Indoktrination im Klassenzimmer

Zwanzig Jahre nach „Lieben, Kuscheln, Schmusen“ hat Sexualpädagogin Beate Martin wieder ein Buch für den Sexualkundeunterricht geschrieben. Mit schamverletzenden und suggestiven Übungen will sie Kinder und Jugendliche „sexuell bilden“ – an den Eltern vorbei.

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Ende der 90er löste das Aufklärungsbuch „Lieben, Kuscheln, Schmusen“ von profamilia NRW einen veritablen Skandal aus, infolge dessen das Landesfamilienministerium die darin enthaltenen Spielvorschläge als „geschmacklos“ und „absolut ungeeignet für die Sexualaufklärung“ verurteilte. Gegenseitiges Riechen am nackten Po, Kneifen und Streicheln der Geschlechtsteile anderer Kinder, Aufblasen von Kondomen und ähnliche Spielereien wurden für den Einsatz im Kindergarten empfohlen. Eine der drei Autoren, Beate Martin, hat 2017 zusammen mit ihrem Kollegen am Institut für Sexualpädagogik (ISP) Jörg Nitschke einen weiteren Ratgeber herausgegeben, dieses mal für Lehrer: „Sexuelle Bildung in der Schule“. Auch dieses Buch sammelt teils groteske, teils übergriffige Übungen.

Entnaturalisierung von Heterosexualität, Generativität und Kernfamilie

Mit ihrem Buch wollen die Autoren v.a. sexuelle Selbstbestimmung sowie die Akzeptanz sexueller Vielfalt und verschiedener „Lebens- und Liebensweisen“ in „ihrer immanenten Gleichwertigkeit“ fördern. Ganz im Sinne von Uwe Sielert, der Koryphäe der heutigen Sexualpädagogik und Mitbegründer des ISP, geht es also einmal mehr darum, „Heterosexualität, Generativität und Kernfamilie zu ‚entnaturalisieren‘ und daraufhin zu überprüfen, inwiefern sie die Möglichkeiten zur selbstbestimmten Lebensführung einschränkt“. Den Eltern kommt dabei eher eine untergeordnete Rolle zu, denn laut den Autoren „fällt der Schule die Aufgabe zu, über körperliche Vorgänge sowie über sexuelle und emotionale Zusammenhänge zu informieren.“

Eine neutrale Informationsvermittlung, wie sie gerade im sensiblen Bereich der Sexualerziehung angebracht wäre, gibt es in diesem Buch nicht. Bei näherer Betrachtung entpuppen sich die Vorschläge für den Unterricht als perfekte Werkzeuge für Indoktrination: Einerseits wird das Schamgefühl der Kinder niedrigschwellig, aber ständig unterminiert, andererseits wird jegliche Fähigkeit kritischen Denkens stummgeschaltet, indem man ununterbrochen an die Gefühle appelliert und Empathie mit der Lage sexueller Minderheiten hervorruft.

Bumsen und Orgasmus pantomimisch darstellen

Da sollen zehnjährige Schüler mit Knete die inneren und äußeren Geschlechtsteile „in ihrer Vielfalt“ modellieren oder alle ihnen bekannten Begriffe zu den Geschlechtsteilen und dem Geschlechtsakt sammeln (ganz wichtig dabei ist, dass Schüler „aufgefordert werden, Begriffe aus der so genannten Vulgär-, oder Umgangssprache aufzuschreiben“). In einem „Grabbelsack“ sollen die Kinder Gegenstände wie die Zeitschrift Bravo, Kondome oder BH zunächst gründlich erfühlen und anschließend herausziehen. Ab der achten Klasse werden dann bestimmte Begriffe wie bumsen, Orgasmus, Selbstbefriedigung, Morgenlatte, einen Steifen kriegen, Homosexualität etc. von den Schülern entweder „pantomimisch“ dargestellt oder mit Worten erklärt. In einer anderen Übung werden die Jugendlichen aufgefordert, mit Anmachsprüchen mit einem zufällig ausgewählten Gegenüber, egal welchen Geschlechts, zu flirten – „das erotische Flirten“ ist dabei mehr als willkommen.

Bei der Übung zum Thema Sexting, was die Autoren als einen „normalen Bestandteil des Erwachsenenwerdens“ ansehen, und Pornographie werden den Jugendlichen vor der ganzen Klasse Fragen gestellt wie „Wie findet ihr Dating Apps?“, „Gab es Dinge, die euch beim Schauen [eines Pornos] abgeschreckt oder geschockt haben?“, „Sollte man Nacktbilder von sich verschicken?“, „Wer hat schon mal ein Sexting-Bild/Video gesehen…?“, „Sind es außergewöhnliche Dinge, die ihr da seht? (z.B. Selbstbefriedigung)“, „Wer hat schon mal was gemacht, dass er oder sie später bereut hat?“, „Was hast du gemacht bzw. nicht gemacht?“  Unter kompletter Missachtung der Intimsphäre und Reife der Schüler wird deren natürliches Schamgefühl mithilfe von übergriffigen und teilweise an psychologischen Missbrauch grenzenden Methoden zerstört. Das kann sie nicht nur schwer traumatisieren, sondern vor allem auch anfälliger für Missbrauch machen.

Suggestion statt Wissensvermittlung

Neben den Übungen geht es den Autoren auch darum, die Selbstbestimmung der Heranwachsenden (die nun alles machen dürfen, worauf sie Lust haben, solange alle Beteiligte freiwillig mitmachen) und die Akzeptanz sexueller Vielfalt voranzubringen. Statt dabei allerdings mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen zu argumentieren, wird die „Gleichwertigkeit aller Lebensformen“ als eine unbestreitbare Tatsache postuliert. Bei der Vermittlung setzen die Autoren vor allem auf emotionale Suggestion, wie z.B. „die Erhöhung der Sichtbarkeit von LSBTI, insbesondere durch die Herstellung persönlichen Kontakts“ oder „die Ermöglichung von Perspektivübernahme und Empathie“. Die Schüler sollen sich also in die Situation von homo- und transsexuellen Menschen hineinversetzen und mit ihnen mitfühlen. So werden jedes logische oder religiöse Gegenargument abgestumpft und die Kinder der schulischen Indoktrination ausgeliefert.

In seiner Entscheidung von 1977 hatte das Bundesverfassungsgericht der schulischen Sexualerziehung klare Grenzen gesetzt: Die Pflicht zu Zurückhaltung, Toleranz und Rücksichtnahme sowie das Verbot jeglicher Art Indoktrination. Seit Jahrzehnten ist aber diese Bestimmung eine leere Phrase geworden, unterminiert durch Bücher wie die von Beate Martin, die nicht in die Lehrerausbildung gehören, sondern vielmehr in die Mülltonne.