Die GEZ-Sender sind angezählt. Der schon jetzt legendäre Gastbeitrag mit dem ursprünglichen Titel „Wie ARD und ZDF Kinder sexualisieren und umerziehen“ vom 1. Juni in der Welt hat eine Kettenreaktion ausgelöst und die Mechanismen der Cancel Culture ausgehebelt.
Wer dachte, die gewagte Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei nun die letzte öffentliche Meinungsäußerung des Kinder- und Jugendpsychiaters Alexander Korte gewesen, der irrte sich. Der Oberarzt, der als mahnende Stimme angesichts steigender Behandlungszahlen von Mädchen mit Transgender-Selbstdiagnose bekannt geworden war, ist alles andere als mundtot. Am 14. Juni folgte schon das nächste Interview, und zwar in der Zeit unter dem Titel: „Die Risiken einer Transition werden systematisch ignoriert.“
Korte nutze gleich die erste Frage, ob ihn die „breite Empörung“ über seinen Artikel überrascht habe, um auf die Diskrepanz zwischen publizierter und öffentlicher Meinung hinzuweisen. So sei die Reaktion vieler Medien zwar kritisch gewesen, doch persönlich habe er sich vor Zuspruch kaum retten können, und die Liste der Unterstützer würde immer länger. Der in den Medien stets bemühten Erzählung von der „hasserfüllten und LGBTI-feindlichen Gesellschaft“ stellte er seine Erfahrungen als behandelnder Arzt mit dem Transgender-Hype gegenüber: Die Jugendlichen in den Klinik berichteten nämlich vielmehr davon, dass sie als Trans-Person Anerkennung bekommen. Korte zitiert, was ihm aus erster Hand geschildert wird: „Früher war ich ein Außenseiter, jetzt wollen viele mit mir befreundet sein.“
Es geht um Macht, nicht um Argumente
Doch nicht nur der Promi unter den fünf Autoren des Gastbeitrags durfte sich noch einmal äußern. Denn diesmal ist etwas anders im Land der hermetisch abgeriegelten Diskurse. Eigentlich hätte die blasierte Wortmeldung des schwulen Queerbeauftragten Sven Lehmann (Grüne), der den Gastbeitrag stellvertretend für die gekränkte LGBTQ-Gemeinschaft und als Repräsentant des Staates einkassieren wollte, der Schlusspunkt hinter der Debatte sein müssen. Der Titel „Homo- und Transfeindlichkeit ist keine Meinung – sondern Menschenfeindlichkeit“ seiner am 7. Juni in der Welt erschienen Erwiderung sagte bereits alles – die Botschaft so unmissverständlich wie der gesenkte Daumen eines Imperators: Es geht um Macht, nicht um Argumente.
Zuvor hatte sich noch Springer-Chef Mathias Döpfner larmoyant entschuldigt: „Unser Haus steht für Vielfalt und Freiheit“ (3. Juni, Welt). Der Beitrag sei „unterirdisch und wissenschaftlich bestenfalls grob einseitig“, fiel der gelernte Journalist den fünf Wissenschaftlern in den Rücken, und fuhr fort: „Für alle, die sich der LGBTIAQ*-Community zugehörig fühlen, ist er eine Verletzung und Zumutung,“ Döpfner ließ keinen Zweifel daran aufkommen, wer im Hause Springer der Herr und wer Lakai ist.
Das ließ nichts Gutes ahnen für das akademisch versierte Quintett und alle, die ihren Aufruf unterzeichnet hatten. Nichts weiter als ein bewundernswerter, tollkühner Versuch, den steuergeldfinanzierten politisch-medialen Komplex bei voller Fahrt in Richtung Selbstbestimmungsgesetz doch noch irgendwie auszubremsen. Nur ein Zufallstreffer also. Der Machtapparat würde sich kurz schütteln unterm Deckmantel der Toleranz – und weiter ginge es in vielfältiger Einfalt.
Der Kaiser ist nackt!
Wer jedoch erwartet hatte, das Fallbeil der queeren Inquisition würde auf die Fünfe niedersausen, rieb sich verwundert die Augen, denn Lehmann behielt nicht das letzte Wort. Einen Tag nach dem Interview mit Korte erschien in der Welt unter dem Titel „Warum der gegen uns gerichtete Vorwurf der „Hetze“ unbegründet ist“ eine ausgefeilte Antwort des Politologen Uwe Steinhoff, der u.a. als Hauptverfasser des Gastbeitrags gilt und, eine Professur an der Universität in Hongkong innehat.
Steinhoffs Antwort, die nichts weniger beinhaltet als die beinahe schon genüssliche Feststellung „Der Kaiser ist nackt!“, dürfte die gesamte Queer-Lobby massiv vor den Kopf gestoßen haben und zugleich Döpfner als Karikatur eines Haltungsjournalisten dastehen lassen. Er führte die abgehobene Gender-Debatte um das gefühlte „dritte Geschlecht“ als eine „juristische Fiktion“ ad absurdum und warf Lehmann vor, er habe seine „abstrusen Vorstellungen“ nicht der biologischen Primärliteratur, sondern offenbar dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk entnommen.
