In einer schriftlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend im Landtag von Nordrhein-Westfalen wurde der Antrag „Willkommenskultur für Neugeborene schaffen – Der Demografiekatastrophe entschlossen entgegentreten – Familiengründung endlich ins richtige Licht rücken.“ debattiert. Auch DemoFürAlle wurde um eine Stellungnahme gebeten, die wir im Folgenden in voller Länge wiedergeben.
Wir unterstützen die Forderung des Antragstellers. Die Zuspitzung der demografischen Krise ist kein unabwendbares Schicksal, sondern kann durch geeignete politische Maßnahmen abgemildert und sogar gestoppt werden. Angesichts der mit einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung einhergehenden sozio-ökonomischen Verwerfungen zählt das Schaffen von Anreizen zur Gründung einer Familie mit eigenen Kindern zu den drängenden politischen Aufgaben.
Begründung:
Der Kinderwunsch ist eine individuelle Entscheidung und als solche vom Staat zu respektieren. Die aktuelle gesellschaftliche Situation jedoch, in der viele Frauen in Übereinstimmung mit ihrem Partner gewollt kinderlos bleiben, ist bereits eine Folge politisch forcierter sozialer Veränderungen. Seit vielen Jahrzehnten werden die traditionelle Familie, die überzeugte Mutterschaft und Kinderreichtum als „rückständig“, „antiquiert“ und „überholt“ dargestellt. Gleichzeitig wurden und werden immer noch die Lebensentwürfe aus der Ideenwelt der 68er-Bewegung als modern, zeitgemäß und selbstbestimmt glorifiziert. Diese metapolitischen Prozesse sind nicht geeignet, um die natürliche Sehnsucht junger Frauen nach einer stabilen Beziehung und einer Familie mit eigenen Kindern (vgl. Shell-Jugendstudie) in eine gangbare Lebensplanung zu übertragen, die von sozialer Akzeptanz und Achtung getragen wird.
Der Kinderwunsch ist nicht weg, sondern nur verschüttet. Die emotionalen Ursachen sind vielseitig. Widersprüchliche Bilder und Botschaften stürmen auf Heranwachsende ein und beeinflussen sie. Einer Politik, die die Geburtenrate steigern will, kommt die Aufgabe zu, die Sehnsucht junger Menschen nach einer glücklichen Familie ernst zu nehmen – das heißt: sie durch finanzielle und ideelle Maßnahmen zu unterstützen und zu bestärken. Der Staat muss als Akteur auf dem Feld der Wertebildung auftreten und dem Jahrzehnte währenden kinder- und familienfeindlichen Zeitgeist eine geeignete Kampagne entgegensetzen.
Die Basis für einen Kinderwunsch ist im Empfinden der meisten Frauen die tragfähige Beziehung zu ihrem Partner. Eine breite Aufklärungskampagne über die positiven Effekte auf das psychische und körperliche Wohlbefinden von Elternschaft sowie von festen Beziehungen ganz allgemein ist geeignet, jenes Fundament zur Familiengründung zu schaffen. Ein wesentlicher Baustein dafür könnte die Umgestaltung der heute üblichen Sexualpädagogik von einem lustzentrierten, auf die promiskuitive Dating-Kultur abzielenden Verhütungsunterricht hin zu einem lebensbejahenden Unterricht gelingender Sexualität und Partnerschaft. Gelänge es zudem noch, Minderjährige effektiv vor Pornokonsum zu schützen (gemäß § 184 StGB ist es verboten, Personen unter 18 Jahren pornografische Inhalte zugänglich zu machen), der die Bindungs- und Beziehungsfähigkeit nachweislich zerstört, wäre hinsichtlich des Menschenbilds und der Liebesfähigkeit, mit der junge Erwachsene auf Partnersuche gehen, viel gewonnen.
Darauf aufbauend halten wir die vorgeschlagene Aufklärungskampagne, die ein positives Gegengewicht zur Regretting Motherhood-Mentalität darstellen soll, für zielführend. Die im Antrag zitierten Studien weisen auf anscheinend hochgradig egoistische Motive hin, die gegen ein Kind sprechen (Freizeit und Selbstverwirklichung vs. Gebundenheit und Verantwortung). Wir gehen ebenfalls davon aus, dass es sich bei solchen Äußerungen weniger um tiefe Überzeugungen als vielmehr um wandelbare Stimmungsbilder handelt, die massiv medial geprägt sind. Insofern erscheint uns die angedachte Kampagne, die mit leichter Überspitzung den IchFokus der gewollt Kinderlosen anspricht, eine elegante Werbebotschaft zu sein: Eltern leben länger, gesünder und zufriedener.
Die plakative Botschaft – Kinder machen glücklich! Vater- und Mutterschaft als tiefe Sinngebung im Leben – sollte in der Wertevermittlung von Kindern und Jugendlichen noch konkretisiert und näher ausgeführt werden. Die meisten Kinder formulieren spontan den Wunsch: „Ich möchte später einmal Kinder haben!“ Und sie sagen auch: „Ich möchte eine glückliche Familie haben!“ Sie ahnen, dass es beim Kinderwunsch nicht um das „Haben“ eines Kindes geht, geschweige denn um das eigene Wohlbefinden, sondern um eine gelingende Liebesbeziehung, die die Basis für den Wunsch darstellt, mit dem Partner ein Kind zu bekommen. Eine verantwortungsvolle Pädagogik sollte diese Sicht auf Familie und Kinder bejahen und sie nicht relativieren oder mit gegensätzlichen Lebensrealitäten proaktiv konfrontieren.
