Mit einer Politik, die Frauenbeauftragte durch Queerbeauftragte ersetzt, kann die feministische Zeitschrift Emma nicht viel anfangen. Deren Herausgeberin Alice Schwarzer ist als Abtreibungsbefürworterin und feministisches Urgestein bekannt, die jahrzehntelang die Diskurse über Frauen in der Opferrolle nach Belieben dominierte. Diese bequeme Position hat sie an die queere LSBT-Szene verloren, die zur alles beherrschenden Minorität aufgestiegen ist.
Schwarzer und ihre engste Vertraute in der Redaktion, Chantal Louis, haben die Herausforderung angenommen und zu einem überraschend neuen Stil gefunden, der faktenbasiert argumentiert. So ist es dem Duo bereits gelungen gegen das Selbstbestimmungsgesetz Stimmung zu machen. Ihre Recherchen und eingesammelten Expertisen befeuerten auch dank Schwarzers Promibonus die Debatte zum Trans-Hype unter jungen Mädchen und den durch neue Transfrauen bedrohten Frauenschutzräumen.
Seit geraumer Zeit also schielen nun auch Konservative in das Blatt der Frauenrechtlerinnen. Einmal mehr lohnt sich der Blick in die aktuelle Ausgabe, insbesondere in ein Interview mit der Juristin Eva Engelken, das den Titel „Eine zerstörerische Gesetzesreform“ trägt. Es geht um die geplante Familienrechtsreform der Ampel. Mit der Erzählung, lesbische Mütter müssten nicht mehr das Kind der Ehefrau adoptieren, werben die Reformer gleich für eine ganze Reihe neuer Gesetze. Die „coole Queer-Politik“ verberge jedoch eine politische Bombe, denn die massive Reform im Abstammungs- und Familienrecht komme hauptsächlich Männern zugute, mahnt Engelken, die Mitglied bei den Grünen ist.
„Flankiert vom Aktionsplan ‚Queeres Leben‘ soll das bestehende Familien- und Personenstandsrecht regelrecht umgekrempelt werden“, so die Juristin. Neben der Kernfamilie sei vor allem „das Recht der Mutter und das Recht der Frauen auf den eigenen Körper“ durch die geplante „Mehrelternschaft“ bedroht. Künftig sollen Kinder vier soziale Eltern haben können, egal, in welcher Konstellation sie zueinander stehen. Eine Elternschaftsvereinbarung soll noch vor der Zeugung regeln dürfen, wie das Sorge-, Unterhalts- und Umgangsrecht aussehen sollen.
Leihmutterschaft ist ein Milliarden-Markt
Engelken gibt als Mutter von drei Kindern zu bedenken, dass ein Kind, wenn es dann da sei, vieles auf den Kopf stelle, allen voran rechtliche Regelungen und die Gefühle der Frauen, die das Kind ausgetragen oder die Eizelle gespendet haben. Was als Erleichterung für lesbische Paare mit Kind verkauft werde, bereite der Leihmutterschaft den Weg:
Die Frau wird zur notariell beurkundeten festgelegten Gebärmaschine ohne ein Zurück. (…) Diese Reformpläne degradieren sie zu einer unguten Kombination aus Billiglöhnerin und Fertigungsroboter.
Bisherige Pläne zur Legalisierung der Leihmutterschaft würden am gesetzlichen Verbot im Embryonenschutzgesetz scheitern. Neben der „Embryonenspende“ in deutschen Kliniken sei auch die Vermittlung zu Anbietern von Leihmutterschaft und Embryonenspende im Ausland verboten, betont Engelken. Doch Verfechter der Leihmutterschaft innerhalb der Reformbewegung erhielten nun Schützenhilfe durch die EU-Kommission. Mit dem geplanten „europäischen Elternschaftszertifikat“, das die grenzüberschreitende Anerkennung der Elternschaft in EU-Mitgliedstaaten vorsieht, würden Länder zur Anerkennung der Leihmutterschaft gezwungen, die sie bislang verboten haben.
In Griechenland etwa sei altruistische Leihmutterschaft legal, und die den Bestelleltern dort bescheinigte Elternschaft müsse dann auch in Deutschland anerkannt werden, erklärt Engelken. Von da aus sei es nur ein winziger Schritt, Drittstaaten wie die Ukraine anzuerkennen, in denen die „Leihbabyproduktion“ floriere. Hinter der Leihmutterschaftslobby stehe ein Milliarden-Markt, der die Politik vor sich her treibe, denn ein solches Zertifikat müsse von der EU-Ratsverordnung einstimmig beschlossen werden. Deutschlands Zustimmung müsste eine Änderung des Embryonenschutz- und des Adoptionsvermittlungsgesetzes vorausgehen.
