Sven Lehmann: Oberster Regenbogen-Chef

Die Bundesregierung hat erstmals einen Queer-Beauftragten. Sven Lehmann ist seit Januar der oberste Regenbogen-Chef Deutschlands und gleichzeitig parlamentarischer Staatssekretär im Familienministerium. Wer ist der Grünenpolitiker, der nach der „Ehe für alle“ auch noch die „Familie für alle“ einführen will? – Ein Portrait.


Ein Mädchen könne sich auch einmal in ein Mädchen verlieben, und es sei ganz normal, dass „Familie aus mehr bestehen kann als aus Vater, Mutter, Kind“, findet der Grüne Sven Lehmann. Seit kurzem ist er der erste Queerbeauftragte der Bundesregierung und somit ein viel gefragter Interviewpartner, der an Wohlwollen und Applaus gewöhnt ist, wann immer er rhetorisch fragt: „Sind die Bildungspläne eigentlich modern, geben sie eine Vielfalt in der Gesellschaft wieder?“

Sein Besuch mit Ehemann Arndt Klocke im queeren Kölner Jugendzentrum „Anyway“ etwa war so ein Heimspiel und Bestätigung für Lehmanns Agenda, die Sichtbarkeit und den Schutz aller sexuellen Orientierungen und Identitäten in den Bildungsplänen und im Grundgesetz zu verankern. Sogar die Polizei soll queerbunt nachgebildet werden, damit sie motivierter „gegen Hasskriminalität“ auf der Straße und im Netz vorgehen könne.

Wer aber nicht erkennbar queer ist, sollte bei Diskussionen mit Sven Lehmann Vorsicht walten lassen. Eltern zum Beispiel, die sich um ihre Kinder sorgen, provozieren den Staatssekretär im Familienministerium so sehr, dass er in die Sprache des Aktivisten verfällt. Unlängst traf es eine Mutter, die in einem in der Zeitschrift Emma publizierten offenen Brief ebenso eindringlich wie höflich an ihn appellierte, zu verhindern, dass Kinder ab 14 Jahren künftig ohne Zustimmung der Eltern rechtlich ihr Geschlecht ändern können. Der Hintergrund für diese warnenden Worte sind exponentiell zunehmende Transgender-Outings unter jungen Mädchen.

Gerne auch vier Väter oder vier Mütter

Der grüne Fundi antwortete der besorgten Frau, die nicht vergaß zu betonen, dass sie „klar links steht“ und ihr „Diversität und Akzeptanz aller Arten von Anderssein am Herzen liegen“, ihre Bitte strotze nur so vor „Queer-/Transfeindlichkeit, Homophobie, Adultismus und elterlichem Machtgehabe“. Lehmann teilte auf seinem Instagramprofil sogar die Beschimpfung eines anderen Nutzers: Der Brief der Mutter könne ebenso von „transphoben, evangelikalen Christ*innen oder bürgerlichen Faschos“ stammen. Außerdem sei es „schlicht absurd“ ihn, den Queer-Beauftragten, aufzufordern, sich um heterosexuelle Kinder zu kümmern.

Der 42-jährige Kölner, geboren im nahen Troisdorf, steht trotz Regierungsamt zu seiner Aktivisten-Rolle im „Kulturkampf“ um Familie, Geschlecht und Identität. Auch sonst punktet er in der queeren Polit-Blase: Sich selbst beschreibt er als Weltverbesserer, Idealist, Hedonist und Feminist, und besonders am Herzen lägen ihm das bedingungslose Grundeinkommen, die Kinderrechte und Regenbogenfamilien. Ein Kind soll bald auch vier sorgeberechtigte Eltern haben können, gerne auch vier Väter oder vier Mütter. „Familie ist so bunt wie das Leben und wir wollen diese Familienkonstellationen besser schützen und dafür sorgen, daß sie rechtlich anerkannt werden,“ so der kinderlose Pädagoge und Politikwissenschaftler. Denn ein „normales Familienmodell“ gebe es ohnehin nicht mehr. Nach der „Ehe für alle“ kommt die „Familie für alle“ – dank Leihmutterschaft.

