Der „neue Körper“ – eine radikale Zäsur

Die Trans-Lobby richtet sich im Internet gezielt an verunsicherte Teenager. Mit Erfolg, denn immer mehr folgen den falschen Heilsversprechen, während Psychologen, Ärzte und Eltern vermehrt unter Druck geraten, den spontanen Transitionswünschen der Kinder zuzustimmen. Das geplante Selbstbestimmungsgesetz wird diesen Trend noch verschärfen.


„Kommt sie wirklich ihr Leben lang damit klar? Die Abhängigkeit von Hormonen, die Amputation der Brüste? Meint sie das wirklich ernst?“ Als das erste Mädchen aus seiner Schule über einen Vertrauenslehrer verlautbaren lässt, dass sie fortan „im männlichen Geschlecht leben“ und „den Weg der Transition“ gehen werde, ist der Bremer Gymnasiallehrer Michael Böhm fassungslos. Die Zehntklässlerin sei bis dahin unauffällig gewesen, erzählt er auf Nachfrage. In Abständen von ein paar Monaten outen sich zwei weitere Mädchen aus der selben Jahrgangsstufe als Transgender.

Böhms Beobachtung ist kein Einzelfall. Am südlichen Ende Deutschlands bestätigen die beiden Münchner Schüler Jan und Moritz sofort auf die Frageob „trans“ ein Trend unter Mädchen sei – Moritz: „Ja, an unserer Schule sind es vier oder fünf Mädchen, die trans sind.“ Jan: „Bei uns sind es auch ein paar, aber die Eltern spielen da noch nicht ganz mit.“

Voller Hass auf ihren weiblichen Körper

Von einem „Transgender-Hype“ berichtet die Kinder- und Jugendmedizinerin der Ruhr-Uniklinik, Annette Richter-Unruh, schon 2019 in der FAZ. Laut der leitenden Ärztin seien im Jahr 2006 nur drei Kinder mit vermuteter Transidentität in der Klinik vorstellig geworden. 2019 seien es schon über 200 gewesen, vor allem Mädchen. Inzwischen sind es mehrere hundert, deutschlandweit sind es tausende – und sie wissen, was sie wollen. Mit ihren Selbstdiagnosen und voller Hass auf ihren weiblichen Körper stürmen Mädchen neuerdings in allen westlichen Industrieländern die Kliniken. Die Wartelisten sind voll.

„Die Sprache, die die Mädchen auf einmal drauf haben, und wie sie fordern, mit neuem Namen und dem männlichen Pronomen angesprochen zu werden – die haben sich Hilfe bei diesen Trans-Gruppen geholt,“ ist sich Böhm sicher. Mit dieser Vermutung ist der Lehrer nicht allein. Das Phänomen „Rapid Onset Gender Dysphoria“, kurz: ROGD, und zu deutsch: die plötzlich einsetzende Geschlechtsdysphorie, betrifft vor allem pubertierende Mädchen. Weltweit bilden sich Initiativen entsetzter Eltern, die nicht glauben wollen, dass ihre Töchter wie aus heiterem Himmel ihre „wahre Geschlechtsidentität“ als Junge für sich entdeckt hätten. Geschlechtsangleichende Maßnahmen, also Hormone und Skalpell, seien just das Mittel der Wahl, um mit pubertären und seelischen Problemen endgültig abzuschließen. Der „neue Körper“ – eine radikale Zäsur.

Eltern werden massiv unter Druck gesetzt

Elterninitiativen wie „Parents of ROGD-Kids“ haben sich vor allem deshalb gegründet, um sich gegen die unterlassenen Hilfeleistungen und Desinformation der zu Rat gezogenen Therapeuten und Ärzte zu wehren. Diese würden sehr oft im selben ideologischen Fahrwasser schwimmen, wie die radikale Trans-Gemeinschaft, die jeden vorsichtigen Einwand als transphob geißelt. Die Eltern sollen die neue Identität als Junge nicht infrage stellen, so die transaffirmativen Therapeuten, sondern ihre Kinder auf dem eingeschlagenen Weg unterstützen, wenn sie keinen großen seelischen Schaden riskieren wollen. Statt einer kritischen und ganzheitlichen Anamnese und einer umfassenden Aufklärung über die lebenslangen Folgen von Hormontherapien und geschlechtsangleichenden Operationen, bildet sich eine Tochter-Therapeuten-Allianz, die gegenüber den Eltern Druck und Schuldgefühle aufbaut.

