oder eben sexuelle Fragen betrifft. Daher ist es zunächst einmal zu begrüßen, dass die grün-rote Landesregierung nach Protesten aus der Bevölkerung die „Leitperspektive“ im Bildungsplan nun so formuliert hat, dass sie für die sexuelle Orientierung, Religionen, Weltanschauungen, Nationalitäten, Alter und Pluralisierung gilt.
Nun hat zwischenzeitlich das Sozialministerium – unabhängig vom Bildungsplan des Kultusministeriums – seinen„Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte“ im Kabinett durchgesetzt, der sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche bezieht, und somit auch Querverbindungen zum Bildungsplan herstellt.
Welche Ziele möchte Grün-Rot in diesem Bereich erreichen? Die Antwort findet man bei der Hinterfragung, von wem sich die Landesregierung hier beraten lässt. Der entsprechende Beirat setzt sich zum größten Teil aus Menschen zusammen, die der Gender-Theorie (mindestens) nahe stehen. Diese Theorie wiederum will das Ziel der Akzeptanz über eine Dekonstruktion der Geschlechterbilder erreichen, was unter anderem an den Schulen geschehen soll! Die Folge ist eine Abkehr von der Pädagogik vom Kind her. Hier wird Politik auf dem Rücken der Kinder für die eigenen Interessen und Vorlieben von Erwachsenen gemacht, und die Leidtragenden sind im Zweifel die Kinder. Dies ist ein staatlicher Eingriff in die Elternrechte, unter dem Vorwand, es ginge um Kinderrechte.
Zurück zum Bildungsplan: Auch wenn dies momentan nicht mehr so ausdrücklich im neuen Bildungsplan steht, so ist der Aktionsplan durchaus als erster Schritt in diese Richtung zu werten. Denn im Aktionsplan wird auch ausdrücklich die Fortbildung von Lehrkräften und Schulpsychologen in diesem Bereich unterstützt (S. 27-28, Aktionsplan). Auch die Erstellung einer Handreichung mit Unterrichtsmaterialien zum Themenfeld „geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung (LSBTTIQ)“ ist in Planung (S. 27-28, Aktionsplan). Interessant ist, dass in einer Stellungnahme des Kultusministeriums abgestritten wird, dass der Aktionsplan auf die Bildungspläne irgendeinen Einfluss hätte.
Es ist nun wissenschaftlich höchst fragwürdig, ob solch ein Vorgehen dem Ziel der Gleichbehandlung dient, stattdessen ist eher davon auszugehen, dass Kinder und Jugendliche massiv verstört werden. Man darf nicht vergessen, dass es sich hier um einen hoch sensiblen persönlichen Bereich handelt.
Die bewusste Verwirrung, die durch entsprechende Schulaufgaben gestiftet werden soll, ist gewollt, und dient somit nicht mehr dem ehrenwerten Ziel der Gleichstellung aller Geschlechter, sondern der Schaffung einer neuen Identität. Es sieht so aus, als wolle man einmal mehr auf eine möglichst frühe Sexualisierung der Jugendlichen abzielen.
Beispiele für „entsprechende Schulaufgaben“ stehen in einem Artikel in der Süddeutschen (April 2014). Quelle: das Standardwerk „Sexualpädagogik der Vielfalt“ von Elisabeth Tuider und ihren Mitarbeitern: Die Ersteigerung von Gegenständen für ein WG-Haus mit Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung ist dabei noch ein harmloses Beispiel. Hier könnte das Lernziel tatsächlich noch in der Akzeptanz begründet liegen. Die Gegenstände, um die es hier geht, berühren allerdings schon nicht mehr die Lebenswirklichkeit von Jugendlichen, Stichwort Potenzmittel. In weiteren Aufgaben wird die Privatsphäre der Schülerinnen und Schüler schonungslos offengelegt: man soll sich selbst einordnen, auch in Bezug auf die sexuelle Identität, und über die persönlichsten Erlebnisse berichten („mein erstes Mal“). Oder: „Der neue Puff für alle“, bei dessen Entwurf die „besonderen Bedürfnisse“ aller möglichen Menschen berücksichtigt werden sollen.