Mit seinem jugendlichen Auftritt – Jeans, T-Shirt, Sakko, Grinsen – könnte Lehmann immer noch als Sprecher der Grünen Jugend NRW durchgehen. Doch der Hoffnungsträger des Lesben- und Schwulenverbands hat Karriere gemacht, war von 2010 bis 2018 Landesvorsitzender der Grünen in NRW. Im Bundestag, in den Lehmann 2017 einzog, war er Sprecher für Queer- und Sozialpolitik der grünen Fraktion.

Offene Beziehungen – „Eine Errungenschaft unserer schwulen Kultur“

Und sonst? „In der Freizeit schlägt mein Herz für gutes Essen, Kino und Sport“. Im „Kanditat:innen-Check“ des WDR kurz vor der Wahl 2021 zeigt sich Lehmann als netter Typ von nebenan. Privater wird es erst weiter unten bei Google. Da plaudert er im Podcast Queerkram. Sein Herzensmann ist seit über 20 Jahren Arndt Klocke, bis 2020 Fraktionschef der Landesgrünen. Es ist eine Beziehung mit „sexuellen Freiräumen“ und aktiven Profilen auf Dating-Seiten. „Aber für uns ist das auch nichts, was man verstecken muss, dass wir ne offene Beziehung haben“, findet Lehmann. Und sein „Ehemann“ ergänzt: „Ich würde es den Heteros wünschen ehrlich gesagt. Also wo ist der Unterschied im Leben und Lieben und Erleben? Das ist natürlich Teil unserer schwulen Kultur, unserer queeren Kultur. Dafür haben wir gekämpft.“

Lehmanns Leben ist ohne Widersprüche, und seine Argumente? Schuld am erhöhten Risiko für Depressionen und Suizide innerhalb der LSBT-Szene sei die intolerante Gesellschaft, so Lehmann. Dass sich plötzlich zehntausende Mädchen als „trans“ empfinden, hält er dagegen für ein Indiz, dass eben jene Gesellschaft toleranter geworden sei. Offenbar argumentiert Lehmann immer gerade so, wie es ihm passt. Ohnehin ist er der Meinung, dass nicht immer alles ausdiskutiert werden müsse: „Also ich find übrigens einige Debatten kann man auch führen und muss aufklären und vielleicht auch ein paar Ängste nehmen. Aber andere sind einfach Transfeindinnen und Transfeinde und mit denen möchte ich auch nicht diskutieren.“

So genau wird kein Mainstream-Journalist Lehmanns Denkmuster hinterfragen, denn die queere Szene und der oberste Regenbogen-Chef freuen sich schon auf den ersten „Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“. Damit hat er dann „vor allem Geld, das ist das Gute. Ich bekomme jährlich demnächst 70 Mio. Euro, um diesen nationalen Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit und für die Förderung von Akzeptanz auf den Weg zu bringen. Und das werde ich natürlich sehr genau mit der Community zusammen übrigens entwickeln, an welchen Stellen da beispielsweise Strukturen noch gefördert werden müssen, neue Programme aufgelegt werden müssen.“

Damit meint er dann Programme wie etwa „peer-basierte Angebote aus der Trans-Community“, bei denen jugendliche Transpersonen Schülern in der Schule von ihrem Coming Out und ihrer Geschlechtsumwandlung erzählen. Anders als die von Lehmann beschimpften transphoben Eltern hätten diese Jugendlichen nämlich das „nötige Einfühlungsvermögen für die Begleitung von Transitionen“, die ausschließlich von den positiven Auswirkungen ihrer eigenen Umwandlung zu berichten wissen und ganz sicher keine kritischen Fragen und Forderungen an ihn stellen.


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