Stellen Sie sich vor, ein Patient bringt seinen Psychiater dazu, auf die Therapie der psychischen Störung zu verzichten und sich stattdessen reumütig in Selbstreflexion zu üben. Obendrein soll das gesamte Praxisteam zur Überprüfung seiner gesellschaftspolitischen Einstellung antreten. Was nach einem schlechten Witz oder orwellscher Dystopie klingt, empfehlen tatsächlich leitende Kinder- und Jugendpsychiater in Deutschland ihren Kollegen beim Thema Trans. Ein Beitrag von Martin Voigt.
Unter dem sperrigen Titel „Handreichung zum Umgang mit Transgender-Patientinnen und -Patienten im voll- und teilstationären Setting“ erschien in der „Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie“ Ende vergangenen Jahres ein Leitfaden „für den Umgang mit Transgender-Patient_innen in Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie“. Die Verfasser der Handreichung stammen aus der „Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V.“, kurz: BAG.
Therapie: Bestätigung und Bestärkung der Selbstdiagnose
Die Psychiater empfehlen, die Opfer des Trans-Hypes in ihren Transgender-Selbstdiagnosen zu bestätigen, sowie den Wunschnamen und das entsprechende Pronomen der zumeist jungen Mädchen zu akzeptieren. Doch meistens bleibt es nicht bei einer sozialen Transition. Es folgen Brustamputationen und schwere Testosteron-Therapien. Daher berufen sich die Ärzte auf folgende Empfehlung des Deutschen Ethikrats: „Ist das Kind hinreichend einsichts- und urteilsfähig, um die Tragweite und Bedeutung der geplanten Behandlung zu verstehen, sich ein eigenes Urteil zu bilden und danach zu entscheiden, muss sein Wille maßgeblich berücksichtigt werden.“
Zur Erinnerung: Das Massenphänomen, das die Kinderpsychiater dazu veranlasst hat, eine Handreichung herauszugeben, ist der Trans-Kult. Weltweit lassen tausende Mädchen unter ärztlicher Begleitung ihre Körper verstümmeln. Die Opfer sind meist pubertierende Mädchen, die sich in gravierenden psychischen Krisen befinden. Reihenweise fallen sie auf die Propaganda der Trans-Community herein. Sie glauben, sie könnten ihre Ängste, ihren Selbsthass, ihr „altes Ich“ mit einer medizinischen Geschlechtsangleichung hinter sich lassen. Kein Mädchen mehr sein, die verletzliche Hülle abstreifen, das ist ihr Ziel. Willfährige Ärzte helfen ihnen dabei, und nennen dies „trans-affirmativ“, was so viel bedeutet wie: den Trans-Patienten in seinem Selbstbild zu bestätigen.
Tausende Opfer der Pflichtvergessenheit
Die trans-affirmative Praxis hat in der gesamten westlichen Welt den hippokratischen Eid „primun non noscere“ (zuerst einmal nicht schaden) ausgeschaltet und tausende Opfer gefordert. Immer mehr von ihnen erzählen ihre traurigen Geschichten, die sich frappierend ähneln: Hinter den Transgender-Selbstdiagnosen stecken oft ganz andere schwerwiegende psychische Erkrankungen und Identitätskrisen. Die seelisch instabilen Kinder und Jugendlichen sind leicht zu beeinflussen und schlicht nicht in der Lage, die lebenslangen und irreversiblen Konsequenzen einer Geschlechtsangleichung zu verstehen.
Während sich inzwischen immer mehr Länder konsequent von der trans-affirmativen Therapie distanzieren und entsprechende Behandlungen für Minderjährige sogar verbieten, galoppieren die führenden deutschen Kinderpsychiater dem Zeitgeist der entfesselten Selbstbestimmung begeistert hinterher. Das heißt, sie stellen sich in ihrer Handreichung uneingeschränkt hinter die Forderungen des Weltverbands für Transgender Gesundheit (World Professional Association of Transgender Health [WPATH]).
