Chattet Ihr Kind online mit Pädophilen? Vermutlich ist das bereits vorgekommen. Sämtliche Online-Plattformen, auf denen sich Kinder und Jugendliche tummeln, sind ein Eldorado für Pädophile. Der digitale Raum gehört für Schüler heute so unmittelbar zur Lebenswelt wie der Pausenhof. Aber die im offline-Alltag üblichen sozialen Regeln, Kontrollen und Sanktionen fehlen online fast immer. Das birgt nicht nur das Risiko für eskalierende Dynamiken unter Gleichaltrigen wie Cyber-Mobbing, sondern auch für das sogenannte Cyber-Grooming von Pädophilen.
„Laut Landesanstalt für Medien NRW hat jedes vierte Kind zwischen acht und 18 schon einmal einen Erwachsenen online kennengelernt, der es nach einem Treffen offline gefragt hat“, heißt es in der auf Youtube veröffentlichten Y-Kollektiv-Recherche „Verdeckt im Kinderchat: Wir entlarven Pädokriminelle“. „Aber so etwas passiert nicht den eigenen Kindern, oder?“, fragen die Reporter provokant. Leider doch. Eltern sollten davon ausgehen, dass es passiert. Sobald ein Kind online ist, läuft es Gefahr, Opfer einer pädophilen Masche zu werden, die Experten als Cyber-Grooming bezeichnen – was sich sinngemäß mit „Anbahnung“ übersetzen lässt. Kriminelle, die sich hinter Nicknames und falschen Profilfotos verbergen, nehmen Kontakt zu einzelnen Jugendlichen auf und versuchen, schrittweise ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.
Die Täter sind perfekt an die virtuellen Gegebenheiten angepasst und betreiben einen hohen Zeitaufwand, um ihre jungen Opfer für sich einzunehmen. Von dieser Form der pädokriminellen Kontaktanbahnung, die es gibt, seit Kinder online unterwegs sind, sind Mädchen und Jungen gleichermaßen betroffen, wobei die Täter jedoch unterschiedlich vorgehen.
Schon nach kurzer Zeit zeigt sich die gesamte Breite des pädophilen Täterspektrums
Mädchen sind deutlich kommunikationsfreudiger als Jungen. Sie lieben es, sich online zu inszenieren, sich auf Augenhöhe mit anderen Teenagern über ihr Leben auszutauschen, neue Freunde zu finden, bis spät in den Abend noch zu chatten und erste Flirts zu erleben, sowohl via Textnachricht als auch über Video-Telefonie, in privaten Chat-Räumen und auch per öffentlichen Livestream aus dem Kinderzimmer. Spontan darauf losquatschen oder professionelle Schminktipps geben – alles, was den Teenager-Mädchen so einfällt, wird live aus dem vermeintlich behüteten Zuhause gesendet. Zusehen können je nach Einstellung nur Freunde, angemeldete Nutzer oder die ganze Welt. Zahlreiche Online-Plattformen bedienen genau dieses Interaktions- und Präsentationsbedürfnis junger Mädchen. Bestätigung, Zuspruch und Annahme in Form von Herzchen, Likes, netten Kommentaren und virtuellen Geschenken einsammeln – das ist das Motiv, das in dieser Glitzerwelt alles antreibt, und das Pädophile zu nutzen wissen.
Mitten unter den Mädchen chatten und flirten pädophile Männer, und das in erschreckend hoher Zahl. Sie geben sich selbst als junges Mädchen mit lesbischer Orientierung aus, als junger Kerl, oder als Mittzwanziger. Andere verschleiern ihre Identität nicht. Für die ebenfalls auf Youtube veröffentlichte Recherche „Pädokriminelle im Stream: So sicher fühlen sich Täter“ des Recherche-Projekts „STRG_F EPIC“ haben sich zwei junge Reporterinnen auf der mit TikTok vergleichbaren App Likee als 12- und 13-jährige Mädchen ausgegeben. Kaum online, werden sie überhäuft mit Anfragen.