Viele Eltern knicken ein, manche suchen nach alternativen Therapie-Angeboten. Doch die Vertreter der Zunft sind durchideologisiert oder verängstigt. So bleibt etwa die Suche eines Vaters nach einem Psychologen für seine Tochter erfolglos, da „sie alle ihre Praxis eingestellt haben, weil sie massiven Angriffen ausgesetzt waren“, und auch juristisch belangt worden seien.

Die Trans-Lobby ist die neue Hausmacht im Regenbogen-Deutschland. Ihre Transgender-Heilsbotschaft richtet sich im Internet gezielt an verunsicherte Teenager. Und es gelingt ihr, Psychologen, Ärzte und Eltern massiv unter Druck zu setzen, den spontanen Transitionswünschen der Kinder zuzustimmen.

Die orwellsche Agenda der Trans-Lobby

Eine Mutter hatte sich deshalb in einem offenen Brief in der feministischen Emma an den Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne) gewandt. Sie sei besorgt über das geplante Selbstbestimmungsgesetz, das es 14-jährigen Kindern ermöglichen soll, sich ohne die Zustimmung ihrer Eltern für eine Geschlechtsumwandlung entscheiden zu können. Die „medial fehlgeleiteten“ Teenager seien in ihrer sexuellen Identität verwirrt und würden sich beeinflusst durch die überall propagierte sexuelle Vielfalt unreflektiert als pansexuell, bisexuell, homosexuell und eben „auch mehrere Schülerinnen als transsexuell“ bezeichnen. In ihrer völlig unsicheren Lebenssituation, dürften sie solch tiefgreifende Entscheidungen, die dem Outing als „trans“ oftmals folgten, nicht ohne die Eltern treffen können, so die Bitte der sich selbst als links definierenden Mutter an Lehmann.

Der Regenbogen-Chef jedoch verhöhnte die Mutter auf Instagram: Ihr Brief strotze vor „Queer- und Transfeindlichkeit, Homophobie, Adultismus“ und elterlichem „Machtgehabe“. Er könne so auch von „evangelikalen Christ*innen und bürgerlichen Faschos stammen“, zitierte Lehmann die Meinung eines weiteren Instagram-Nutzers.
Gegenüber der dpa betonte der Queerbeauftragte: „Trans ist ganz sicher weder ein Hype noch eine Modeerscheinung.“ Vielmehr würde die „offener gewordene“ Gesellschaft es den Mädchen erleichtern, zu ihrer männlichen Identität zu stehen. Die perfide Logik Lehmanns ist beispielhaft für die orwellsche Agenda der Trans-Lobby, deren nächster Coup das Selbstbestimmungsgesetz sein soll.

Ampel-Regierung plant freie Geschlechts-Wahl

Die Ampel-Koalition will das 40 Jahre alte Transsexuellengesetz abschaffen, amtliche Personenstandsänderungen vereinfachen und die dafür bisher notwendigen psychiatrischen Gutachten für obsolet erklären. Jugendliche ab 14 Jahren sollen ihre geschlechtliche Identität frei wählen dürfen. Noch müssen die Eltern da zustimmen.

Dem „Sprechakt“ von Teenagern folgt meist die Transition, beginnend mit Hormonblockern. Künftig sollen Eltern die Identitätsverwirrung ihrer Kinder nicht mehr hinterfragen und auch per Gesetz aus der Entscheidung über medizinische Maßnahmen ausgeklammert werden. Laut Koalitionsvertrag sollen dann Krankenkassen für die Hormonbehandlungen und Ops aufkommen. Lehmann fordert in der ZEIT, „die Peer-basierten Angebote aus der Trans-Community“ zu stärken, denn die hätten das „nötige Einfühlungsvermögen für die Begleitung von Transitionen.“

