Bereits 14jährige Jungen und Mädchen sollen künftig ihren Geschlechtseintrag ändern und ihre Geschlechtsumwandlung veranlassen dürfen. Ihre Eltern werden dabei rechtlich zu hilflosen Zuschauern degradiert – so plant es die Ampel-Regierung im neuen „Selbstbestimmungsgesetz“. Der Erziehungswissenschaftler und Psychoanalytiker Bernd Ahrbeck warnt im Interview mit dem Cicero eindringlich vor dieser politischen Weichenstellung.
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Geht es nach dem Willen der Ampelkoalition, soll jeder ab einem Alter von 14 Jahren sein Geschlecht per Sprechakt einmal jährlich wechseln können – mit Zustimmung der Eltern sogar noch früher. Und sind die Eltern dagegen, soll das Familiengericht das letzte Wort haben.
Das „Selbstbestimmungsgesetz“, das die Regierung verabschieden will, soll Kindern aber auch die Einleitung einer Transition ermöglichen. Das heißt: Hormongaben und chirurgische Eingriffe – auch gegen den Willen der Eltern. Transgender ist unter Teenagern ein Kult geworden, beobachtet Ahrbeck: „Kindliche Transitionswünsche haben in den letzten Jahren immens zugenommen. Macherorts explodieren die Zahlen geradezu.“
Es besteht also die Gefahr, dass viele Jugendliche normale pubertäre Befindlichkeiten, seelische Brüche oder psychische Erkrankungen als Geschlechtsdysphorie fehlinterpretieren. In einer Welt, in der jeder Angst hat, als transphob zu gelten, wird sie auch kaum jemand vom Gegenteil überzeugen.
Psychiatrische Gutachten für Transition nicht notwendig
Nicht einmal ein psychiatrisches Gutachten soll für eine Transition notwendig sein, wenn es nach der grün-rot-gelben Politik geht. Der Pädagoge Ahrbeck warnt, dass kindliche Selbstbestimmung aber mit gutem Grund in vielen Bereichen eingeschränkt werde:
Vierzehnjährige Kinder dürfen sich nicht ohne Erlaubnis tätowieren lassen, keinen Alkohol trinken, und das Autofahren ist ihnen auch nicht erlaubt. Nach dem Selbstbestimmungsgesetz sollen sie aber autonom darüber entscheiden, ob eine Geschlechtsumwandlung eingeleitet wird, die lebenslange, kaum überschaubare und zum Teil irreversible Konsequenzen hat.
Den Kindern werde eine Entscheidungsfreiheit zugeschoben, der sie nicht gewachsen seien, so Ahrbeck. „Sie bleiben auf eine sträfliche Weise sich selbst überlassen“, während die Erwachsenen sich aus ihrer Verantwortung zurückzögen. Ein die Kinder schützender, fürsorglicher Rahmen werde aufgegeben. „Und das wird dann auch noch als ein emanzipatorischer Akt gefeiert.
„Von Seiten der Queer-Politik werde zudem eine wirkmächtige Drohkulisse aufgebaut. Allein schon vorsichtige Bedenken werden als Diskriminierung und Unterdrückung von Selbstbestimmung sozial geahndet. Wenn uneingeschränkte Selbstbestimmung als Menschenrecht gelte, sei jede Kritik die reine Inhumanität“, sagt Ahrbeck.
Transgender-Hype: Geschlechtsumwandlung als Befreiungsakt zelebriert
Das hindert den Psychoanlytiker nicht daran, eine der Hauptthesen der Transgender-Ideologie auseinander zunehmen. Deren Narrativ lautet: Offenheit und Akzeptanz gegenüber queeren Lebensweisen hätten dazu geführt, dass auch jüngere Menschen ihr Outing wagen und sich als Transgender definieren würden. Für Ahrbeck ein Trugschluss:
Früher gab es nur sehr wenige Kinder, die ihr Geschlecht wechseln wollten, vor allem Jungen. Inzwischen haben sich die Vorzeichen verkehrt. Immer mehr Mädchen wollen zu Jungen werden, und dieser Wunsch, auch das ist neu, tritt größtenteils erst in der Pubertät auf. Warum die Zahl der Kinder mit Gender-Dysphorie so stark zugenommen hat, ist nicht vollständig bekannt. Dass nunmehr auf breiter Ebene etwas zutage tritt, was sich früher nicht zeigen durfte, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Vieles spricht dafür, dass ganz unterschiedliche Probleme dahinterstecken. Rollenunsicherheiten, Identitätsprobleme, homosexuelle Entwicklungen, Protesthaltungen, die Vergewisserung der eigenen Besonderheit, sogar ein modischer Chic. Angefeuert durch mediale Berichte vor allem in den USA, die Transitionen als Befreiungsakt zelebrieren, und durch eine als Aufklärung getarnte Internet-Werbung, die verspricht: „Wenn du dich umwandeln lässt, sind alle deine Probleme gelöst.“
Als Psychoanalytiker, der zur Gender-Dysphorie forscht, weiß Ahrbeck, dass sich das Gefühl, im falschen Körper zu leben, meist im Laufe der Pubertät von allein wieder auflöst: „Umwandlungswünsche werden aufgegeben, es erfolgt eine Versöhnung mit dem eigenen Geschlecht.“ Daher warnt er vor übereilten Entscheidungen, denn bereits erste medizinische Schritte wie Pubertätsblocker würden in eine Einbahnstraße ohne Umkehr führen.