Ideologische Indoktrination an Schulen
Die WPATH ist einer der weltweit bedeutendsten Transgender-Lobbyverbände. Ihre durchweg trans-affirmativen Empfehlungen sollen den deutschen Kinder- und Jugendpsychiatern als „grundsätzlicher Maßstab“ dienen, meinen die BAG-Autoren. In ihrer Handreichung nehmen die WPATH-Punkte viel Platz ein:
„Wir empfehlen Fachpersonen des Gesundheitswesens, die mit gender-nonkonformen Jugendlichen arbeiten, die Exploration und den Ausdruck des Geschlechts offen und respektvoll zu fördern, ohne dabei eine bestimmte Identität zu bevorzugen“, heißt es etwa. Zudem sollen Ärzte und Therapeuten mit Familien, Schulen und relevanten Einrichtungen zusammenarbeiten, „um die Akzeptanz gender-nonkonformer Ausdrucksformen und Identitäten von Jugendlichen zu fördern.“ Tatsächlich sind auch hierzulande Schulen zu ideologischen Brutstätten der Gender-Ideologie im Allgemeinen und des Trans-Kults im Besonderen geworden.
Psychotherapeuten, die die Selbstdiagnosen der Jugendlichen hinterfragen und die Ursachen ihrer Geschlechtsdysphorie erkunden wollen, bieten aus Sicht der WPATH „Konversionstherapien“ an. Ein Totschlagargument. Therapien, „die darauf abzielen, das Geschlecht und den gelebten Ausdruck des eigenen Geschlechts einer Person so zu verändern, dass sie mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht kongruent werden“, lehnt die WPATH strikt ab. Sie empfiehlt, die Entwicklung der vermeintlichen Trans-Kinder zu unterstützen.
Was Ergebnisoffenheit suggerieren soll, ignoriert völlig den Fakt, dass jede Bestätigung der Trans-Identität im Jugendlichen die Ablehnung seines biologischen Geschlechts verstärkt. „Ich bin aus der Nummer nicht mehr herausgekommen“, beschreiben viele ehemalige Trans-Patienten rückblickend den sozialen Druck, der mit einem trans-affirmativen Umfeld einhergeht. Auch die von der WPATH empfohlene Aufklärung über den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit ist eine Farce. Die Irreversibilität der Eingriffe und die immensen Risiken werden zu oft verharmlost und verdrängt. Die Euphorie der jungen Patienten über die bevorstehende Körpermodifikation wird in den Gender-Kliniken kaum ausgebremst. Kinder, die bereits Pubertätsblocker bekommen haben, entscheiden sich zu über 90 Prozent für eine medizinische Geschlechtsangleichung.
Wenn „Entstigmatisieren“ zur Selbstverstümmelung führt
Der BAG dürfte das bekannt sein. Doch in ihrer Handreichung empfehlen sie abschließend noch einmal, „die Patient_innen auf ihrem Weg ergebnisoffen und wertschätzend zu begleiten“ und sie mit „ihrem Wunschnamen und den entsprechenden Pronomen“ anzusprechen. Erst gegen Ende erscheint ein Hinweis auf eine „ausführlichere Persönlichkeitsdiagnostik zur Klärung von Differenzialdiagnosen und Komorbiditäten“.
Diese Priorisierung ist jedoch nur konsequent, denn die Verfasser haben ihr Selbstverständnis als Arzt aufgegeben. Auf Seiten des Behandlungsteams fordern sie die „Bereitschaft zur Selbstreflexion“, einen „entstigmatisierenden Umgang mit nonkonformen Geschlechtsidentitäten“ und sogar die Verkehrung der Kategorien ‚krank‘ und ‚gesund‘: „Wichtig scheint in diesem Zusammenhang, die Verwirrung eher als Thema einer zweigeschlechtlichen bzw. heteronormativen Gesellschaft und weniger als Thema der Behandlungssuchenden selbst zu begreifen.“ Trans-Menschen seien psychisch gesund, lautet sinngemäß die neue Lehre, während das Festhalten der Mehrheit an heterosexuellen Normen pathologische Formen annehme.
Mediziner werden auf Linie gebracht
Ärzte, denen es an Einsicht mangelt, können mit etwas Nachhilfe doch noch überzeugt werden: „Es kann daher gerade bei dieser Patientengruppe zu Spaltungen im Team kommen und es müssen gegebenenfalls unterschiedliche gesellschaftspolitische Einstellungen im Team erkannt, thematisiert und eventuell gut supervidiert werden.“ Das hätte selbst George Orwell nicht besser formulieren können.
Dieser Beitrag ist zuerst auf www.kelle-aktuell.de erschienen.