Nicht alle Gender-Ärzte sind auch Gender-Ideologen. Vom Ansturm trans-wütiger Mädchen überrollt, wurde manch einem Klinik-Mitarbeiter bald klar, dass die trans-affirmative Politik gestoppt werden muss und dass sie es sind, die die Macht dazu haben. Eine, die kein Blatt vor den Mund nimmt, ist die finnische Kinderpsychiaterin und Gender-Expertin Riittakerttu Kaltiala.
Kaltiala hat den Trans-Hype unter Mädchen an vorderster Front miterlebt und die gesundheitspolitische Wende in Finnland entscheidend beeinflusst. Die meisten ihrer jungen Patientinnen hatten während ihre Kindheit keine Anzeichen einer Geschlechtsdysphorie gezeigt, sagt die Ärztin im Interview mit dem Helsingin Sanomat. Erst plötzlich während der Pubertät sei die Aversion gegen den weiblichen Körper aufgetreten. Jedoch hätten etwa 75 Prozent der Teenager an starken psychischen Vorerkrankungen gelitten.
Ihre Empfehlung, die Vergabe von Pubertätsblockern, gegengeschlechtlichen Hormonen und Transgender-Operationen für Minderjährige massiv einzuschränken, vertritt Kaltiala auch international. Dabei legen sie und einige ihrer Kollegen auch wissenschaftlich zweifelhafte Studien zum sogenannten „Dutch Protocol“ offen, die den trans-affirmativen Ansatz erst begünstigt haben: Die medizinischen Fehlentscheidungen gehen inzwischen in die Tausende – nicht pro Land, sondern pro Klinik. Allein gegen Tavistock klagen über tausend Opfer fahrlässiger Transgender-Behandlungen.
Soziale Transition – frühe Weichenstellung
Die Opfer werden indes immer jünger: Trans-Aktivisten ist es gelungen, Pubertät als etwas zu framen, gegen das man sich entscheiden kann. Eigentlich ging es bei der Blockade der Pubertät darum, in unsicheren Fällen von Trans-Identität noch etwas Zeit zu gewinnen. Doch mehrere Studien haben die Annahme, Pubertätsblocker würden transitionswilligen Kindern noch einmal Zeit zum Nachdenken verschaffen, inzwischen widerlegt. Bei fast allen so behandelten Kindern hat sich der Wunsch nach einer Geschlechtsangleichung intensiviert, während Vergleichsgruppen sich mehrheitlich mit ihrem biologischen Geschlecht aussöhnen konnten.
Kaltiala prangert neben den Pubertätsblockern noch eine weitere frühe Weichenstellung an – die soziale Transition. Neue Studien hätten gezeigt, dass „Trans-Kinder“, die von ihrem Umfeld in ihrer neuen Geschlechtsidentität bestätigt würden, tiefer in die Geschlechtsdysphorie rutschen und meist auch medizinische Konsequenzen ziehen. Hingegen würden sich vier von fünf Kindern, die ihre Transgender-Phase eher für sich ausleben, ohne dafür allzu viel Aufmerksamkeit zu bekommen, wieder mit ihrem biologischen Geschlecht arrangieren.
Vor allem die in vielen Ländern neuen gesetzlichen Möglichkeiten der Selbstbestimmung über den Geschlechtseintrag sieht Kaltiala kritisch. Wenn junge Menschen selbst darüber bestimmen könnten, sei dies „ein wirkmächtiger Eingriff in ihre psychische Entwicklung“, warnt die Ärztin. Die offizielle Bestätigung des Gefühls „falsch“ zu sein, mache aus der häufig vorübergehenden Phase eine sich immer mehr verfestigende Selbstwahrnehmung. Daher sei es unverantwortlich, die „neue Identität“ in staatlichen Dokumenten quasi zu zementieren.
Trans-Hype lebt von psychisch Kranken
Der Erfolg des Trans-Hypes beruht Kaltiala zufolge auf einigen falschen Annahmen: Viele „Trans-Kinder“ hätten die in den sozialen Medien verbreitete Idee aufgegriffen, dass ihre psychischen Probleme mit ihrer Geschlechtsidentität zusammenhingen. Nur wenn andere beginnen würden, sie als Menschen des anderen Geschlechts wahrzunehmen, könnten sie in ein glückliches Leben zurückfinden. Doch das Selbstwertgefühl könne nicht dadurch verbessert werden, indem man Außenstehende dazu zwinge, einen mit neuem Namen oder anderem Pronomen anzusprechen. Diese Haltung sei übrigens symptomatisch für die identitätspolitischen Themen insgesamt. Wer seine Existenz von der Zustimmung anderer abhängig mache, habe eben permanent Existenzangst und fühle sich stets angegriffen und in Frage gestellt.
Auch das berühmte „transition or suicide“-Narrativ („Geschlechtsumwandlung oder Selbstmord“) fußt auf der falschen Interpretation einer Studie. Zwar gebe es einen Zusammenhang zwischen Transgender-Jugendlichen und einer erhöhten Suizidalitätsrate, doch es besteht keine Kausalität zwischen einer nicht bestätigten Geschlechtsidentität und Selbstmordabsichten oder dahingehend, dass eine soziale und medizinische Transition das Suizidrisiko senken würden. Wenn aber gut drei Viertel der in den Gender-Kliniken vorstellig werdenden Teenager psychische Vorerkrankungen und damit ein erhöhtes Risiko für selbstverletzendes Verhalten aufweisen, sei eher folgende Kausalfolge korrekt: Jugendliche mit einer erhöhten Suizidneigung sind zusätzlich anfällig für den Trans-Hype.
Aktivistische Totschlagargumente
Tatsächlich bestätigt eine schwedische Langzeitstudie eine klar erhöhte Selbstmordrate unter Personen, die eine Geschlechtsumwandlung vornehmen ließen. Deshalb sei es unverantwortlich, mahnt Kaltiala, den Eltern von „Trans-Kindern“ zu erzählen, ohne eine Geschlechtsumwandlung hätten ihr Kind ein erhöhtes Selbstmordrisiko. Letztlich habe das Totschlagargument der Trans-Szene rückwirkend auf die Kinder sogar das Potential einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung, heißt es in einer weiteren Studie. Trans-Aktivisten hätten mit dem „affirm or suicide“-Argument („Ok zur OP oder Selbstmord“) jahrelang alle Beteiligten vor sich hergetrieben: Die jungen Patienten und ihren Eltern, die behandelnden Ärzte und nicht zuletzt die politischen Kritiker der trans-affirmativen Behandlung.
Transgender ist ein akutes Schlachtfeld des Kulturkampfes zwischen Konservativen und Linken. Wenn sich also die amerikanischen und die finnischen Richtlinien in der pädiatrischen Gender-Medizin diametral gegenüberstehen, dann ist das auch ein Indikator dafür, wo verantwortungsbewusste Ärzte und wo Trans-Aktivisten Definitionsmacht haben. Während sich die finnische Gesellschaft für Pädiatrie gegen das Selbstbestimmungsgesetz für Minderjährige ausspricht, empfiehlt die American Academy of Pediatrics eine unmittelbare und unkritische Bestätigung der Gender-Identität unabhängig vom Alter. Doch ungeachtet kultureller Grabenkämpfe und ideologisch motivierter Einschüchterungsversuche, drängt der gesundheitspolitische Skandal immer weiter an die Oberfläche.