Neue Leitlinie für Trans-Kinder: Meinung statt Wissenschaft

Pubertätsblocker, Hormone und Brustamputationen; Selbstbestimmung der Patienten statt ärztliche Diagnose; keine Psychotherapie – das sollen die Kernpunkte der neuen Behandlungsleitlinie für den Umgang mit minderjährigen Trans-Patienten sein. Vergangene Woche hat die Leitlinienkommission ihren Entwurf der Presse vorgestellt.

Bisher gab es lediglich Leitlinienempfehlungen für erwachsene Trans-Patienten. An den ebenfalls unverbindlichen Orientierungshilfen für den Umgang mit minderjährigen Trans-Patienten hatte die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) sieben Jahre lang geschrieben. Sie richten sich an Ärzte und Therapeuten im deutschsprachigen Raum. Insgesamt 27 medizinische Fachgesellschaften, darunter zwei Trans-Verbände, sind an dem 320 Seiten langen Entwurf beteiligt.

Einer der Autoren ist die Schweizer Kinderpsychiaterin Dagmar Pauli. Sie sagte der Welt, die Leitlinienkommission habe sich an den „internationalen Leitlinien“ der Transgender-Organisation „WPATH“ orientiert. Die World Professional Association for Transgender Health (WPATH) ist jedoch vor kurzem massiv in die Kritik geraten. An die amerikanische Presse durchgestochene Gesprächsmitschnitte von WPATH-Ärzten haben einen radikal trans-affirmativen und menschenverachtenden Umgang mit minderjährigen Trans-Patienten offenbart.

Selbstdiagnosen sollen ärztliche Diagnose ersetzen

Die neuen deutschen Leitlinien sind ebenfalls stark trans-affirmativ ausgerichtet. Schon vor ihrer Veröffentlichung standen sie wegen des fehlenden Nachweises über den Nutzen und die Wirksamkeit von Pubertätsblockern und Hormonen unter Beschuss. Das WPATH-Leak dürfte die Vorbehalte gegenüber der vorgestellten Leitlinie noch verstärken. Sie basiert nicht auf wissenschaftlichen Fakten, sondern gibt nur die Meinung der Leitlinienkommission wieder. Entsprechend wurde der Status der Leitlinie auch offiziell herabgestuft.

Die Trans-Ideologie wird schon im Vorwort deutlich: „Die geschlechtliche Identität einer Person ist höchstpersönlicher Natur“, heißt es dort. Die „Förderung der Selbstbestimmung“ sei ein wesentliches Anliegen der Behandlung. Die Selbstwahrnehmung der minderjährigen Patienten soll also die ärztliche Diagnose ersetzen. Kinder und Jugendliche, die sich als trans identifizieren, sollen selbst vorgeben, ob sie ihre Körper teilweise irreversiblen medizinischen Behandlungen unterziehen.

Die neue Leitlinie nennt konkrete Empfehlungen für den Einsatz von gegengeschlechtlichen Hormonen und Transgender-Operationen bei Minderjährigen. Zum Beispiel die Entfernung der sich entwickelnden Brust bei Mädchen. Pubertätsblocker sollen schon ab einer frühen Phase der Geschlechtsentwicklung verschrieben werden.

Konsens statt Evidenz

Eine Psychotherapie wird als Behandlungsmethode nicht empfohlen. Da es sich bei „Geschlechtsinkongruenz“ um „keine psychische Erkrankung“ handle, müsse man die betroffenen Kinder und Jugendlichen in ihrer „geschlechtlichen Identität“ bestärken, findet die Mit-Autorin und Diplom-Psychologin Sabine Maur. Jedoch können, so Maur, psychiatrische Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Autismus auftreten, die psychotherapeutisch behandelt werden könnten.

Viele Ärzte beobachten allerdings genau den umgekehrten Sachverhalt: Die Identitätskrise und Selbstwahrnehmung, im „falschen Geschlecht“ geboren zu sein, lasse sich eher als Begleit- oder Folgeerkrankung anderer psychischer Erkrankungen verstehen. Dafür spricht, dass etwa drei Viertel der jungen Patienten bereits in psychiatrischer Behandlung waren und ihre Transgender-Selbstwahrnehmung erst unvermittelt während der Pubertät auftritt.

