Ex-Grüne gründet Anti-Gender-Denkfabrik

Viele haben der Gender-Ideologie den Kampf angesagt. Doch werden es am Ende Feministinnen sein, die sie stoppen? Faika El-Nagashi, eine lesbische Feministin mit Migrationshintergrund, beendete ihre steile Politkarriere bei den Grünen in Österreich und gründete die Denkfabrik Athena-Forum, die den Einfluss der Gender-Ideologie innerhalb der EU offenlegen und beenden will. Das klingt zunächst einmal ungewöhnlich. Der Werdegang der ehemaligen Grünen-Politikerin zeigt jedoch, wie sehr die Gender-Ideologie die feministische Bewegung gespalten hat:

El-Nagashi gehört zu jenem feministischen Lager, das die Frage „Was ist eine Frau?“ noch ohne zu zögern beantworten kann. Dem gegenüber versammeln sich seit einigen Jahren die Anhänger des sogenannten Queer-Feminismus, die das biologische Geschlecht als soziales Konstrukt, also als reine Fiktion abtun. Sie begrüßen in ihren Reihen jeden, der seine Aversion gegen die Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit zur Schau stellt, und besonders gern jeden Mann, der sich selbst als Frau „definiert“. Die Aktivisten der frei gewählten Gender-Identität beantworten obige Frage so: „Eine Frau ist, wer sich als Frau definiert.“ Doch bei der Nachfrage, welche Klassifikationskriterien ihre Definition einer Frau nun beinhalte, geraten selbst die Professoren der „Gender-Studies“ allesamt ins Stocken.

Ihren Mangel an schlüssigen Argumenten ersetzen viele Gender-Aktivisten durch Gewalt. Die richtet sich häufig gegen Wissenschaftler und gegen Feministinnen der alten Schule, wie die Autorin J.K. Rowling, die sich seit vielen Jahren weigert, „trans Frauen“, also biologische Männer, als Frauen zu bezeichnen. Auch El-Nagashi geriet ins Fadenkreuz queerer Aktivisten, denn sie hatte es gewagt den Kern der Gender-Ideologie infrage zu stellen:

„Ich versuchte mit recht moderaten Worten, darauf aufmerksam zu machen, dass wir uns nicht mehr für Frauenrechte einsetzen können, wenn das Frau-Sein zu einer Beliebigkeit oder einer ‚gefühlten Identität‘ wird“, blickt El-Nagashi auf ihren Tabubruch zurück.

Sie mahnte, „dass der Zuwachs an Kindern und Jugendlichen, die sich als trans identifizieren, uns zu denken geben sollte – vor allem in Bezug auf ihre Behandlung und Begleitung. Dass Pubertätsblocker nicht einfach nur eine Pausetaste sind und die Pubertät nicht nach Belieben vor- oder zurückgespult werden kann.“

Daraufhin sei eine Welt über ihr zusammengebrochen, beschreibt El-Nagashi die Zeit vor Ihrem Parteiaustritt im Cicero. Ein nie für möglich gehaltener vollumfänglicher Rufmord: Shitstorms, Droh-E-Mails, öffentlicher Pranger, Aufforderungen nach Parteiausschluss und Mandatsentzug, ein offener Brief gegen die Politikerin und Mobbing bis ins persönliche Umfeld. Was sie gesagt hatte, war ein Tabubruch in einer Welt, in der sich El-Nagashi zu Hause gefühlt hatte.

Schutz des biologischen Geschlechts als Grundlage der Frauenrechte“

Was oberflächlich betrachtet an Absurdität nicht zu überbieten ist, hat einen ernsten machtpolitischen Kern, der gewaltige Ausmaße angenommen hat. Die Anfänge der Gender-Ideologie reichen in die Mitte der 1990er Jahre zurück und durchsetzen mittlerweile den gesamten globalen linken Schattenstaat mit zahlreichen Medien und NGOs, wie zum Beispiel der Transgender-Lobby-Organisation WPATH. Deren Einsatz für die Rechte von Trans-Menschen hat etwa das Ziel, medizinische Geschlechtsangleichungen bei Minderjährigen international zu legalisieren, oder „trans Frauen“ den Zugang zu Frauenschutzräumen wie Damentoiletten und -Umkleiden zu gestatten.

Während auf den juristischen Schlachtfeldern aktuell Selbstbestimmungsgesetze und Sprachregelungen durchgesetzt sowie Frauenrechte zugunsten von neuen Trans-Rechten beschnitten werden, geht es auf der langfristigen ideologischen Ebene um etwas Größeres. Denn letztlich soll das biologische Geschlecht, der Unterschied zwischen Mann und Frau, aus unserer Sprache, aus unseren Gesellchafts- und Rechtssystemen und somit aus unserem Denken verschwinden. Hinter der „geschlechtergerechten“ Sprache verberge sich „ein ganzes staatlich initiiertes, forciertes und finanziertes Gender-Universum“, schreibt die Autorin Regine Scheffer in ihrem Buch „Die durchgegenderte Gesellschaft“. Ein neues Menschenbild soll in unsere Gesellschaft geschleust werden.