Viel Aufregung um ein Exotenthema könnte man meinen. Doch der zentrale Gegenstand des Schlagabtauschs sind tausende psychisch verunsicherte Mädchen, die beeinflusst vom Transgender-Hype bei Ärzten wie Korte vorstellig werden, um ihre Geschlechtsumwandlung in die Wege zu leiten. Die fünf Autoren hatten in ihrem Gastbeitrag der Politik eine absichtliche Verschärfung dieses Trends vorgeworfen. So sollen künftig mit dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz 14-Jährige gegen den Willen ihrer Eltern über eine hormonelle und operative Anpassung selbst entscheiden können.
Missachtung des Jugend- und des Frauenwohls
Lehmann hingegen betont, sobald ihm ein Mikrofon unter die Nase gehalten wird, das neue Gesetz regele nur den amtlichen Geschlechtseintrag und keine medizinischen Fragen. In der Funktion eines Statthalters, der sämtliche Mainstream-Medien hinter sich weiß, behauptete er auch in seinem Welt-Beitrag: „Nein, das ist nicht geplant. Das war es auch nie.“
Angesichts dieser „Verlogenheit“ rät Steinhoff allen Eltern, die bisherigen Entwürfe zum Selbstbestimmungsgesetz von Grünen und FDP selbst zu prüfen. In Rahmen des Artikels zitiert Steinhoff aus einem Gesetzentwurf der Grünen aus dem Jahr 2020 zu den genitalverändernden chirurgischen Eingriffen: „Verweigern die sorgeberechtigten Personen [ihre] Einwilligung, so ersetzt das Familiengericht die Einwilligung …“ Für die Hormonbehandlung wiederum wird weder die Einwilligung der Eltern noch die des Familiengerichts verlangt, wie der Entwurf unter „Zusatz 3“ ausdrücklich feststellt.
Steinhoff verwies zudem auf die durch männliche Trans-Personen gefährdeten Schutzräume für Frauen und auf die Farce, wenn der Frauensport durch Transgender-Athleten unterlaufen wird, um abschließend noch einmal auf die Gefahren für die Kinder zu sprechen zu kommen. An dutzenden Belegen aus dem Programm des ÖRR zeige sich ein Unwillen, Sexualaufklärung altersangemessen zu gestalten. „Erwachsene können einvernehmlich miteinander tun, was sie wollen“, schreibt Steinhoff, „aber nicht jedes erwachsene Verhalten muss Kindern und Heranwachsenden, auch nicht durch Medien vermittelt, penetrant und permanent zur Schau gestellt werden.“ Wenn Lehmann dies anders sehe, respektiere er das Jugendwohl offenbar so wenig wie das von Frauen.
Der Politologe schließt mit einer Bemerkung, die klar auf die GEZ-Sender abzielt: „Unser Aufruf fordert, Wissenschaft vor Ideologie und Gemeinwohl vor Partialinteressen zu stellen. Lehmann kommt dieser Aufforderung so wenig nach wie der ÖRR. Zumindest aber, so unsere Hoffnung, ist Letzterer reformfähig.“
„Inhaltslose Propaganda einer woken Minderheit“
Was nun folgen muss, ist eine Verschiebung der Debatte aus dem Blätterwald in die Gerichte, um beim ÖRR eine Rückbesinnung auf den Jugendschutz zu erwirken. Manch einer warf sich selbst mit Haut und Haar in die Waagschale, um den Ball in der Luft zu halten, und der schweigenden Mehrheit klar zu machen, was hinter den Kulissen der Macht abläuft:
So hat die Bild-Redakteurin und Bestsellerautorin Judith Sevinç Basad dem Axel Springer Verlag gekündigt. In einem offenen Brief an Döpfner erläuterte sie ihre Beweggründe. Sie habe einen Artikel zum Welt-Gastbeitrag beisteuern wollen, dieser sei aber „verhindert“ worden.
„Mir wurde gesagt, dass ich den Wissenschaftler-Aufruf kritisieren sollte, ansonsten würde der Artikel nicht erscheinen“, schrieb Basad in ihrem Brief. „De facto wurde von mir verlangt, dass ich genau das negativ darstelle, für was ich seit Jahren mit vollem Idealismus kämpfe: vor den Gefahren des woken Aktivismus zu warnen.“ Sie habe das Gefühl, sie könne nicht mehr über die Gefahren berichten, die von dieser gesellschaftlichen Bewegung ausgehen – gemeint sind unter anderem die fragwürdigen Geschlechtsoperationen und Hormonbehandlungen an zahllosen jungen Mädchen.