Innerhalb der Ärzteschaft könnte die nicht verbindlichen Altersgrenzen bei diesen gravierenden Eingriffen bald ganz wegfallen, warnt der Münchner Kinder- und Jugendpsychiater, Alexander Korte in der Emma. Ein großer Fehler, denn „wir werden überschwemmt von Anfragen.“ Doch nur bei einer Minderheit der Minderjährigen, die sich als trans outen, liege eine transsexuelle Entwicklung vor. Sie würden vielmehr an den Herausforderungen der Pubertät scheitern. „Die rigiden Schönheitsideale tragen ihren Teil dazu bei“, beobachtet Korte. Mit der Schablone „ich bin trans“ biete sich eine Erklärung für die gestörte Körperwahrnehmung.

Noch im Rausch der plötzlichen Selbsterkenntnis, wird diese dann ohne weiteres amtlich, therapeutisch und sozial, also von allen Seiten, bekräftigt und beklatscht. Besonders gegenüber Gleichaltrigen und der Trans-Gemeinschaft käme ein Rücktritt vom Outing einem Gesichtsverlust gleich. Sie seien „aus der Nummer nicht mehr herausgekommen“, sagen Betroffene.

Detransitionen: Zurück zum eigenen Geschlecht

Pubertätsblocker sind der erste Schritt in die Transition. Beobachtungen zeigen, dass sich fast alle so behandelten Kinder für weitere pharmakologische und operative Eingriffe entscheiden. Ohne die Einnahme von Pubertätsblockern, die für sich schon ein unerforschter Chemiecocktail sind, würden sich vier von fünf Betroffenen mit ihrem biologischen Geschlecht aussöhnen, mahnen 2019 Mediziner der Londoner Tavistock-Klinik, die durch den Fall „Keira Bell“ für Aufsehen sorgte.

Als 16-Jährige bekam Bell auf ihre Aussage hin, sie würde sich als Junge fühlen, die Hormone, die sie wollte. Mit 18 ließ sie sich die Brüste amputieren. Man habe ihr nur „ein paar oberflächliche Fragen“ gestellt, und hätte „ihre Wünsche viel stärker hinterfragen“ müssen, wird sie später vor Gericht aussagen. 2020 gab der britische High Court der Klage Bells gegen den National Health Service und die Tavistock Klinik recht: Jugendliche seien kaum in der Lage, die Tragweite und Risiken der Einnahme von Pubertätsblockern zu erfassen.

Bell gehört zur tragischen Gruppe der sogenannten Detransitioner: Mädchen, die ihre Geschlechtsumwandlung bereuen und versuchen, wieder als Frauen zu leben. Unter dem Hashtag #detrans berichten sie in den sozialen Medien, wie sie in Phasen psychischer Krisen und pubertärer Identitätsfindung zum Spielball der Transgender-Ideologie wurden. Mit dem Sprechakt „ich bin trans“ verschärft sich meist der Identitätskonflikt und auch der Druck in den Trans-Gruppen, Taten folgen zu lassen. Es setzt sich ein Prozess in Gang, der in eine pharmakologische Einbahnstraße ohne Wiederkehr führt – mit der Transition als Endstation.

Auch hierzulande schildern detrans-Mädchen von ihrer Verstrickung in die fixe Idee, trans zu sein, dem Ausblenden aller Zweifel und Warnungen, und auch von den Lügen und den Blitzdiagnosen transaffirmativer Scharlatane, denen sie zum Opfer gefallen sind. Mit vorher-nachher-Fotos warnen sie vor den unabsehbaren medizinischen Konsequenzen der Testosteronkur und einem Leben ohne Geschlechtsorgane.

„Bisher haben sie sich nur die Haare abgeschnitten und bunt gefärbt“, beschreibt Böhm den Transitionsprozess seiner drei Schülerinnen. Das erinnere eher an Punks und jugendliche Protestkultur. Ob sie verstünden, dass Hormone etwas anderes seien als Haarfarbe? „Es gibt keine offiziellen Hilfsangebote für Schulen, die Kinder vor den schrecklichen Folgen einer Transition schützen“, klagt der Lehrer. „Ich will niemanden an die Schule holen, der die Mädchen sehenden Auges auf den Op-Tisch schickt.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Jungen Freiheit Nr. 21/22 2022.


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