Schon nach kurzer Zeit zeigt sich die gesamte Breite des pädophilen Täterspektrums. Es schreiben junge Männer, häufig augenscheinlich mit Migrationshintergrund und teils selbst noch minderjährig, die mittels plumper Anmachsprüche auf schnellen Sex mit ihren jungen, manipulierbaren Opfern aus sind. Im Minutentakt schreiben sie neue Nutzerinnen an. Andere haben es auf kinderpornografisches Material abgesehen und wollen, dass die Mädchen vor der Kamera möglichst viel von sich zeigen. Was harmlos mit Spielchen wie „Wahrheit oder Pflicht“ beginnt und von liebestollen Komplimenten unterfüttert ist, driftet schnell in den pornografischen Bereich ab. Solche Interaktionen gelten als strafbarer sexueller Missbrauch von Kindern mit traumatischen Folgen für die Betroffenen.
„Kinder mit familiären Problemen sind besonders gefährdet“
Aber auch auf ein echtes Treffen arbeiten einige Täter gezielt hin. Aus der vermeintlich zufälligen Chat-Freundschaft entwickelt sich eine exklusiv erscheinende Beziehung voller Gemeinsamkeiten. Bevor es zu einer weiteren emotionalen Intensivierung und schließlich einem Treffen kommt, klopfen die Täter immer wieder das soziale Umfeld ihrer Opfer ab, um das Risiko für sich möglichst gering zu halten – und aus einem noch entscheidenderen Grund:
„Kinder mit familiären Problemen sind beim Cyber-Grooming besonders gefährdet“, heißt es in dem „STRG_F EPIC“-Film. Zur Fake-Identität einer der beiden Reporterinnen gehört, dass die Eltern des Mädchens viel streiten und eine Trennung im Raum steht. „Darauf ist er total angesprungen“, stellt die Journalistin fest. Pädophile bedienen gezielt das Liebesdefizit der Kinder. Sie nehmen sich alle Zeit der Welt, um den verunsicherten und verletzten Mädchen ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken, sie für ihr Aussehen zu loben und ihnen die große Liebe vorzuspielen. Zugespitzt: Verstörte, bindungshungrige Scheidungskinder, die nach der Ganztagsbetreuung unbeaufsichtigt bis spät in die Nacht live aus ihrem Kinderzimmer streamen, sind die idealen Opfer für Pädophile.
Doch auch Kinder aus stabilen Verhältnissen sind nicht davor gefeit, auf die ausgeklügelten Strategien der Täter hereinzufallen. Eltern, die glauben, ihr Junge „zocke“ nur „Ballerspiele“ mit seinen Kumpels, sollten genauso wachsam sein wie die Eltern von Mädchen, die in die Welt der Online-Bühnen versunken sind.
Auch Jungen, die nur mit Freunden „zocken“, können Opfer werden
Auch Jungen treffen online regelmäßig auf pädophile Avancen, wobei sich die Täter auch hier in die Lebenswelt ihrer Opfer einfügen. Auf Gaming-Seiten treffen nicht nur verabredete Schulfreunde sondern auch anonyme Nutzer in großen, unüberschaubaren Gruppen aufeinander. Dort wo pubertierende Jungs die beliebten Spiele „zocken“, geben sich auch Pädophile als Gleichaltrige oder junge Erwachsene aus. Über einen längeren Zeitraum legen sie sich ein gewisses Standing im Forum oder ein eindrucksvolles Level bei Minecraft, Fortnite oder Counter Strike zu. So wirken sie unter den jungen Nutzern nicht nur vollkommen unverdächtig, sondern sogar wie Vorbilder, und können während des „Zockens“ näheren Kontakt zu einzelnen Spielern aufbauen.
In der Y-Kollektiv-Recherche berichtet Niko, wie er sich als Zehnjähriger mit einem Mann getroffen hat, den er zuvor auf solch einer Spiele-Plattform kennengelernt hatte. Der Mann habe alleine auf ihn gewartet und nicht wie angekündigt mit noch einem anderen Jungen in Nikos Alter. Über zwei Jahre lang hat der Täter Niko und seinen Freunden online seinen Server zur Verfügung gestellt, damit sie kostenlos und heimlich von zu Hause aus Minecraft spielen können.
