Im Gendergarten maingestreamt

Foto: pawpaw67 / flickr.com / CC BY-SA 2.0

Wer in diesen Tagen auf der Internetseite des Deutschen Caritasverbandes nach einer Besprechung zum Buch »Gender Mainstreaming im Kindergarten« sucht, erlebt eine Enttäuschung: »Leider konnten wir die von Ihnen angeforderte Seite nicht finden«, heißt es dort entschuldigend. »Aber sicher haben wir Inhalte, die zu Ihrer Anfrage passen«.

von Dr. Georg Alfes

Wer in diesen Tagen auf der Internetseite des Deutschen Caritasverbandes nach einer Besprechung zum Buch »Gender Mainstreaming im Kindergarten« sucht, erlebt eine Enttäuschung: »Leider konnten wir die von Ihnen angeforderte Seite nicht finden«, heißt es dort entschuldigend. »Aber sicher haben wir Inhalte, die zu Ihrer Anfrage passen«.

Ganz gewiss sogar. Denn wer GM nur für das Kürzel eines Konzerns aus Detroit hält, der den Leuten altbackene Autos aufschwatzt, unterliegt einer folgenreichen Illusion: Die Ideologie des Gender Mainstreamings hat nämlich längst das Biotop grün-roter Blütenträume verlassen und die oft zitierte Mitte der Gesellschaft erreicht. Mag sein, dass die Caritas noch einmal einen Rückzieher macht, nachdem Papst Franziskus das Geschlechterhauptströmende kürzlich mit auf seine Liste des Dämonischen gesetzt hat. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass längst nicht nur baden-württembergische Bildungsplaner in den Bann der Genderlehre geraten sind. Da ist zunächst einmal, wie könnte es anders sein, die EU: »Bei allen ihren Tätigkeiten wirkt die Union darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern«, heißt es in Artikel 8 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Und damit wird fast wörtlich jene Definition übernommen, mit der sich Gender Mainstreaming selbst der Öffentlichkeit verkauft.

Auch das deutsche Familienministerium, damals noch unionsgeführt, hat sich die Idee schon vor Jahren zu eigen gemacht: »Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt«, lässt die Behörde wissen.

Letzteres ist zwar Unfug, gehört aber zu den Kerngedanken der GM-Ideologie und darf insofern als Behauptung nie fehlen. Andere Thesen aus dem eigenen Argumentationsarsenal erscheinen dagegen offenbar selbst den Genderistas als derart erfahrungswidrig, dass sie sich mit ihnen nur ungern unter die Leute trauen.

Sex sells – Gender doesn’t

Hierzu gehört auch die für das Mainstreaming konstitutive Unterscheidung zwischen »Sex« und »Gender«. »Sex« wird dabei als das bloß biologische Geschlecht abgetan. »Gender« dagegen bezeichnet die Vorstellung einer rein sozialen Geschlechterkonstruktion, nach der Weiblichkeit und Männlichkeit nichts Natürliches, nichts jeder Person jeweils Immanentes sind, sondern vielmehr eine kollektive Illusion, die die Menschen einander einreden. Doch da ausweislich der alltäglichen Erfahrung bereits Dreijährige um die Tatsache wissen, dass sie als Mädchen oder als Junge auf die Welt gekommen sind, bemüht sich GM um das Image einer harmlosen Initiative für mehr Chancengerechtigkeit. Und das mit großem Erfolg – denn das Gender Mainstreaming begleitet uns inzwischen vom Krabbelalter an.

Als Beispiel mag aus konkretem Anlass ein weiteres Mal Baden-Württemberg herhalten, obwohl sich das Problem nicht auf ein einzelnes Land beschränkt. Der Südweststaat hat bereits im Jahre 2010, also noch vor dem Wechsel zu Grün-Rot, ein achtzigseitiges Pamphlet zu GM in der Kindertagesstätte veröffentlicht. Und aus diesem schimmert doch eine Menge davon durch, wohin die Reise gehen soll. Geschenkt, dass in dem Text des Pädagogen Gunter Neubauer auch ab und an mal ein vernünftiger Ansatz aufscheint und dass man aus dem Kreis der Mainstreamer schon härteren Stoff gelesen hat. Doch gerade deshalb ist das Papier problematisch, insofern das GM-Konzept auf den ersten Blick eher harmlos wirkt. Neubauer präsentiert zunächst die Behauptung, dass das Gender Mainstreaming auch im Kindergarten lediglich darauf abziele, bei »allen Vorgängen, Maßnahmen und Projekten>« mögliche Auswirkungen auf »Mädchen und Jungen von vornherein« zu berücksichtigen »und bestehende Benachteiligungen zu beseitigen«. Und da kann ja eigentlich keiner dagegen sein.