Die seit vielen Jahren übliche (Sexual-) Pädagogik in deutschen Schulen verfolgt andere Ziele. Bereits im Jahr 2004 konstatierte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „In den Richtlinien ist keine Zielführung der Sexualerziehung im Hinblick auf Ehe und Familie auszumachen.“ Und es wurde nicht besser, ganz im Gegenteil. Die inzwischen flächendeckend verbreitete „Sexualpädagogik der Vielfalt“ geht über die Anregung zu einem promiskuitiven Lebensstil weit hinaus und will Kinder in ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität verunsichern. Diese Art „sexueller Bildung“ flankiert multimediale Kampagnen wie den Transgender-Hype und verstört junge Menschen bereits vor und in der Pubertät – mit absehbaren Folgen für künftige Geburtenraten.
Noch spüren wir „nur“ die Folgen der sogenannten „sexuellen Befreiung“. Bereits die dritte Generation junger Erwachsener denkt Sexualität, Beziehung und Kinderwunsch nicht mehr notwendigerweise zusammen, sondern verorten jedes für sich – meist in jener Reihenfolge – in unterschiedlichen Lebensphasen. Ihre schulisch und medial vermittelte „sexuelle Bildung“ folgt der Prämisse nicht schwanger zu werden. Eine Schwangerschaft gilt als Unfall, der aber durch „verantwortungsvolles“ Handeln verhütet werden kann, während unverbindliche sexuelle Verhältnisse ab dem Teenageralter als normaler Entwicklungsschritt in der Adoleszenz propagiert wurden. Sechs Jahrzehnte Anti-Kind-Indoktrination haben eine immense Prägekraft entfaltet.
Mädchen im jungen Alter von 14 Jahren, lernen, wann und wie sie die Pille einnehmen müssen und wie Kondome benutzt werden. Jedoch klärt sie kaum jemand über die Folgen jahrelanger medikamentöser Verhütung auf, oder darüber, dass das Aneinanderreihen kurzfristiger und unverbindlicher sexueller Verhältnisse in einer späteren auf Dauer angelegten Beziehung die intime und romantische Exklusivität unterminiert, wodurch dann auch der Kinderwunsch in Mitleidenschaft gezogen werden kann.
Die fächerübergreifende (Sexual-) Pädagogik stellt sich für die Politik also als eines der drängendsten, aber auch einflussreichsten Felder dar, um die ursprüngliche Sehnsucht von Kindern nach einer glücklichen Vater-Mutter-Kinder-Familie in einer positiven und wertschätzenden Weise zu bekräftigen. Zudem stehen Erwachsene in der Pflicht, jungen Menschen angesichts immer länger und komplexer werdender Ausbildungswege frühzeitig realistische und finanzierbare Wege für eine parallele Familiengründung aufzuzeigen. Die Angebote sollten sich nicht in der Förderung außerfamiliärer Fremdbetreuung von Kleinkindern erschöpfen, sondern ganz im Gegenteil tatsächlich familienfreundliche Lösungen beinhalten. Da kleine Kinder die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Mutter benötigen, sollten junge Frauen künftig vom „Vereinbarkeits“-Narrativ verschont, sondern mit Müttergehalt und -rente sowie flexiblen Wiedereinstiegsmöglichkeiten in Studium und Beruf unterstützt werden.
Auf Jugendlichen, die an der Schwelle ins Berufsleben stehen, lastet die hohe und einseitige Erwartung „Karriere“ zu machen. Jegliche Unterstützung zielt meist auf eine effektive Eingliederung in die Erwerbsarbeit ab, während das volkswirtschaftlich mindestens ebenso relevante Thema Familienplanung weitestgehend ins Private ausgelagert wird. Das verengte Bedeutungsspektrum des Begriffs „Selbstverwirklichung“ kann durch die im Antrag skizzierten neuen politischen Diskurse wieder ausgeweitet werden. Finanzielle und ideelle politische Förderungen unterstützen Väter und Mütter nicht nur direkt, sondern sie wirken auch in die Gesellschaft. Sie bedeuten einen Prestigegewinn für jene, die Verantwortung für eine Familie mit eigenen Kindern übernehmen, und damit einen essenziellen Beitrag für die Gemeinschaft leisten.
Schon Schulkindern sollten die Grundlagen des Generationenvertrags nahegebracht werden. Sie lernen zu verstehen, dass Geld im Alter nicht alles regelt, sondern dass vieles davon abhängt, dass ausreichend junge Menschen da sind, die der älteren Genration mit Achtung und Wertschätzung begegnen, weil sie selbst in einer liebevollen Familie aufwachsen durften. Letztlich liegt es an der Werte- und Herzensbildung künftiger Leistungsträger, wie sie die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft – Neu- und Ungeborene, aber auch alte und kranke Menschen – behandeln.