Die Bundesrechtsanwaltskammer erteilt dem „Kinderrechte“-Gesetzentwurf der Bundesregierung eine klare Absage. In den Medien herrscht jedoch Schweigen.
Die Befürworter von „Kinderrechten“ im Grundgesetz erhalten in der medialen Berichterstattung meist prominente Plätze. Die zahlreichen renommierten Rechtswissenschaftler, die dieser Grundgesetzänderung kritisch gegenüberstehen, tauchen dagegen nur selten auf. Der flüchtige Leser erhält den Eindruck, als sei ohnehin fast jeder dafür, „Kinderrechte“ ins Grundgesetz aufzunehmen.
So erging es jüngst auch der ausführlichen Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Was die bundesweite Interessensvertretung von über 166.000 Rechtsanwälten in Deutschland zum aktuellen „Kinderrechte“-Gesetzentwurf der Bundesregierung zu sagen hat, scheint die Medien bisher nicht zu interessieren.
Keine Notwendigkeit für „Kinderrechte“ im Grundgesetz
Doch was genau sagt die BRAK in ihrer zehnseitigen Stellungnahme zu der geplanten Grundgesetzänderung? Zunächst stellt sie fest, dass die Rechte von Kindern in Deutschland bereits ohnehin abgesichert seien:
Die Bundesrechtsanwaltskammer stimmt mit der Begründung des Gesetzentwurfs überein, dass der Schutz der Kinderrechte – auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Grundgesetz – in jahrzehntelanger Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht im Lichte der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern ausgeformt worden und anerkannt ist. (S. 3)
Kinder werden nicht als Objekt betrachtet
Diese Aussage deckt sich mit der Feststellung der Rechtsgutachten, dass es im Grundgesetz keine Schutzlücke für Kinder gebe. Die BRAK präzisiert den Sachverhalt nochmals:
Daran, dass Kinder Grundrechtsträger sind und per se Subjekt der aus diesen resultierenden staatlichen Schutzpflicht ist nämlich bereits seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Juli 1968 unbestritten und lässt sich zwanglos dem Wortlaut aller Grundrechte entnehmen. (S. 4)
Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht bereits ein eigenständiges Recht auf Entwicklung aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet und damit eine kinderspezifische Ausprägung des Grundrechts auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit festgestellt hat. (S. 5)
Schwache Begründung für Grundgesetzänderung
„Kinderrechte“ im Grundgesetz sind also unnötig. Weshalb will die Bundesregierung die „Kinderrechte“ dann aufnehmen? Die BRAK kann für das Vorhaben keine stichhaltige Begründung finden:
Die Bundesrechtsanwaltskammer stellt schließlich fest, dass die aktuelle gesetzgeberische Initiative ihren Grund ausschließlich in einer Vorfestlegung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz hat. Eine sachliche Notwendigkeit besteht speziell für diese Grundgesetzänderung aus Sicht der Bundesrechtsanwaltskammer jedoch nicht (S. 3)
Schwächung von Grundrechten droht
Tatsächlich haben mehrere Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU die geplante Grundgesetzänderung damit rechtfertigen wollen, dass sie das nun einmal mit der SPD im Koalitionsvertrag so vereinbart hätten. Ein derart fahrlässiges Vorgehen hat jedoch negative Konsequenzen für die Struktur des Grundgesetzes, wie die BRAK erläutert:
Die inhaltsleere Wiederholung bereits bestehender Grundrechte ist aber rechtsdogmatisch und rechtstheoretisch bedeutungslos und verfehlt. Sie führte nur zu einer Verwässerung und damit Schwächung von Grundrechten, weil sie Anlass zu Interpretationen böte. (S. 8)
Abgeordnete sollen Stellungnahme aufmerksam lesen
Geschwächt würde vor allem das Grundrecht der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder. Daran ändern auch die Beschwichtigungsversuche der Bundesregierung nichts. Umso wichtiger, dass möglichst viele Bürger ihren Abgeordneten diese Analyse schicken, bevor es im Bundestag zur Abstimmung über die „Kinderrechte“ kommt. Eine Stellungnahme der BRAK sollte auf Gehör stoßen, da immerhin über 20 Prozent der Bundestagsabgeordneten Juristen sind und somit von der BRAK vertreten werden.
Die Bundestagsabgeordneten sollten vor allem das eindeutige Fazit der BRAK lesen:
Die geplante Einführung von Art. 6 Abs. 2 Satz 3 bis 6 GG ist als politischer Aktionismus ohne tatsächlichen Mehrwert für das Wohl von Kindern abzulehnen. Die geplanten Neuregelungen führen vielmehr zur Verwässerung bestehender Grundrechte und können im Einzelfall sogar zur Annahme von Grundrechten verschiedener Qualität für Grundrechtsträger verschiedenen Alters führen. (S. 10)
Hier kann man die Stellungnahme der BRAK in voller Länge lesen.