Die CDU als Regierungspartei in Hessen hat 11,3 Prozent an Stimmen bei der Wahl am 28. Oktober verloren. Auch den Ministerpräsidenten Volker Bouffier haben die Wähler abgestraft. Dafür gab es viele Gründe. Einer davon könnten die vielen Falschbehauptungen sein, die Bouffier noch kurz vor den Wahlen über den hessischen Sexualerziehungslehrplan von sich gab. Ein Gastkommentar von Hubert Hecker.
Die Aktion „Kinder in Gefahr“ hatte im Vorfeld der Hessenwahl mit einer Petition den hessischen Ministerpräsidenten zur Rücknahme des umstrittenen Lehrplans aufgefordert. 30.000 Unterschriften bekräftigten dieses Verlangen. Auch der DemoFürAlle gelang es, über 38.000 Stimmen für ihre Petition in demselben Anliegen zu sammeln. Der offizielle Landeselternbeirat in Hessen sowie alle 29 gewählten Kreis- und Stadtelternbeiräte hatten schon vor zwei Jahren den Lehrplan abgelehnt. Kultusminister Alexander Lorz (CDU) setzte sich damals über alle Einwände und Bedenken der Elternvertreter hinweg.
Am 25. September antwortete Bouffier auf die Petition der Aktion „Kinder in Gefahr“. Das Schreiben enthält sieben Behauptungen, die nicht zutreffen:
- Im Lehrplan werde die „verfassungsrechtlich geschützte Vorrangstellung von Ehe und Familie“ lediglich „um das Vorhandensein anderweitiger Lebensformen erweitert“. Tatsache ist, dass in keinem der lehrplanmäßig angesetzten 29 Themenfelder (Kapitel 3) die Behandlung der klassischen Familie von Vater, Mutter und Kindern vorgesehen ist. Die Ehe wird überhaupt nicht erwähnt. Unter diesen Bedingungen werden die hessischen Schüler kaum etwas über die „Vorrangstellung von Ehe und Familie“ im Grundgesetz erfahren.
- Wie soll man unter diesen Voraussetzungen die folgende Behauptung Bouffiers anders denn als Lüge bezeichnen? Im Lehrplan „werden Ehe und Familie, die eine zentrale Rolle im Familien- und Gesellschaftsbild spielen, ausdrücklich hervorgehoben“.
- Ebenso falsch ist eine weitere Aussage des Ministerpräsidenten zum Thema Familie im Lehrkatalog der Grundschule: „Zusätzlich zur traditionellen Familie werden im neuen Lehrplan auch unterschiedliche Familiensituationen angesprochen (z. B. Patchworkfamilien, Alleinerziehende, Pflegefamilien und gleichgeschlechtliche Partnerschaften).“ In Wirklichkeit kommt neben den genannten Ersatzfamilien die Normalfamilie, in der vier Fünftel der Schulkinder leben, im vorgesehenen Unterricht überhaupt nicht vor. Eine zusätzliche Verwirrung der Kinder geschieht dadurch, dass ihnen homosexuelle Partnerschaften als Familie verkauft werden sollen.
- Will Volker Bouffier die Bürger und speziell die Eltern für dumm verkaufen, wenn er im Zusammenhang mit der letzteren Aussage behauptet, „kein Thema in der Grundschule sind unterschiedliche sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten“?
- „Bei der Vermittlung der Inhalte legt die Hessische Landesregierung besonderen Wert auf Zurückhaltung und Toleranz“ bei sexualerzieherischen Themen. Kennt der hessische Regierungschef seine eigene Gesetzgebung nicht? Am 02. Mai 2017 hat das Landesparlament auf Vorschlag von CDU und Grünen beschlossen, aus § 7 des hessischen Schulgesetzes den Begriff „Toleranz“ als Vorgabe für die schulische Sexualerziehung zu streichen. Der Staatssekretär im Kultusministerium hatte vorher den Begriff zum Unwort erklärt.
- Hintergrund für die Abschaffung von Toleranz im Sexualerziehungsunterricht ist ein zentrales Konzept des Lehrplans. Danach sollen die Schüler ausdrücklich zu „Akzeptanz“ als Wertschätzung aller Sexualitätsäußerungen angehalten werden. Mit diesem Ansatz stellt sich Hessen in Gegensatz zum Bundesverwaltungsgerichtsbeschluss vom 08. Mai 2008: „Eine Sexualerziehung, die jede Art sexuellen Verhaltens gleichermaßen bejahen oder gar befürworten würde, verstieße eindeutig gegen das Zurückhaltungs- und Rücksichtnahmegebot.“ Zehn Jahre später behauptet der hessische Ministerpräsident kontrafaktisch, in dem neuen Lehrplan würde „besonderer Wert … auf Zurückhaltung und allgemeine Rücksichtnahme auf religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gelegt, verschiedene Wertvorstellungen beachtet sowie jede einseitige Beeinflussung vermieden.“ Indem der Lehrplan die Themen Ehe und Familie nicht vorsieht, andererseits Lehrkräfte, Schüler und Schülerinnen zu wertschätzender Akzeptanz aller Lebensformen der Sexualität verpflichten will, ist die hessische Schulsexualerziehung indoktrinierend angelegt, bei der die Schüler einseitig beeinflusst werden.
- Schließlich erklärt Bouffier: „Damit weitere Unsicherheiten mit den Inhalten im Lehrplan vermieden werden, wird das Kultusministerium eine Handreichung für Lehrkräfte herausgeben.“ Nach einer Verlautbarung von Kultusminister Alexander Lorz ist die Herausgabe einer solchen Handreichung nicht mehr geplant. Anstehende Fragen sollten durch Fortbildungen geklärt werden.
Für diese Aussagen erhielt Volker Bouffier am 28. Oktober eine saftige Rechnung. Eine Überarbeitung oder Rücknahme des Lehrplans steht jedoch nicht in Aussicht. Die potentiellen Regierungsparteien für die nächste hessische Legislaturperiode haben in den Wahlprüfsteinen der DemoFürAlle diese Forderung eindeutig zurückgewiesen. Wer also auch immer die neue Regierung stellen wird, sie muss weiterhin und mit Nachdruck an diese wichtige Aufgabe erinnert werden – zum Schutze und Wohle unserer Kinder!