Wie geht es Kindern in Regenbogenfamilien? Dazu gebe es kaum empirische Daten, stellt die Konrad Adenauer Stiftung (KAS) in ihrem im Januar erschienenen Diskussionspapier „Ein Kind – viele Eltern“ fest. Darin fordert die KAS eine breite gesellschaftliche Debatte zur Familienrechtsreform der Ampel-Koalition. Zugleich mahnt sie einen Perspektivenwechsel an. Die Diskussion um das neue Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft sei bisher vor allem von den Kinderwünschen Erwachsener aus dem LSBT-Umfeld geleitet und lasse die Rechte und Bedürfnisse der betroffenen Kinder außer Acht.
„Ist die Abstammung im Leben eines Kindes wichtig? Was bedeutet es für ein Kind, wenn sich drei oder vier Elternteile einer Mehreltern-Regenbogenfamilie trennen und wieder neu verpartnern? Was bedeutet das Aufwachsen in polyamoren Familien für ein Kind?“ – Eine Reihe existentieller Fragen zum Kindeswohl wirft die KAS-Studie auf, mit dem Ziel, Debatten-Impulse im Sinne der „vulnerabelsten Minorität in Deutschland“ zu geben. Kinder, die durch Adoption oder künstliche Befruchtung und Samenspende in einer Regenbogenfamilie groß werden, könnten ihre Interessen schließlich nicht selbst vertreten.
Warum muss Familie überhaupt juristisch reformiert werden? Elisabeth Hoffmann, KAS-Referentin für Jugend und Familie und Autorin des Diskussionspapiers, stellt die linke Erzählung von den „veränderten Lebensverhältnissen“ in Frage. Dafür reiche bereits ein Blick in den Mikrozensus: Unter den rund acht Millionen Familien mit minderjährigen Kindern in Deutschland seien nur etwa 10.000 Regenbogenfamilien.
Kinder im Wirrwarr bunter Familienkonstellationen
Eine kleine Minderheit, die die Deutungshoheit über Fortschritt beanspruche, zwinge die Mehrheit dazu, bewährte familienrechtliche Regelungen einfach aufzugeben, mahnt Hoffmann. Zudem fehle für eine derart weitreichende Reform jegliche empirische Evidenz. Wie etwa solle sich im bunten Wirrwarr aus biologischen, rechtlichen und sozialen Eltern Einigkeit und Geschlossenheit im Erziehungsalltag erzielen lassen? Das Konfliktpotenzial zwischen den Eltern – besonders nach Trennung und Neuverpartnerung – sei vor allem für das Kind ein Risiko. Es gerate zwischen die Fronten und erlebe neu verhandelbare Familienkonstellationen ohne dauerhaft verlässliche Bezugspersonen.
Die Trennung der Eltern ist schon unter normalen Umständen ein Trauma. So bezeichnet etwa die American Academy of Pediatrics die mentale Gesundheit als die größte, bislang nicht gelöste Herausforderung für Kinder, die nach der Trennung der leiblichen Eltern in neuen Familienkonstellationen aufwachsen. Das sind jedoch Fragen, die die Regenbogenidylle stören. So verwundert es nicht, dass die sonst viel beschworenen Kinderrechte in den „großen Reformplänen“ unter den Tisch fallen. Laut der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen hat jedoch jedes Kind das Recht, seine genetischen Eltern zu kennen und „von ihnen betreut zu werden“.
Die Beziehung zum Kind ist unauflöslich
Trotz mangelhafter Forschungslage gelingt es Hoffmann, das Lebensgefühl eines Regenbogenkindes greifbar zu machen. Nicht nur die Adoptionskind-Forschung untermauert die Bedeutung der Blutsbande, sondern auch der Verein „Spenderkinder“. Der 2009 gegründete Verein versteht sich als Anlaufstelle für Kinder, die spätestens als junge Erwachsene verzweifelt nach ihren leiblichen Eltern suchen, teils mit öffentlichen Aufrufen: „Papa, Du bist Opa geworden (Christiane, 1983 in Wiesbaden).“
Egal, ob Samen- oder Eizellspende, Embryonenadoption oder Leihmutterschaft – der Verein hat eine klare Meinung zur genetischen Abstammung: Die Beziehung zum Kind ist unauflöslich. Er fordert daher die Eintragung des genetischen Elternteils in das Geburtenregister, damit Spenderkinder unabhängig von einer Aufklärung von ihrer Abstammung erfahren können.
Im Fazit ihrer Studie plädiert Hoffmann dafür, zuallererst empirische Evidenz zu sammeln, was eine solche Reform für ein Kind bedeute, bevor eine kleine Gruppe weiterhin neue gesetzliche Fakten schaffe. Angesichts der skizzierten Lebensrealität von Regenbogenkindern greift diese Forderung allerdings etwas kurz. Vielmehr sollte es um den sofortigen Stopp der „großen Familienreform“ gehen.