Eine große Überblicksstudie („Cass Review„) zur Studienlage rund um Pubertätsblocker und die Vergabe von gegengeschlechtlichen Hormonen ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein „Mangel an qualitativ hochwertiger Forschung“ bestehe. Die Kinderärztin und ehemalige Präsidentin des Royal College für Pädiatrie und Kindergesundheit, Hilary Cass, und ihr Team haben 50 Studien über Pubertätsblocker sowie 53 Studien über Hormonbehandlungen analysiert.
Ihr Abschlussbericht zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die sich meist selbst als trans identifizieren und geschlechtsangleichende Maßnahmen fordern, umfasst 400 Seiten. Nach vier Jahren Forschung ist die Studie, die vom britischen Gesundheitsdienst (NHS) in Auftrag gegeben wurde, vergangene Woche veröffentlicht worden. Das Ärzteblatt hat den Cass-Review bereits ausführlich besprochen.
Das Ergebnis ist ein eindeutiges Signal, den trans-affirmativen Kurs in der internationalen Gesundheitspolitik zu stoppen. Die bisherigen medizinischen Transgender-Richtlinien zur Behandlung von Minderjährigen seien nicht evidenzbasiert, warnt Cass. Die gesamte Gender-Medizin junger Menschen sei „auf einem wackeligen Fundament aufgebaut“. Kinder und Jugendliche, die sich für transsexuell halten, wiesen überproportional häufig massive psychische Probleme und Krankheitsbilder auf.
Eine unterdrückte Homosexualität, schwierige Familienverhältnisse, Depressionen, Nervenerkrankungen und häuslicher Missbrauch zählten zu den Ursachen für die Flucht in die selbstgewählte Trans-Identität. Durch die Ignoranz gegenüber den wahren Problemen und die einseitige Vergabe von Pubertätsblockern seien Kinder und Jugendliche „im Stich gelassen worden.“
Trans-Lobby verliert an Boden
Bereits der Zwischenbericht zum Cass Review aus dem Jahr 2022 hatte in Großbritannien eine gesundheitspolitische 180-Grad-Wende eingeleitet. Erst kürzlich hat der NHS neue Richtlinien herausgegeben, wonach Pubertätsblocker nur noch streng reglementiert im Rahmen von klinischen Versuchen verschrieben werden dürfen. Während der Cass Review einer Vielzahl an Studien fachliche Mängel attestiert, unterstützt eine jüngst veröffentlichte niederländische Langzeitstudie dessen zentrale Aussage:
Geschlechtsdysphorische Minderjährige sollten nicht trans-affirmativ behandelt werden – also keine Pubertätsblocker, gegengeschlechtliche Hormonen und Geschlechtsoperationen erhalten. Die einen fünfzehnjährigen Zeitraum umfassende Studie von Wissenschaftlern der Universität Groningen zeigt, dass Kinder und Jugendliche, die angeben, an Geschlechtsdysphorie zu leiden, und einen Geschlechtswechsel wünschen, von selbst wieder aus dieser Phase herausfinden und sich mit ihrem natürlichen Geschlecht aussöhnen.
Die affirmative Stoßrichtung der Trans-Lobby, die in der medizinischen Versorgung von vermeintlichen Trans-Kindern lange Zeit uneingeschränkt schalten und walten konnte, verliert wöchentlich an Boden – das WPATH-Leak, die Langzeitstudie aus den Niederlanden und jetzt der finale Bericht von Hilary Cass. Die britische Regierung reagiert konsequent: Der NHS erklärte, man sei Cass und ihrem Team für ihre „umfassende Arbeit an dieser wichtigen Untersuchung sehr dankbar“ und werde „nach sorgfältiger Prüfung des Abschlussberichts und seiner Empfehlungen einen vollständigen Umsetzungsplan aufstellen.“
Premierminister Rishi Sunak lobte die sorgfältige Arbeit und kündigte an, „das Wohlergehen und die Gesundheit der Kinder müssen an erster Stelle stehen.“ Ein Regierungssprecher ergänzte, dass bereits die „soziale Transition kein neutraler Akt ist und niemand gezwungen werden sollte, bevorzugte Pronomen zu verwenden oder umstrittene Überzeugungen als Tatsache zu akzeptieren.“
Damit bezog sich der Sprecher auf Cass, die betont hatte, dass ein sozialer Personenstandswechsel der psychischen Gesundheit von betroffenen Kindern nicht zuträglich sei. Vielmehr stelle die sogenannte soziale Transition sogar ein großes Problem dar. Wenn Kinder selbstbestimmt ihre Gender-Identität und Pronomen ändern und Mitschüler, Lehrer und Eltern sie im neuen Wunschgeschlecht ansprechen müssen, würden die Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit unreflektiert den Weg der medizinischen Transition weitergehen.
Mobbing und vergiftete Debatten
Doch während England und weitere Länder eine 180-Grad-Wende ihrer Transgender-Politik vollziehen bzw. bereits vollzogen haben, geht Deutschland einmal mehr den umgekehrten Weg. So setzen etwa die neuen medizinischen Leitlinien den radikal trans-affirmativen Umgang mit minderjährigen Trans-Patienten der umstrittenen Lobby-Organisation WPATH um. Und nun kommt auch noch das Selbstbestimmungsgesetz. Unzähligen Warnungen zum Trotz ermöglicht die Ampel-Regierung Kindern und Jugendlichen die soziale Transition. Warum der Geschlechtswechsel auf dem Standesamt die betroffenen Minderjährigen gefährdet, können Sie hier nachlesen.
Wie konnten Wissenschaft und Medizin so weit in ideologische Gefilde abtreiben? Cass erklärt das mit einer „Giftigkeit in der Debatte“, die dazu geführt habe, dass viele Wissenschaftler und Ärzte Angst hätten, noch offen über Trans-Themen zu sprechen. Auch erfahrene Mediziner seien „abgewiesen und entwertet“ worden, während junge Menschen „in der Mitte eines stürmischen gesellschaftlichen Diskurses“ gefangen gewesen seien.
Es gibt nur wenige andere Bereiche des Gesundheitswesens, in denen Fachleute so viel Angst haben, ihre Ansichten offen zu diskutieren, in denen Menschen in den sozialen Medien verunglimpft werden und in denen Beschimpfungen das schlimmste Mobbingverhalten widerspiegeln. Das muss aufhören!
Dr. Hilary Cass, Kinderärztin und ehemalige Präsidentin des Royal College für Pädiatrie und Kindergesundheit