Geschiedene Mehreltern: Wer bekommt das Kind?
Letzteres sei mit der Familienrechtsreform ohnehin hinfällig, so Engelken, denn die Prüfung adoptionswilliger Eltern durch das Jugendamt entfalle mit der „Mehrelternschaft“. Jede volljährige Person könne eingetragen werden, auch vier soziale Väter seien möglich. Die Juristin spricht aus, was viele nicht zu denken wagen:
Wieder eine Kontrollinstanz weniger, die Kinder schützen würde. Auch Pädo-Kriminelle kommen so schneller ans Kind.
Problematisch sei in diesem Zusammenhang auch die Frage: „Wer bekommt im Falle einer Scheidung das Kind?“ So seien nämlich Gerichte künftig auf das „Wechselmodell“ festgelegt, weiß Engelken. Selbst wenn die Gefährdung des Kindeswohls im Raum stehe, hätten beide Eltern einen paritätischen Anspruch, das Kind zu betreuen.
Da drängt sich nebenbei auch die Frage auf: Wie sieht das eigentlich praktisch aus, wenn eine Mehrelternschaft auseinandergeht und Scheidungskinder demnächst auch zwischen vier Stühlen stehen könnten? Die Reformoffensive der Ampel sorgt für mehr Fragen, als ein einzelner Beitrag fassen kann. Engelken nimmt zum Höhepunkt des Interviews, quasi als größte Ungeheuerlichkeit aus feministischer Perspektive, eine Allianz in den Blick, die man beim Vormarsch der Regenbogenfahnenträger auch so nicht erwartet hätte: Aus Engelkens Sicht dient das neue Rechtsinstitut der „Verantwortungsgemeinschaft“ nämlich vor allem dazu, die mit der Einwanderung aus dem islamischen Kulturkreis inzwischen auch hierzulande umfangreich gelebte „Vielweiberei“ rechtlich abzusichern.
Arabischstämmige Männer mit Zweit- und Drittfrauen könnten nun auf dem Umweg queerer Diversitypolitik das in Deutschland bestehende Verbot der „Vielehe“ einfach umgehen. An einen zufälligen Nebeneffekt glaubt Engelken nicht:
Das ist ein großes Entgegenkommen für fundamentalistische islamische Kreise. Das ‚kleine Sorgerecht‘ für soziale Eltern komplettiert dieses Entgegenkommen. Es soll ebenfalls zu einem eigenen Rechtsinstitut weiterentwickelt werden und auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden können, die dann voll sorgeberechtigt sind.
Es entstünden Ansprüche auf Leistungen aus den Sozialkassen, etwa beim Kindergeld, bei Rentenansprüchen oder dem Erbrecht.
Ungeahnte Allianzen und feministische Lebenslügen
Was ihre These bekräftigt: Unlängst hatte der Queerbeaftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, zahlreiche queere Organisationen nach Berlin geladen, um die Ausgestaltung des nationalen Aktionsplans gegen Queerfeindlich zu koordinieren und Arbeitsgruppen zu bilden. Unter den 78 Verbänden und Initiativen, die überwiegend aus dem LSBT-Umfeld stammen und sämtlich Begriffe wie „schwul“, „CSD“, „queer“ und „trans“ im Namen tragen, tummelt sich auch folgender Verein: Türkische Gemeinde in Deutschland e.V. (tgd) Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass sich die tgd in der Arbeitsgruppe „Verantwortungsgemeinschaft“ wiederfindet.
Tiefsinnig wird Engelken, als sie in ihrer letzten Antwort über die größte aller feministischen Lebenslügen stolpert:
Der frühere Leitspruch ‚Mein Bauch gehört mir‘ wird ja genau mit all diesen ausbeuterischen Mechanismen verzahnt. Soll eine Frau das Recht auf Abtreibung haben, soll sie auch das Recht darauf haben, ihr Baby oder ihre Eizellen zu verkaufen. Sie hat ja bereits das Recht, ihren Körper in der Prostitution zu verkaufen. Es ist ja schließlich alles ihr freier Wille. Der Körper von Frauen stand noch sie so sehr zur Vermarktung wie zurzeit.
Vielleicht dämmert ja der ein oder anderen Emma-Leserin, dass kaum je eine Abtreibung etwas mit dem freien Willen der Frau zu tun hatte, und dass hinter der Abtreibungslobby ein Milliardenmarkt steht, der dem der Leihmutterschaftslobby um Längen voraus ist.
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