Über die Zeit entstanden Abhängigkeiten und Verpflichtungen, und es kam zu sexuellen Übergriffen off- und online auf Kinder aus Nikos Freundeskreis. Als der Pädophile schließlich auffliegt und sich die Polizei auch an Nikos Eltern wendet, war dessen größte Sorge, dass nun seine Eltern wissen, dass er Spiele mit Altersbeschränkung und länger als bis zehn Uhr abends gespielt habe, erinnert sich der junge Mann. Den pädophil motivierten Fragen und Verhaltensweisen des Missbrauchstäters habe er damals hingegen keine größere Bedeutung beigemessen. An diesem Beispiel wird deutlich, dass auch Jungen, die online nur mit Freunden aus der Schule „zocken“, völlig unbemerkt in die Fänge von Pädophilen geraten können.
Durch Scheinkindoperationen wurden 164 Tatverdächtige ermittelt
Niko ist heute längst volljährig, der Fall liegt lange zurück. Doch die Gefahren für Kinder im Netz haben seitdem rasant zugenommen. Immer vielfältiger, schnelllebiger und undurchsichtiger werden die so einfach per App zu installierenden Online-Bühnen und Spiele-Plattformen, die Kinder anziehen – und diejenigen, die Kinder anziehend finden.
Um zumindest ansatzweise etwas Kontrolle in das digitale Pädo-Eldorado zu bekommen, wurden 2020 gesetzliche Anpassungen vorgenommen, damit für die Polizei sogenannte Scheinkindoperationen möglich werden. Laut Polizeistatistik wurden 2023 durch Scheinkindversuche 164 Tatverdächtige ermittelt, heißt es in der „STRG_F EPIC“-Recherche. Warum nur so wenige, wollten die Reporter wissen. Schließlich seien sie bei ihrer Recherche ununterbrochen mit justiziablen Anfragen konfrontiert gewesen. Warum seien in manchen Bundesländern seit der Gesetzesanpassung überhaupt keine Scheinkindoperationen durchgeführt worden?
Das Bundeskriminalamt hält sich bedeckt. Lediglich der Leiter des Instituts Cyberkriminologie Polizeihochschule Brandenburg, Thomas-Gabriel Rüdiger, betont, es stünden eigentlich genug Beamte zur Verfügung, um rund um die Uhr im Netz aktiv zu sein. „Stellen Sie sich mal einen Spielplatz vor, wo immer wieder darüber berichtet wird, dass dort Kinder entsprechend angesprochen werden“, sagt der Beamte im „STRG_F EPIC“-Film. Der würde permanent polizeilich überwacht.
Intakte Familien sind die beste Missbrauchsprävention
Für das zum Jugendsender Funk und damit zu den Öffentlich Rechtlichen Sendern gehörende Recherche-Kollektiv war es möglich, auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor die Kamera zu bekommen. „Es braucht ein Bündel von Maßnahmen“, um diese „widerliche Form der Kriminalität“ zu bekämpfen, meinte die Ministerin. Ihre Vorschläge lauteten: Prävention an Schulen und durch Eltern sowie eine effektivere Täterermittlung wie zum Beispiel durch die IP-Adressenspeicherung.
Was Kinder noch grundlegender schützen würde, hat der Film eigentlich herausgearbeitet: Kinder brauchen emotional stabile Familien, in denen Eltern die Verantwortung übernehmen. Kinder brauchen Eltern, die die Zeit und das besorgte Interesse haben, sich mit der Online-Welt ihrer Kinder auseinanderzusetzen. Kinder brauchen ein familiäres und soziales Umfeld, in dem sie Nähe, Geborgenheit und Bestätigung erfahren, damit sie ihre emotionalen Grundbedürfnisse nicht anderweitig kompensieren müssen. Intakte Familien sind die beste Missbrauchsprävention.
Zwar liegt diese Quintessenz der Recherche auf der Hand, doch das dem politisch linken Spektrum zuzuordnende Projekt verzichtet darauf, die Bedeutung der Familie klar zu betonen. Stattdessen fallen Schaumschlägerphrasen wie etwa „Kinder brauchen Internet-Kompetenz“. Ja, die brauchen sie, aber das kommt weiter hinten in der Prioritätenfolge. In erster Linie sind es nämlich die Eltern, die Internet-Kompetenz brauchen, damit sie ihre Kinder schützen und über die Gefahren im digitalen Raum angemessen aufklären können. Die Verantwortung liegt bei den Eltern.
PS: Bestellen Sie jetzt unsere Aufklärungsbroschüre „Die schleichende Pädophilisierung“, die Sie ausführlich über die Strategien der Täter informiert. Eltern erhalten wertvolle Tipps, wie sie ihre Kinder schützen können.