Früh übt sich, wer ein Two-Spirit werden will

Ein paar Seiten später wird allerdings zögernd eingeräumt, dass es »mehr um die Vielfalt denn um eine Unterschiedlichkeit« der Geschlechter geht. Deshalb will man sich denn auch bemühen, »geschlechertypischen Unterschieden entgegenzuwirken«. Doch leider gestaltet sich das ein wenig schwierig: Kleine Kinder hätten nämlich gar kein Interesse an »Geschlechtlichkeit, Sexualität, moderner Vielfalt von Geschlechterrollen, Geschlechtsidentitäten und Familienformen«, beklagt die Studie. Sexualität werde »allenfalls im Blick auf Fortpflanzung, Schwangerschaft und Geburt zum Thema« in der Kindertagesstätte. Der »Aspekt der erotisch-sexuellen Interaktion der Geschlechter« werde »dagegen meistens vernachlässigt«. Irgendwie scheinen Dreijährige nicht recht zu kapieren, dass »Geschlechtlichkeit« als »individuelle, gesellschaftlich gerahmte Entwicklungs- und Gestaltungsaufgabe aufzufassen« ist.

Vielmehr verharrt der Nachwuchs in geradezu reaktionären Verhaltensmustern: Erzieherinnen erschrecken »über eine robuste Gleichaltrigendynamik vor allem unter Jungen«, bedient der Autor das Klischee von der tantigen Kindergärtnerin. Mädchen dagegen verstören vor allem durch die tussige Art, wie sie sich »mit den allgegenwärtigen Themen Status, Hierarchie, Macht und Dominanz«auseinandersetzen – oder eben auch nicht.

Letztlich liegt das vermutlich am Versagen der Mütter und Väter, die Gunter Neubauer »Personen mit Elternfunktion« nennt. Deshalb muss ihnen der Staat denn auch eine »Erziehungspartnerschaft« aufdrängen, und im ersten Moment ist man versucht, die Anmaßung zu überlesen, die diesem Gedanken zugrundeliegt. Doch im weiteren Verlauf wird klar, worum es dabei geht: Die Behörden bringen den Elternfunktionären bei, »dass gerade auch in Geschlechterfragen Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte gelten«, die mit Toleranz »für die moderne Vielfalt von Geschlechterrollen, Geschlechtsidentitäten und Familienformen« einherzugehen haben.

Es spricht für ein Restmaß an Realitätssinn, dass die Studie Widerstand der solcherart Belehrten durchaus einkalkuliert. Doch beim Gender Mainstreaming gehe es ja »überhaupt nicht« darum, »biologische Dispositionen völlig zu ignorieren«, beruhigt das Papier. Und mit ansteigender Lernkurve werde sicher auch dem Letzten deutlich, dass Biologie am Ende eh nur das ist, »was man dafür hält«. Wenn sich die Leute auf die bunte Genderwelt erst einmal eingelassen hätten, dann würden sie schon begreifen, »dass Mädchen und Jungen« nicht als »programmierte Geschlechtsmaschinen« zu sehen sind. Ihre diesbezügliche »Entwicklungsoffenheit« sei »jedenfalls größer als gedacht«, hält das Kultusministerium Überraschungsmomente für möglich. Nun ja, »Geschlechtsidentitäten« sind halt »äußerst wandelbar«, und man weiß nie, als was man des Morgens aufwacht.

Dass er da wohl einer Scharlatanerie auf den Leim gegangen ist, scheint inzwischen auch dem eher bodenständigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu dämmern. Er sei nur insofern »für Gender Mainstreaming« als er »für die Gleichberechtigung von Mann und Frau« eintrete, ließ der Regierungschef kürzlich besorgte Eltern wissen. Zugleich teile er »aber nicht dahinter stehende Gender-Theorien, die ein anderes Menschenbild« propagierten.

Leider konnten wir die von Ihnen angeforderte Seite nicht finden«, mag es demzufolge bald auf der Homepage der Landesregierung heißen, wenn man den Neubauer-Text sucht. »Aber sicher haben wir Inhalte, die zu Ihrer Anfrage passen«.