Nun ist derzeit nicht bekannt, dass es in Baden-Württemberg solche Schulaufgaben gibt. Aber: Wenn man dem Bildungsplan in seiner ursprünglichen Form gelassen hätte, dann hätte es durchaus Raum gegeben für solche Aufgabenstellungen – und wir machen uns schon Sorgen, ob die Verfechter der sexuellen Vielfalt nicht wieder in diese Richtung wollen! Immer wieder wurde gefragt, was für ein Konzept hinter solch einem Schulbuch steckt. Die Antwort geben die Autoren selbst, wenn sie von „Dekonstruktive[r] Pädagogik sowie der (neo-) emanzipatorischen Sexualpädagogik“ sprechen. Dies ist quasi deckungsgleich mit den Zielen der Gender Theorie.
Ob sich diese „bewusste Verwirrung“ positiv auf die Akzeptanz sexueller Vielfalt auswirkt, ist eine ANNAHME der Gender Forscher, die NICHT BEWIESEN ist, denn Forschung über diese Grundannahme gibt es nicht!
Dennoch wird den Schülerinnen und Schülern eine Ideologie vorgesetzt, die auf Annahmen beruht, die naturwissenschaftliche Forscher längst widerlegen können. Die Psychologie geht beispielsweise davon aus, dass sich eine bewusste Verwirrung der eigenen Identität negativ auf die Entwicklung von Kindern auswirken kann. Die Gender Theorie stellt ihre Ideologie somit über alles, was man in der Biologie, Psychologie oder Neurologie über Geschlechterunterschiede weiß. Wenn so etwas in der Schule gefördert werden soll, ist dies ein Skandal.
Die Schülerinnen und Schüler würden darüber hinaus lernen, dass Sex jederzeit und in jeder Form zu haben ist, wie eine Ware, und dass es Identitäten „nach Angebot“ gibt. Dass sie durch solch einen Lebensstil aber auch großen emotionalen Schaden erfahren können, wird ihnen dabei verschwiegen.
Wir glauben demgegenüber, dass sich die meisten Menschen für ihre Kinder stabile Beziehungen wünschen – ob das nun mit einem homo- oder heterosexuellen Partner ist. Und dass sie nicht möchten, dass ihre Kinder Sex als Ware begreifen, der ohne Liebe immer und überall zu haben ist, und dass sie dadurch womöglich große emotionale Verletzungen erfahren.
Intuitiv möchte man zudem meinen, dass sich die Jugendlichen über ihre eigenen sexuellen Erfahrungen nicht unbedingt im Klassenzimmer äußern möchten. Und schlimmer – welche Lehrkraft kann dafür garantieren, dass spätestens nach der Schulstunde der mutige Schüler nicht dafür gemobbt wird, dass er von seinen persönlichsten Erlebnissen erzählt hat?
Damit wäre das Gegenteil erreicht von dem, was der Bildungsplan will – nämlich Akzeptanz fördern und Diskriminierung vermeiden, sowie Gleichstellung und Gleichberechtigung fördern. Wir erkennen an: Solche Ziele sind richtig und wichtig, denn nach wie vor sind auf dem Schulhof Beleidigungen in dieser Richtung an der Tagesordnung. Dies muss unbedingt angegangen werden, denn Diskriminierung darf es in unserem Land nicht geben – weder aufgrund der Religionszugehörigkeit oder der Nationalität, noch aufgrund der sexuellen Orientierung.
Den Weg, um diese Ziele zu erreichen, schienen die Verfasser des ursprünglichen Entwurfs des Bildungsplans und die Verfasser des Aktionsplans jedoch in erster Linie über die Gender Theorie gehen zu wollen.
Der Versuch des Staates, hier eine Ideologie zu vertreten, von der die Folgen auf die Schülerinnen und Schüler völlig unklar ist, greift zu weit in deren Privatsphäre ein. In einer Lebensphase, in der es ohnehin schwer genug ist, sich im Leben zurechtzufinden, muss die Frage erlaubt sein, ob eine solche Politik zielführend ist.
