Der neue französische Netflix-Film „Cuties“ („Die Süßen“) fördert die Sexualisierung von Kindern, verharmlost Kinderpornographie und bereitet einen Nährboden für pädosexuelle Handlungen. Jetzt fordern Petitionen die Löschung und Politiker juristische Ermittlungen.
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Der Skandal begann Anfang September, als die Streaming-Plattform Netflix ein kinderpornographisches Poster ihres neuen Films „Cuties“ veröffentlichte. Nach dem ersten „Shitstorm“ im Netz tauschte Netflix das Poster zwar schnell aus, der eigentliche Skandal um „Cuties“ war damit aber noch lange nicht aus der Welt, denn der geht weit über das Plakat hinaus.
Muslimische Familie vs. sexualisierte Mädchenclique
Die Hauptfigur des Films ist das 11-jährige Mädchen Amy, die mit ihrer muslimischen Familie aus dem Senegal in Paris lebt. Zu Beginn des Films kehrt der Vater in seine Heimat zurück, um dort seine zukünftige Zweitfrau für die Hochzeit in Paris zu holen. In ihrer Schule schließt sich Amy einer Mädchenclique an, die sich die „Cuties“ nennen. Die Mädchen reden über Sex, tragen Mini-Röcke, schauen Porno-Filme und veröffentlichen aufreizende Selfies im Internet. Und: Die „Cuties“ proben für einen Tanzwettbewerb und tanzen dabei in eindeutigen Sexposen wie Stripperinnen. Am Tag der Hochzeit von Amys Vater findet das letzte Vortanzen statt.
Genau diesen offensichtlichen Kontrast zwischen der strengen muslimischen Migrantenfamilie und dem übersexualisierten und hedonistischen Lebensstil des Westens wollte die Regisseurin Maïmouna Doucouré nach eigener Aussage mit „Cuties“ darstellen und eine kritische Debatte anregen. Dieser Versuch ist jedoch gescheitert, auch wenn Amy am Ende des Films eine Art Mittelweg einschlägt. Denn die viel zu explizite und schamlose Darstellung der Sexualisierung der minderjährigen Mädchen bewirkt eher das Gegenteil:
Sexualisierung wird nicht kritisiert, sondern beworben
Minutenlang zeigt der Film die Mädchen in enger und knapper Kleidung bei Tänzen, die vollständig aus eindeutig sexuellen Bewegungen, Gesten und Mimik bestehen. Amy versucht ihren erwachsenen Cousin sexuell zu verführen und schaut in der Moschee Tanz-Videos mit lesbisch konnotierten Bewegungen auf ihrem Smartphone.
Der Publizist Rod Dreher kommentiert dieses Paradoxon: „Das Problem mit den Cuties – und das ist es, was den Film zerstört – ist ästhetischer und letztlich moralischer Natur: Er zeigt mit großer Leidenschaft genau das, was er angeblich verurteilen will.“ Der Jugendforscher Martin Voigt bestätigt diese Einschätzung: „Die Cuties bestätigen die Lebenswelt des Netflix-Publikums anstatt diese in Frage zu stellen. Eine Debatte über die Ursachen und Mechanismen von Sexualisierung kann so nicht gelingen.“
Misshandlung der Schauspielerinnen
Es erscheint ohnehin sehr unglaubwürdig, die Sexualisierung von Minderjährigen kritisieren zu wollen, diese aber zugleich von minderjährigen Schauspielerinnen darstellen zu lassen. „Nur, damit sie ihre Rollen spielen, mussten sie sich ihre Unschuld von der Filmemacherin nehmen lassen“, sagt Dreher.
Noch deutlicher wird Joseph Grabowski von der „International Organization for the Family“: „Die Darstellung eines kleinen Mädchens, das vor den starren Blicken zweier erwachsener Männer ‚twerkt‘, ist nicht nur beleidigend und unangemessen – wir müssen es klar aussprechen – es ist Kindesmisshandlung“. Mehrere Politiker in den USA teilen diese Einschätzung und riefen daher das Justizministerium dazu auf, rechtliche Schritte gegen „Cuties“ einzuleiten.
Warnung vor pädophilen Inhalten
Aber das Problem geht darüber hinaus: Die sexualisierte Darstellung von Minderjährigen leistet pädosexuellen Handlungen Vorschub. Die Plattform „Parents Television Council“ erklärt: „Obwohl die Gefahr besteht, dass kleine Mädchen von diesem Film angezogen werden – das weitaus größere Risiko ist die Art und Weise, wie dieser Film die Sexualisierung kleiner Mädchen normalisiert.“ Die feministische Soziologin Gail Dines attestiert dem Film, „die Pornographisierung von Mädchen weiter zu normalisieren“.
Die „Internet Movie Database“ (IMDb) hatte in ihrem Profil von „Cuties“ zunächst deutlich vor mehreren Szenen gewarnt: „Dies wird gesetzlich als Pädophilie definiert und kann für viele Zuschauer äußerst erschreckend sein.“ Kurz darauf strich die IMDb jedoch jegliche Warnung vor dem Film. Dabei wäre sie mehr als nötig gewesen: Bereits jetzt „inspirierte“ der Film Pädosexuelle zu kinderpornographischen Filmen auf der Plattform Pornhub.
Hunderttausende für die Löschung von „Cuties“
Die internationale Protestwelle gegen „Cuties“ ist riesig: Mehrere Online-Petitionen fordern Netflix-CEO Reed Hastings auf, „Cuties“ aus dem Streaming-Dienst zu löschen. So unterschrieben bei CitizenGO bisher über 244.000 und bei change.org über 413.000 bzw. 658.000 Menschen. Auf Twitter lag der Hashtag #CancelNetflix in den Trends. Am 12. September stieg die Kündigungsrate von Netflix-Abonnements um das fast Achtfache im Vergleich zu den Tagesniveaus des vorherigen Monats und erreichte damit einen mehrjährigen Höchststand. Daraufhin sank sogar Netflix‘ Aktienkurs zwischenzeitlich.
Diese Aufmerksamkeit hat zwar eine Schattenseite: In mindestens 17 Ländern gehört „Cuties“ zu den derzeit am meisten gesehenen zehn Netflix-Filmen und ist bereits die zweiterfolgreichste Netflix-Originalproduktion. Allerdings scheint es nur durch großen öffentlichen Druck möglich zu sein, Netflix dazu bewegen, „Cuties“ aus ihrem Programm zu entfernen. Dieser Druck steigt mit jeder einzelnen Abo-Kündigung als Zeichen gegen die Sexualisierung von Kindern.