Am vergangenen Wochenende fanden in Berlin bereits zum dritten Mal die „Kinderwunsch Tage“ statt. Dort werben internationale Unternehmen für Leihmutterschaft, Eizellen- und Embryonenspende, obwohl diese Praktiken in Deutschland verboten sind.
Knuddelige Babies, lachende Schwangere und glückliche Familien. Wer am vergangenen Wochenende den Saal im dritten Obergeschoss des Mercure Hotels in Berlin-Moabit betrat, dem strahlte das pure Kinder- und Familienglück entgegen: Freundliche Mitarbeiter verteilen Broschüren, Kugelschreiber und Schokolade und bitten zu Beratungsgesprächen an einen von 46 Infoständen. „Zusammen lassen wir Wünsche wahr werden“, so verspricht es zumindest der große Slogan auf der Rückseite der Tagungsbroschüre, die jeder Teilnehmer am Eingang erhält. Kinderwunsch also. In Zeiten niedriger Geburten- und hoher Abtreibungsraten sollte das doch etwas Positives sein. Etwas, das man bedingungslos unterstützen könnte. Oder etwa nicht?
Hinter der netten Fassade: Werbung für illegale Praktiken
Tatsächlich verbergen sich hinter der netten Fassade „Kinderwunsch Tage“ zahlreiche internationale Unternehmen und Kliniken aus dem Bereich der sogenannten Reproduktionsmedizin. Firmen aus den USA, Spanien, Griechenland, Russland, Polen oder der Ukraine bieten dort ihre teuren und moralisch höchst fragwürdigen technologischen Methoden an, um den Wunsch nach einem Kind zu erfüllen – um jeden Preis, wie es scheint. Neben In-Vitro-Fertilisation und Samenspende finden sich unter den Angeboten auch zahlreiche Praktiken, die in Deutschland verboten sind, wie z.B. Leihmutterschaft, Embryonenspende und Eizellenspende (siehe Embryonenschutzgesetz § 1). Auch die Präimplantationsdiagnostik (PID) steht als reguläres Hilfsmittel zum perfekten Kind im Programm, die in Deutschland seit 2011 zwar nicht mehr verboten, aber nur unter besonderen Bedingungen erlaubt ist (siehe Präimplantationsdiagnostikverordnung). Die Aussteller kommen zwar aus Ländern, in denen diese „reproduktionsmedizinischen“ Maßnahmen erlaubt sein mögen, in Deutschland ist Werbung für zum Beispiel Leihmutterschaft aber untersagt (siehe Adoptionsvermittlungsgesetz § 13 c und d).
Der Leiter der Tagung, David McAllister von der britischen Eventagentur „F2F Events“ (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen CDU-Politiker), behauptete in einer Pressemeldung von Juni 2018 zwar, die Teilnehmer erhielten „neutrale Hilfe und Informationen“. Allerdings forderte nicht nur derselbe McAllister wenige Monate zuvor noch die Legalisierung der Eizellenspende in Deutschland, auch die Realität auf der Veranstaltung sah anders aus: In den kurzen Vorträgen und den zahlreichen Infomaterialien wird für die verschiedenen Angebote im Ausland geworben. Fotos von Leihmüttern und Eizellenspenderinnen werden gezeigt, die medizinischen und hygienischen Standards der Kliniken vorgestellt und die verschiedenen „Pakete“ erläutert, die man dort bestellen kann. Von „all inclusive Leihmutterschaftsprogrammen“ für 55.000 Euro in der Ukraine oder „Garantien“ auf Nachwuchs durch „unbegrenzte“ Versuche der künstlichen Befruchtung ist die Rede. Ein Arzt empfiehlt den Urlaub im sonnigen Kalifornien, wo sich seine Klinik befindet, gleich mit. Zwei Wochen Strand, zwei Tage Klinik – so geht Kinderkriegen heute.
Und die wenigen rechtlichen Hürden in diesen Ländern können die Unternehmen mittlerweile auch leicht umgehen. Bevor beispielsweise in Griechenland der Prozess einer Leihmutterschaft begonnen wird, muss ein Gericht feststellen, dass die rechtliche Mutter auf natürlichem Wege kein Kind bekommen kann. Absurderweise wird dies dem Gericht gegenüber von demselben Arzt festgestellt, der auch anschließend die Leihmutterschaft vorbereiten wird. Und etwa in Spanien gibt es die sogenannte ROPA-Methode für lesbische Paare nur, wenn sie nachweisen können, zuvor mindestens zwei Jahre in einem Haushalt gelebt zu haben. Für die Ärztin der spanischen Klinik kein Problem: Wenn das Paar das nicht könne, sollten sie dennoch kommen, ihr Notar würde das schon unterschreiben.
Düstere Realität statt Science-Fiction-Film
Die unmoralischen Folgen dieser Praktiken werden auf der Kinderwunsch-Messe indes vollkommen ausgeblendet. Die Ausbeutung vieler Leihmütter, die Degradierung des Säuglings zur Ware, die Tötung zahlreicher ungeborener Kinder durch fehlgeschlagene „Transfers“ – all das spielt hier keine Rolle. Im Gegenteil: Die Referenten sprechen ganz offen von „Embryonen-Züchtung“, empfehlen bei einer Mehrlingsschwangerschaft die „Reduktion“ um ein oder zwei Kinder und versichern, dass ein „genetisch geschädigtes“ Kind, etwa durch Trisomie 21, „auf keinen Fall transferiert würde“. Das angebliche Recht auf ein Kind hat also nicht nur seinen monetären, sondern auch menschlichen Preis, aber den sind die Teilnehmer scheinbar bereit zu zahlen.
Auf dem Weg zum perfekten Baby werden auch der künstlichen Selektion keine Grenzen gesetzt: Im spanischen Kinderwunschzentrum ivf-Spain zum Beispiel können die Kunden das Geschlecht, die Augen- und Haarfarbe sowie soziale und charakterliche Fähigkeiten ihres Kindes aussuchen. Was nach einem Science-Fiction-Film klingt, ist bereits heute düstere Realität. Das einzige Prinzip, das hier gilt, ist wohl „anything goes“. Kohle über Kindeswohl.
Wo bleibt der Aufschrei?
Es fühlte sich seltsam an, über die „Kinderwunsch Tage“ zu laufen und nirgendswo die ernsthafte Frage zu hören, ob das hier alles überhaupt moralisch legitim sei. Ob es nicht eigentlich egoistisch sei, um jeden Preis ein Kind zu bekommen. Ob man mit Leihmutterschaft und Eizellenspende Frauen nicht zu Brutkästen und Kinder nicht zu Produkten degradiere. Wer sich diese Fragen stellte, konnte sich des Eindrucks eines teuren, auf Hochglanz polierten Supermarktes nicht verwehren. Und noch eine Frage bleibt: Warum verstummte in diesem Jahr die Kritik, die bei den ersten beiden „Kinderwunsch Tagen“ noch zu vernehmen war? Warum keine Proteste aus der Politik oder den Kirchen? Warum keine strafrechtliche Ermittlung? Ist die Werbung für solche menschenunwürdigen Praktiken so schnell salonfähig geworden?
Um im Gegensatz dazu über die Ausbeutung von Frauen und Kindern durch die weltweit zunehmende Praxis der Leihmutterschaft aufmerksam zu machen, hat die DemoFürAlle die sehenswerte Dokumentation „Geliehene Bäuche – Gekaufte Kinder: Big Business Leihmutterschaft“ veröffentlicht.