Trotz mehrerer Demonstrationen und einer erfolgreichen Petition verabschiedete das englische Parlament am 25. Februar einen neuen, übergriffigen Lehrplan für schulische Sexualaufklärung.
Die neuen Regelungen, die von Bildungsminister Damian Hinds (Conservative Party) entworfen wurden, sehen vor, dass sich Grundschüler ab September 2020 mit verschiedenen „Familienmodellen“ beschäftigen sollen, beispielsweise auch mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Transgender. In den weiterführenden Schulen soll der Unterricht unter anderem die Themen weibliche Genitalverstümmelung, Cyber-Grooming, Sexting, häusliche Gewalt und Zwangsehe beinhalten.
Erstmals soll außerdem die schulische Sexualaufklärung verpflichtend werden. Bis zum Alter von 15 Jahren sollen Eltern zwar die Möglichkeit haben, ihr Kind vom Unterricht zu befreien. Danach kann das Kind allerdings selbst entscheiden, ob es den Unterricht besuchen möchte oder nicht. In nicht näher definierten Ausnahmesituationen kann der Schulleiter die Eltern überstimmen. In der Grundschule kann der Schulleiter zudem entscheiden, wann er die vorgesehenen Themen behandelt, sie aber nicht grundsätzlich ablehnen.
Verletzung des Elternrechts auf Erziehung
Zahlreiche seiner Parteikollegen warfen Damian Hinds vor, mit dem neuen Lehrplan eine fundamentale Verschiebung der Macht von den Eltern zum Staat vollzogen zu haben. Die Journalistin Melanie Phillips schrieb in „The Times“, der neue Leitfaden „erlaube keinen Spielraum für Widerspruch aus religiösen Gründen und stelle daher eine direkte Attacke auf traditionelle Christen, Muslime und Juden dar.“
Während die „Catholic Education Service“ der katholischen Bischofskonferenz von England und Wales den neuen Lehrplan begrüßte, kam von anderen christlichen Organisationen deutliche Kritik: Laut Lynda Rose von „Voice for Justice UK“ mutet der Lehrplan den Kindern zu früh zu viele Informationen zu, die sie aufgrund mangelnder emotionaler Reife noch nicht richtig verarbeiten können.
Im Rahmen der Kampagne „Keep your child Safe at School“ der „Society for the Protection of Unborn Children“ (SPUC) verschickten Bürger an das Bildungsministerium fast 250.000 Postkarten und forderten das Recht der Eltern, ihre Kinder von der schulischen Sexualaufklärung zu befreien. Antonia Tully, die Sprecherin der Kampagne, sagte, viele Eltern seien besorgt. Die Regierung scheine entschlossen zu sein, das Erziehungsrecht der Eltern mit Füßen zu treten.
Demonstration gegen neuen Lehrplan vor dem Parlament
Die Organisation „Christian Concern“ veranstaltete vor dem Unterhaus des Parlaments am 25. Februar eine Demonstration unter dem Motto „Vertraut Eltern“, zu der über 100 Teilnehmern erschienen waren. Andrea Williams, die Vorsitzende von „Christian Concern“, betonte, dass das primäre Recht auf Erziehung der Kinder bei den Eltern und nicht beim Staat liege. Williams forderte vom Parlament die Umsetzung der Petition, die dort zwar diskutiert, aber nicht angenommen wurde. Die Petition erreichte fast 110.000 Unterschriften:
Wir glauben, dass es das grundlegende Recht der Eltern ist, ihr Kind über Themen wie Partnerschaft und Sexualität zu unterrichten oder zumindest zu entscheiden, wer sie unterrichtet und wann und wie sie unterrichtet werden. Wir wollen das Recht, unsere Kinder aus der schulischen Sexualaufklärung abzumelden, wenn es im September 2020 verpflichtend wird.
Wir haben ernsthafte Bedenken über die physischen, psychischen und spirituellen Auswirkungen eines Unterrichts über bestimmte Konzepte von Sexualität und Partnerschaft, wie sie in der neuen schulischen Sexualaufklärung vorgeschlagen werden. Wir glauben, dass diese keinen Platz in einem verpflichtenden schulischen Lehrplan haben.
Wir glauben, dass die obigen Faktoren nicht ausreichend berücksichtigt wurden und dass viele der Materialien der schulischen Sexualaufklärung, die von Lobbygruppen und externen Organisationen produziert werden, tatsächlich mehr Schaden anrichten als nützen. Dies gilt besonders, berücksichtigt man die Entwicklung des Kindes und psychologische Faktoren.
Proteste gegen LSBT-Kinderbücher in Birmingham
Mit der Verabschiedung des neuen Lehrplans erreichte die Debatte über schulische Sexualaufklärung in England seinen bisherigen Höhepunkt. In den letzten Wochen protestierten bereits hunderte Eltern vor einer Grundschule in Birmingham gegen den Unterricht des Lehrers und Vizerektors Andrew Moffat, gegen den auch über 80 formelle Beschwerden von Eltern an der Schule eingegangen waren. Initiiert wurde der Protest zunächst von muslimischen Eltern, die eigenen Angaben zufolge am vergangenen Freitag insgesamt 600 Kinder aus Protest nicht in die Grundschule schickten. Auslöser war Moffats Unterrichtsprojekt „No Outsiders“, in dessen Rahmen fünf Unterrichtsstunden jährlich Themen wie Geschlechtsumwandlung oder sexuelle Orientierung an der Grundschule besprochen werden. Unter anderem sollen die Schüler Bücher über Homo- und Transsexualität wie „Mommy, Mama, and Me“, „King & King“, „My Princess Boy“ und „And Tango Makes Three: The True Story of the Very First Chinstrap Penguin to Have Two Daddies“ lesen.
Unterstützung erhielt Moffat von Bildungsminister Hinds und Amanda Spielman, der Vorsitzenden des „Office for Standards in Education, Children’s Services and Skills“ (Ofsted), einer staatlichen Behörde, die für die Inspektion von Schulen sowie dem Kinder- und Jugendschutz verantwortlich ist. Spielman erklärte, es sei zwar wichtig, wenn Eltern und Schulen einen gemeinsamen Nenner suchten, über gleichgeschlechtliche Partnerschaften sollten allerdings alle Schulen unterrichten. Dennoch verkündete die Grundschule in Birmingham nun, das Unterrichtsprojekt von Andrew Moffat bis Ostern auszusetzen und es nur nach Gesprächen mit den Eltern fortzuführen. Gleichzeitig forderte die Schule die Eltern auf, die Proteste zu beenden.
Unabhängig von der weiteren Entwicklung in Birmingham wird die landesweite Protestkampagne der Eltern gegen den neuen Lehrplan voraussichtlich weitergehen. Antonia Tully von SPUC rief bereits dazu auf, weitere Postkarten an das Bildungsministerium zu schicken und gleichzeitig mit den lokalen Abgeordneten das persönliche Gespräch zu suchen.