Die Kritik an der Gender-Ideologie und -Sprache ist seit Jahrzehnten ein eigenes Genre mit umfassenden Abhandlungen zur zugrundeliegenden Ideengeschichte. Vorreiter waren hier vor allem Autoren aus dem naturwissenschaftlichen und konservativen Spektrum wie Gabriele KubyUlrich Kutschera und Jordan B. Peterson. Bereits in den 1990er-Jahren äußerte sich Papst Johannes Paul II. kritisch zur „Gender-Theorie.“ Was El-Nagashi bitter aufstößt, etwa die gesellschaftliche Abschaffung des biologischen Geschlechts, war als Kritik unterschiedlichster Stilrichtungen von naturwissenschaftlich bis theologisch längst ausformuliert. Und dies zu einer Zeit, als das links-feministische Lager noch in trauter Einigkeit gegen ein vermeintlich reaktionäres Menschenbild kämpfte. Über dreißig Jahre ist es her, seit die lesbische Philosophin Judith Butler den Gender-Geist aus der Flasche gelassen hat. Wo waren kritische Feministinnen in all der Zeit?

Das Besondere an dem neuen Thinktank El-Nagashis ist nun nicht allein die linke Insider-Perspektive und der eingeschlagene Pflock tief im feministischen Kernland, der die Spaltung in „alte“ und „queere“ Feministinnen noch einmal verdeutlicht: Sie wolle die Debatten über Interessenskonflikte und Spannungsfelder rund um „gender identity“ aus einer links-progressiven Position führen, betont El-Nagashi. Vielmehr ist es das Vorhaben, systematisch als durchorganisierte NGO vorgehen zu wollen, was an der Kampfansage der ehemaligen Grünen aufhorchen lässt.

Anti-Gender-Broschüre aus feministischer Perspektive

„Willkommen, Athena Forum!“, begrüßt hierzulande die feministische Initiative Frauenheldinnen die jüngst gegründete Denkfabrik als „potenten europäischen Player“. Das Netzwerk El-Nagashis werde „Politikerinnen, Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen aus ganz Europa“ zusammen bringen, mit dem Ziel: „Aufklärung statt Ideologie, Debatte statt Schweigen, Schutz des biologischen Geschlechts als Grundlage der Frauenrechte.“

Ein hehres Vorhaben. Greifbar ist bisher die erste Publikation auf der Seite des Athena-Forums mit dem Titel „Beneath the Surface: How gender identity is reshaping Europe.“ (Unter der Oberfläche: Wie die Gender-Identität Europa umformt.) Die modern illustrierte Online-Broschüre wirft auf 40 Seiten Schlaglichter auf historische Stationen des schleichenden Systemwandels innerhalb der EU, mit einem detaillierten Fokus auf den vergangenen 15 Jahren. Inzwischen ist in Gesetzestexten nur noch von ‚gender‘ statt ‚sex’ die Rede. Das subjektiv empfundene hat das biologische Geschlecht abgelöst. Ohne öffentliche Debatte haben links-grüne EU-Politiker mittels Soft-Law-Instrumenten, finanzierten Lobbygruppen sowie neuen Richtlinien und Strategien der Gender-Identitätsideologie den Weg bereitet, stets ummantelt mit wohlklingenden Phrasen.

So werden etwa bei den „Yogyakarta-Prinzipien“ stets die Menschenrechte bemüht, um einen expliziten Schutzstatus für die Lebens- und Liebesweise von LSBT-Personen zu formulieren. Ein anderes Beispiel ist das weitreichende Verbot von sogenannten Konversionstherapien. Hierzulande ist das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen der neueste Ansatzpunkt. Demnach ist es verboten, die Änderung einer sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität herbeizuführen. So werden gezielt Psychotherapien in Misskredit gebracht, die die Ursachen von Geschlechtsdysphorie bei Minderjährigen erkunden. Mit dem Kampfbegriff „Konversionstherapie“ wird jedes psychotherapeutische Hinterfragen kriminalisiert. Stattdessen soll jegliche Behandlung darauf abzielen, die Transgender-Selbstdiagnosen von Jugendlichen vollumfänglich zu bestätigen und ihnen die medizinischen Eingriffe zu finanzieren, die sie sich wünschen.

Rechte Parteien setzen den Brüsseler NGO-Komplex bereits unter Druck

Gänzlich neue Erkenntnisse zur Genese der Gender-Ideologie in Europa hat die erste Publikation des Athena-Forums nicht zu Tage gefördert. Neu hingegen ist die feministische Perspektive: Die Broschüre mache sichtbar, „wie EU-Institutionen und Lobbygruppen Narrative fördern, die Frauenrechte, lesbische Sichtbarkeit und den Schutz von Mädchen und Jugendlichen untergraben“, fassen die Frauenheldinnen den Beitrag zusammen.

Welche politische Schlagkraft die neue NGO El-Nagashis entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Unterdessen wird auf rechter Seite schon längst nicht mehr nur angeschrieben gegen die Gender-Ideologie. Europäische rechte Parteien wie FPÖ, AfD, Fidesz und Konfederacja setzen den Brüsseler Machtapparat bereits politisch massiv unter Druck. Vertreter der Parteien trafen sich unlängst in Wien, um darüber zu debattieren, wie sie das „teuflische Geflecht der linken NGOs und der EU“ entwirren und finanziell trocken legen können. So schilderte der ungarische Fidesz-Abgeordnete Csaba Dömötör wie seine Fraktion in akribischer Detailarbeit 86 Datenanfragen an die EU-Kommission gestellt und schließlich Einblick in 37.000 Förderverträge über 17 Milliarden Euro erhalten hat.

Im Kampf gegen den Brüsseler NGO-Komplex und seine von oben gesteuerte und finanzierte „Zivilgesellschaft“ werden neue Verbündete dringend gebraucht. Wenn Athena-Forum sich in diesem Sinne etablieren sollte, wäre dies ein Gewinn.