Trans-Leitlinie: Minderjährige sollen selbst bestimmen

Trotz heftiger Kritik ist vergangene Woche die Transgender-Leitlinie für die medizinische Behandlung von Minderjährigen weitestgehend so in Kraft getreten, wie von vielen Ärzten, Psychotherapeuten und Elterninitiativen befürchtet. Die nicht evidenz- sondern lediglich konsensbasierte S2k-Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter – Diagnostik und Behandlung“ hält am trans-affirmativen Behandlungsansatz fest.

„Aufgrund fehlender kontrollierter Wirksamkeitsnachweise und einer insgesamt unsicheren Evidenzlage“ mussten die Autoren ihre eigene Leitlinie auf den S2k-Status des „Expertenkonsens“ herabstufen. Denn ob sich Teenager, die man mit Pubertätsblockern und Hormonen behandelt und denen man ihre Geschlechtsorgane amputiert, psychisch stabilisieren, können sie nicht mit Sicherheit sagen. Trotzdem macht die Autorengruppe um Georg Romer vom Universitätsklinikum Münster in ihrer Präambel deutlich, dass das subjektive Empfinden der jungen Patienten und ihre Transitionswünsche die entsprechende Behandlung vorgeben sollen:

„Die Förderung der Selbstbestimmung und – soweit notwendig – der Selbstbestimmungsfähigkeit ist deshalb ein wesentliches Anliegen im Behandlungssetting mit minderjährigen Patient*innen. Therapieansätze, die implizit oder explizit von dem Behandlungsziel getragen sind, das Zugehörigkeitsempfinden einer Person zu einem Geschlecht in eine bestimmte Richtung zu lenken, werden als unethisch angesehen.“

Das heißt: Pubertätsblocker, Hormone und Geschlechtsoperationen statt Psychotherapie. Pubertierende Kinder und Jugendliche, die sich selbst als „trans“ identifizieren, sollen von ihren Ärzten bestätigt und in ihrem Transitionsvorhaben unterstützt werden. Zahlreiche Ärzte und Studien weisen jedoch darauf hin, dass die Selbstdiagnose „trans“ während der emotionalen und körperlichen Reifeentwicklung meist ein symptomatischer Ausdruck einer zugrundeliegenden Persönlichkeitsstörung ist. Die kulturelle Dynamik rund um das Thema Transgender bietet dem inneren Leidensdruck eine sozial hoch akzeptierte Bewältigungsstrategie. Die ärztliche Bestätigung der übernommenen Trans-Identität wirkt hier fatal, eine Psychotherapie wäre hingegen das Gebot der Stunde.

Proteststurm von Eltern, Ärzten und Psychotherapeuten

DemoFürAlle hat seit der Veröffentlichung des ersten Leitlinienentwurfs vor gut einem Jahr die stichhaltigen Argumente der Kritiker und die von der Medizin weit in die Politik hineinreichende Debatte dokumentiert:

Neben dem Münchner Kinder- und Jugendpsychiater Alexander Korte, der die Leitlinien-Entwürfe immer wieder öffentlich ablehnte, gehörten auch Florian Zepf, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Jena, und Tobias Banaschewski, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Mannheim, zu den schärfsten Kritikern der ersten Stunde. Ihnen gegenüber stehen Mediziner, wie die Schweizer Kinderpsychiaterin Dagmar Pauli, eine Leitlinien-Autorin, die unbekümmert zu Protokoll gab, dass sich die Leitlinie an der in Verruf geratenen Transgender-Organisation „WPATH“ orientiert. Den Bericht zum ersten Leitlinienentwurf finden Sie hier.

Dem Entwurf folgte ein regelrechter Proteststurm, den kaum jemand so leidenschaftlich anführte wie die Eltern, die ihre Kinder an den Trans-Kult verloren hatten. Seit Jahren sind ihre Elterninitiativen ein Stachel im Fleisch der Gender-Ideologie. Was sie zum Leitlinienentwurf zu sagen hatten und wie sie die Absichten von Georg Romer, einem WPATH-Mitglied, entlarvten, lesen Sie hier und hier.