„Keine Thematik hat mich als Journalistin so sehr um den Verstand gebracht, wie der Aktivismus einer kleinen Minderheit, die offiziell behauptet, für Diversität zu stehen, aber eine im Kern radikale Ideologie verfolgt“, begründete Basad ihre Entscheidung. Der Verlag, der sonst bei den „übelsten Diktatoren der Welt“ kein Blatt vor den Mund nehme, lasse sich nun „von der inhaltslosen Propaganda einer woken Minderheit in die Knie zwingen“ und verhöhne dabei noch die eigenen Journalisten als Menschenfeinde, wenn sie gegen dieses „bizarre Schauspiel“ aufbegehrten. Die Kolumnistin spielte damit auf eine interne Redaktionsrunde an, in der ihr ehemaliger Arbeitgeber in Person von Mathias Döpfner eine klare Positionsbestimmung für den gesamten Verlag ausgegeben haben soll:
„Einige Tage nach Ihrem Brief führten Sie [Döpfner] mit uns eine emotionale Debatte, die inzwischen auch öffentlich geführt wurde, und deswegen auch die Redaktionen erreicht hatte. Dort verteidigten Sie nochmals die Inhalte Ihres Briefes, wiederholten mit Nachdruck Ihre Kritik an dem Kommentar. In diesem Zusammenhang sprachen Sie über die moralische Pflicht einer Redaktion, nicht jede Behauptung in einer Zeitung abzubilden, nur weil sie den Eindruck von Wissenschaftlichkeit erweckt. Als Beispiel nannten Sie Studien von Holocaustleugnern.
Ich weiß nicht genau, in welche Richtung Axel Springer gerade steuert, welche neuen Ideale von ‚Vielfalt und Freiheit‘ in der Unternehmenskultur zukünftig etabliert werden sollen. Wer aber solche Vergleiche zu Holocaustleugnern zieht, ist nicht weit davon entfernt, den Holocaust selbst zu relativieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das tatsächlich Ihre Interpretation einer vielfältigen und freiheitlichen Firmenkultur sein soll.“
Basad, die schon als Studentin zu totalitären Tendenzen in der queerfeministischen Bewegung geforscht hatte, wirft Döpfner außerdem vor, er richte die Politik seines Medienkonzerns nach den Vorgaben des amerikanischen Investors KKR aus, was eindeutig zu Lasten der publizistischen Freiheit gehe. Um die viel beschworene Vielfalt und Freiheit im Hause Springer sei es schlecht bestellt, wenn diese nämlich daraus bestünden, „einen Gastkommentar kontextlos in die rechte Ecke zu stellen.“ Dann gehe es wohl eher darum, „die woken US-Redaktionen des Unternehmens Axel Springer nicht zu verärgern“, resümiert Basad. Das habe nichts mehr mit ‚Vielfalt und Freiheit‘ zu tun, sondern mit „Gleichschaltung und Unterwerfung.“
Basad hatte ihren offenen Brief an Döpfner auf ihrem Twitter-Konto geteilt und so im wichtigsten Resonanzraum des Establishments für ordentlich Wirbel gesorgt. War es das nun?
Risse im Deckmantel der Toleranz
Korte, Steinhoff und Basad, um nur drei Namen zu nennen, haben Steine in den bunten Sumpf geworfen. Im aufgewühlten Schlamm ist der Schulterschluss einer ominösen US-Investorengilde mit der totalitären Queer-Lobby deutlich zu erkennen, sowie ihre tiefe ideologische und finanzielle Verwurzelung in Politik und Medien. Bleibt der Skandal die Anekdote zu einem denkwürdigen Pride Month oder wird er zum Wendepunkt? Dass der Gastbeitrag und der damit verbundene Aufruf „Schluss mit der Falschberichterstattung des ÖRR“ so weite Kreise zieht, hätte niemand für möglich gehalten, doch was bleibt, wenn sich in der politischen Sommerpause die Wogen wieder glätten?
Einen Hinweis darauf, dass im ÖRR nun nicht mehr alles einfach seinen gewohnten Gang gehen wird, geben die polizeilichen Ermittlungen im Zuge des von Steinhoff und Co kritisierten Jugendportals funk. Gegenstand der Ermittlung ist der funk-Beitrag „Chemsex – warum einige Schwule auf Drogen Sex haben.“
Ganz so unbeobachtet werden sich die queeren Redakteure nicht mehr fühlen unter ihrem Deckmantel der Toleranz, wenn sie bei Kindern und Jugendlichen für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt werben und ihr junges Publikum an den Porno- und Drogenkonsum heranführen. Denn fundierte Kritik kommt inzwischen vermehrt auch von linker Seite: Die Mitinitiatoren des Aufrufs Eva Engelken (Grüne) und Marie-Luise Vollbrecht legten noch einmal in eigenen Beiträgen nach, der ehemalige Finanzminister von Mecklenburg-Vorpommern Mathias Brodkorb (SPD) verteidigte sie. Das allein lässt sich schon als Erfolg verbuchen!
Selbst wenn die Medien das Sprachrohr der Macht bleiben und nicht in ihre ursprüngliche Rolle der vierten Gewalt zurückfinden, ist ihr journalistischer Bankrott nun kein Geunke aus rechten Kreisen mehr – sondern ein Faktum in der öffentlich Wahrnehmung!