„Wer anders denkt, gilt als transphob”
Bisher erfolgen Geschlechtsumwandlungen in Deutschland unter intensiver ärztlicher und therapeutischer Begleitung, was zu seltenen aber wohlüberlegten Entscheidungen mit einer geringen Quote an Fehldiagnosen führt. Kommt das Gesetzt wie geplant, könnten sich Fälle wie etwa der von Keira Bell häufen. Das Mädchen aus England wurde im Alter von fünfzehn Jahren auf eigenen Wunsch hin einer Transition unterzogen. Später zog sie vor Gericht. Der Eingriff sei fahrlässig erfolgt – ohne ausreichende Beratung, ohne kritische Distanz, ohne abwägende Überlegungen. Der High Court gab Bell erstinstanzlich recht. Kinder in diesem Alter seien nicht in der Lage, eine derart weitreichende Entscheidung zu treffen.
Die deutsche Regierung hingegen will es darauf ankommen lassen. Fehlentscheidungen werden zunehmen, ist sich Ahrbeck sicher. Den Nährboden für diese fehlgeleitete und ausufernde Identitätspolitik sieht er in einer „überzogenen politische Korrektheit und der sogenannten Cancel-Culture“, die wissenschaftliche Diskurse lähme und die Wissenschaftsfreiheit insgesamt bedrohe. „Wer anders denkt, gilt dann leicht als transphob, homophob oder beides zusammen.“
Bleibt die Frage, was die Queer-Ideologen eigentlich antreibt, dass sie zerstörte Biografien und vor allem zerstörte Körper von Kindern und Jugendlichen billigend in Kauf nimmt. Ahrbeck verweist hier auf Judith Butlers Dekonstruktivismus:
Im Hintergrund steht eine sehr grundlegende Frage, die nach der Existenz zweier Geschlechter. Aus der Sicht eines radikalen Dekonstruktivismus stellen sich die Verhältnisse anders dar. Selbst das Körperliche soll die Folge sozialer Konstruktionen sein. Erst durch die Auflösung einschlägiger Kategorien, so lautet die reichlich diffuse Hoffnung, könne der Mensch in ein neues Reich der Freiheit eintreten, in der das Geschlecht – in fast unendlicher Vielfalt gedacht – zu einer subjektiven Wahl wird.
Klingt hochtrabend, aber birgt nur Widersprüche. Geschlechterstereotype sollen durchbrochen werden, aber ausgrechnet Transgender reproduizieren diese in Perfektion. Sie ahmen das äußere Erscheinungsbilds des anderen Geschlechts perfekt nach und idealisieren es darurch.
Lebenssituation von Kindern wahrzunehmen, ist keine Diskriminierung
Warum also soll es so wichtig sein, das Geschlecht zu wechseln, wenn Geschlecht doch eigentlich keine Rolle mehr spielen soll, fragt sich Ahrbeck:
Bei der Transsexualität wird behauptet, es gebe ein unumstößliches Wissen um das eigene Geschlecht. Selbst Kinder würden sich darin nicht irren. Von einer Flexibilität, der Offenheit für alle möglichen Entwicklungen, die sonst gelten soll, ist hier nicht mehr die Rede.
Ahrbeck empfiehlt einen aufgeklärten und unideologischen Umgang mit Transsexuellen:
Sie verdienen in ihrem Anliegen Anerkennung und Respekt, ebenso wie jeder andere Mensch auch. Das ist so selbstverständlich, dass es dazu keiner weiteren Ausführungen bedarf. Gleichwohl sollte nicht übersehen werden, dass sie sich in einer speziellen Lebenssituation befinden, die je nach Lebensalter unterschiedliche Fragen aufwirft. Das wahrzunehmen, ist keine Diskriminierung.
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