Ärzte und Psychiater, die sich dem medizinischen Grundsatz „Nicht schaden!“ verpflichtet fühlen, ließen ebenfalls nicht lange mit Stellungnahmen auf sich warten. So äußerten zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) und eine Fachgesellschaft Schweizer Kinderpsychiater sowie einige Hochschulprofessoren Kritik an der Leitlinie. Sogar der Deutsche Ärztetag hatte die Bundesregierung aufgefordert, die trans-affirmative Behandlung von Minderjährigen zu stoppen. Mit nur einem Satz haben sie die über 400 Seiten der Transgender-Leitlinie für obsolet erklärt:

Es handelt sich um irreversible Eingriffe in den menschlichen Körper bei physiologisch primär gesunden Minderjährigen, die hierfür bei fehlender Evidenz für derartige Maßnahmen kein informiertes Einverständnis geben können. (Deutscher Ärztetag, 2024)

Sondervotum: Die DGPPN schreibt ihre Kritik direkt in die Leitlinie

Wie unausgegoren der Konsens der beteiligten Mediziner immer noch ist, zeigt der Anhang der Leitlinie. Dort konnten die verschiedenen Fachgesellschaften ihr Sondervotum unterbringen. Vor allem das Sondervotum der DGPPN, die bereits die Präambel der Leitlinie „in der Summe der Feststellungen“ ablehnt, ist bemerkenswert, denn im Grunde findet sich hier eine Ideologie-Kritik:

Die drängenden medizinisch-ethischen Fragen seien nur angerissen und Antworten suche man vergebens, moniert die DGPPN. So behandle etwa das Kapitel zur „Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger“ vorwiegend juristische Aspekte und verweise ausschließlich auf „ein einziges unveröffentlichtes“ Rechtsgutachten, „welches im Auftrag des Leitlinienkoordinators Prof. Romer angefertigt wurde.“

Die ausführlichen sieben Kritikpunkten der DGPPN verurteilen den primär affirmativen Ansatz, wonach „der Wunsch und Wille der Beratung bzw. Behandlung suchenden Person zum einzigen relevanten Maß gemacht“ werde, ohne die wissenschaftliche Evidenz einzubeziehen. Zudem fehle der wissenschaftliche und ethische Standard, den Betroffenen „eine umfassende kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik und eine Behandlung komorbider psychiatrischer Störungen zu ermöglichen.“

Ein Grund hierfür ist der von der Trans-Lobby erfolgreich geforderte „Abbau von Diskriminierung“. Statt „Geschlechtsidentitätsstörung“ lautet nun „Geschlechtsdysphorie“ oder „Geschlechtsinkongruenz“ der medizinisch korrekte Begriff. So verbaut nun diese in die ICD-11-Klassifizierung übernommene „Entpathologisierung“ den psychotherapeutischen Ansatz. Dem entgegnet die DGPPN:

Der hier gewählte Ansatz, die Notwendigkeit einer Entpathologisierung mit der Würde der Betroffenen und dem Wunsch nach Abbau von Diskriminierungen zu begründen, erscheint im Kontext einer wissenschaftsbasierten medizinischen Leitlinie fragwürdig und befremdlich. Dies könnte nämlich so verstanden werden, als würde die Diagnose einer psychischen Störung für sich genommen Menschen in Ihrer Würde verletzen und eine ungerechtfertigte Diskriminierung bedeuten.

Auch sei es in der Medizin „durchaus ein Standardverfahren“, dass „vor Durchführung bestimmter Maßnahmen andere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen vorausgesetzt werden“, mahnt die DGPPN mit Blick auf die von der Leitlinie vertretene Auffassung, eine Verpflichtung zu Psychotherapie als Bedingung für den Zugang zu medizinischer Behandlung sei „aus Gründen des Respekts vor der Würde und Selbstbestimmung der Person ethisch nicht gerechtfertigt“.

Deutschlands gefährlicher Sonderweg

Die DGPPN und viele weitere Ärzte und Psychiater, die sich in Deutschland gegen die Leitlinie und ihre Autoren stellen, befinden sich damit international gesehen in guter Gesellschaft, denn bereits vor dem strikten Anti-Woke-Kurs der USA sind viele Länder wie etwa Großbritannien, Schweden und Schottland von den trans-affirmativen Behandlungsmethoden wieder abgerückt. Viele Länder haben Pubertätsblocker und Hormone für minderjährige Betroffene verboten und empfehlen Psychotherapie. Nur Deutschland geht nun einen gefährlichen Sonderweg. Ärzte, die sich an die nun gültige Leitlinie halten, werden vielen betroffenen Kindern und Jugendlichen irreversible Schäden zufügen.