Hier zeigt sich deutlich, dass es den Autoren der Leitlinie weniger um medizinische Evidenz als vielmehr darum geht, einen Konsens zu dem Thema zu finden, der allerdings nicht zwingend auf Fakten beruhen muss. Denn anstatt kritische Studien und Untersuchungen einzubeziehen oder zumindest wahrzunehmen, fährt die Kommission einen ideologischen Kurs, der dem der WPATH in nichts nachsteht. Zum Beispiel bleibt folgende Frage unbeantwortet: Wie können pubertierende Kinder ein Verständnis für die unerforschten und meist irreversiblen Eingriffe entwickeln, so dass sie diesen Eingriffen informiert zustimmen können. Ärzte aus dem WPATH-Umfled gaben in internen Unterhaltungen zu, dass solche Aufklärungsgespräche einem „Gespräch mit einer Wand“ glichen.

Potenzial „für einen der größten Medizinskandale der heutigen Zeit“

Zu den schärfsten Kritikern der neuen Leitlinien gehört Professor Florian Zepf, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Jena. Er hat die Leitlinienkommission Ende des Jahres 2022 aufgrund berufsethischer Bedenken verlassen. Seine Begründung: Ob die Behandlung biologisch gesunder Minderjähriger mit Pubertätsblockern oder Hormonen diesen Betroffenen wirklich nützt, ist medizinisch nicht nachgewiesen.

Dennoch empfehlen die Leitlinien Pubertätsblocker oder gegengeschlechtliche Hormone bei Minderjährigen, was fachlich nicht angebracht sei, so Zepf gegenüber Welt. Vor wenigen Wochen noch rechtzeitig vor der Präsentation des Entwurfs hatte Zepf in einer Übersichtsarbeit den fehlenden medizinischen Nachweis über den Nutzen von Pubertätsblockern und Hormongaben bei Minderjährigen mit Geschlechtsdysphorie detailliert dargestellt. In den Leitlinien wird diese aktuelle Forschung ignoriert. Umso abwegiger sei es, Minderjährigen die Entscheidung dann auch noch komplett allein zu überlassen:

Wie können alle Minderjährigen mit Geschlechtsdysphorie ihr informiertes Einverständnis zu einem körperlichen Eingriff oder zu einer nicht mehr vollständig umkehrbaren medizinischen Intervention wie der Pubertätsblockade oder der Hormongabe geben, wenn nicht einmal sicher feststeht, dass ihr dringlicher Wunsch einer Verbesserung der Geschlechtsdysphorie oder der psychischen Gesundheit sicher eintritt?

Prof. Dr. Florian Zepf

„Minderjährige haben neben dem Recht auf freie Entfaltung auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit“, macht Zepf deutlich und verweist auf das oberste ärztliche Gebot, nicht zu schaden. Ein Arzt dürfe nicht automatisch jeder Einschätzung hilfesuchender junger Menschen vorbehaltlos zustimmen. Vor allem nicht, wenn diese sich in individuellen Belastungssituationen und Lebenskrisen befinden oder psychische Diagnosen haben können. Einschätzungen, Erklärungsmodelle und Diagnosen müssten auch „hinsichtlich ihrer jeweiligen Entstehung und Entwicklungssituation“ hinterfragt werden: „Ziel ist die bestmögliche Entlastung der Betroffenen und ihre Versorgung. Das muss auch für ein Phänomen wie die Geschlechtsdysphorie bei Minderjährigen gelten.“

Anstatt solch eine kritische Abwägung im Einzelfall zu empfehlen, würden die Leitlinien immer gleiche Lösungsschritte nahelegen, warnt auch Tobias Banaschewski, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Mannheim. „Wir sprechen hier nicht über Erwachsene, die selbst entscheiden können, ob sie sich operieren lassen wollen, sondern über Kinder und Jugendliche, deren Körper sich noch in der Entwicklung befindet“, betont Banaschewski. Da Jugendlichen die Konsequenzen einer „Transition“ wie etwa der Verlust sexueller Funktionen und Unfruchtbarkeit meist nicht klar sei, hätten die Eingriffe das Potenzial „für einen der größten Medizinskandale der heutigen Zeit.“