Dieses undurchsichtige Vorgehen von Grün-Rot schürt genau die Ängste und Vorbehalte, die man eigentlich zerstreuen will. Und eine Politik des Gehörtwerdens sieht natürlich auch anders aus, wenn man bedenkt, wie die Landesregierung den massiven Protest gegen Bildungs- und Aktionspläne als moralisch minderwertig abstempelt. Die FAZ (23.6.2015) bringt es auf den Punkt: „Dient das dem Abbau von Diskriminierung, oder wollen der Staat und die Schule damit das „Coming out“ fördern? Letzteres wäre ein höchst problematischer Eingriff in die Privatsphäre der Menschen auf der Grundlage einer umstrittenen Theorie.“ Kretschmann sei selbst schuld an der aufgeladenen Stimmung im Land, denn „er hat sich bei diesem Thema lange passiv verhalten. Das ist erstaunlich, denn die Gender-Theorie und das Gender-Mainstreaming werfen für einen philosophisch gebildeten Politiker viele Fragen auf.“
Das Kultusministerium hat den Bildungsplan mittlerweile überarbeitet, und das Thema „Akzeptanz“ in einen breiteren Kontext gestellt. Somit ist der Bildungsplan in seiner derzeitigen Form aus unserer Sicht als eher harmlos zu bezeichnen.
ABER: Der Kultusminister versucht derzeit offenbar alles, um das Thema so kurz vor der Wahl nicht wieder hochkochen zu lassen. Dabei hat er allerdings alle Einfallstore offen gelassen, und es würde von uns naiv sein zu glauben, dass diese nicht auch genutzt würden! Deshalb machen wir uns schon Sorgen, ob nicht in einer weiteren grün-roten Legislaturperiode dem Thema durch den Druck entsprechender Lobbygruppen (LSBTTIQ) wieder mehr Einfluss zugesprochen werden könnte – immerhin hat die GEW schon beklagt, dass zu wenig sexuelle Vielfalt im Bildungsplan zu finden sei („Völlig unbefriedigend“ sei, dass der Themenbereich in vielen Fächern gar nicht erwähnt werde. Die Leitperspektive sei „noch nicht gelungen“; Heilbronner Stimme, 10.11.2015). Wenn es soweit kommen sollte, würden die soeben genannten Punkte wieder zur Diskussion stehen!
Die CDU steht für die Bewahrung der Freiheit und nicht für Gleichmacherei unter den Vorzeichen der Gender-Ideologie. Für uns sind das christliche Menschenbild, die Menschenwürde und der besondere Schutz von Ehe und Familie im Mittelpunkt unserer Politik.
Was wäre also aus unserer Sicht sinnvoll?
- Wir brauchen einen Bildungsplan, der sich an den Bedürfnissen und an den Fragen der Jugendlichen orientiert, und ihnen nicht eine Ideologie überstülpen will. Dass die verschiedenen Lebensentwürfe diskutiert werden sollten, um gegen Diskriminierung vorzugehen, ist für uns selbstverständlich.
- Wir brauchen also einen Bildungsplan, der sich gegen Diskriminierung jedweder Art wendet, und die Jugendlichen lehrt, Menschen mit anderen Bedürfnissen, Orientierungen und Lebenseinstellungen nicht abzuwerten.
- Wir brauchen einen Bildungsplan, der über die grundlegenden und wichtigen Fragen der Sexualität aufklärt, aber dabei die (sexuelle) Privatsphäre der Schülerinnen und Schüler unangetastet lässt, denn natürlich wollen wir auch weiterhin Aufklärung an den Schulen!
- Wir brauchen einen Bildungsplan, der sich für die Gleichbehandlung aller Menschen einsetzt, unabhängig ihres persönlichen Lebensentwurfs.
- Wir setzen uns für eine Verstärkung der (sexuellen) Identität ein, und nicht für eine Verunsicherung!
Auch wir wollen, kurz gesagt, Diskriminierung abbauen und setzen uns daher für Aufklärung und Thematisierung ein. Was wir aber nicht wollen, ist den Gender-Lobbygruppen so viel Einfluss zuzusprechen! Der Weg, um das Ziel von weniger Diskriminierung zu erreichen, geht für uns nicht über die Gender-Theorie, sondern über das christliche Menschenbild.«
Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.wertepolitik.de.