Argentiniens Staatspräsident Javier Milei hat auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos (Schweiz) dazu aufgerufen, die „ideologischen Ketten“ des „Wokismus“ zu brechen. Der globale Westen sei von einem „mentalen Virus“ woker Ideologien befallen. Dies sei der gemeinsame Nenner jener Ländern, die derzeit wirtschaftlich scheitern und unter sozialen Spannungen leiden würden.
Das von Klaus Schwab gegründete Weltwirtschaftsforum, das etwa die „Young Global Leaders“ ins Leben rief, versammelte sich vergangene Woche zum 55ten Mal. Es wurde jedoch vermutlich zum ersten Mal so offen und heftig von einem geladenen Redner kritisiert wie an diesem denkwürdigen 23. Januar 2025. Denn das beschauliche Stelldichein der Wirtschaftselite zähle zu jenen Foren, die „Protagonisten und Förderer der unheilvollen Agenda des Wokismus“ hervorgebracht hätten, „die dem Westen so großen Schaden zufügt“, provozierte Milei gleich zu Beginn seiner Rede in dem größten aller Säle.
Auf diese illustre Bühne wurde der argentinische Ökonom eigentlich gebeten, um den versammelten Staatschefs, den CEOs multinationaler Konzerne und Kapitalsammelstellen sowie sonstigen schwerreichen Strippenziehern, selbsternannten Philantropen und NGO-Führern zu erklären, warum Argentinien wie ein Phönix aus der Asche aufsteigen konnte. Das südamerikanische Land lag noch 2023 wirtschaftlich und gesellschaftlich am Boden: Hyperinflation, Rezession, zahlreiche Staatspleiten, grassierende Armut. Bereits ein Jahr nach Mileis Amtsübernahme im Dezember 2023 gilt Argentinien wieder als kreditwürdig. Der volkswirtschaftliche Motor brummt, es herrscht Aufbruchstimmung. Die Ökonomen dieser Welt schauen derzeit gebannt in den 45 Millionen Einwohner-Staat.
Gender-Ideologie begünstigt Kindesmissbrauch und Pädophilie
Und sie schauten voller Erwartung und gewiss auch hier und da mit einiger Missgunst auf die Bühne zu Milei, den die Aura seiner revolutionärer Maßnahmen umgibt. Was würde er sagen? Dass es keine hohlen Phrasen zur Klimareligion, zum Diversity-Managment in Unternehmen oder zur Migration als Mittel gegen den Fachkräftemangel sein würden, wie man sie sonst in Davos zu hören bekommt, war wohl antizipiert worden. Was folgte, war aber dennoch eine Überraschung. Mileis Botschaft in einem Satz: Go woke, go broke! (Zu deutsch: Werde woke, geh bankrott!)
Seinen Weckruf an den Westen, der in deutscher Übersetzung hier nachzulesen ist, hat er den vor ihm sitzenden Gates, Schwabs und Co geradezu genüsslich ausgebreitet:
Vom Konzept der Freiheit als grundlegendem Schutz des Einzelnen vor der Intervention des Tyrannen gingen wir über zum Konzept der „Befreiung“ durch die Intervention des Staates. Auf dieser Grundlage wurde der Wokismus aufgebaut — ein Gedankenkonstrukt, das durch verschiedene Institutionen unterstützt wird, deren Zweck es ist, abweichende Meinungen zu bestrafen. Feminismus, Diversität, Inklusion, Gerechtigkeit, Einwanderung, Abtreibung, Ökologismus, Gender-Ideologie — all das sind Köpfe derselben Hydra, die den Fortschritt des Staates rechtfertigen, indem sie edle Anliegen übernehmen und verdrehen. (Javier Milei)
Vor der Weltöffentlichkeit kommt Milei dabei auch auf pädophile Netzwerke zu sprechen, die unter dem Deckmantel woker Ideologien für unsägliches Leid sorgen: „In ihren extremsten Formen stellt die Gender-Ideologie schlicht und einfach Kindesmissbrauch dar. Das sind Pädophile. Wer unterstützt solches Verhalten?“
Trans-Kult — „Nationale und internationale Behörden sind Komplizen“
Argentinien in Höchstgeschwindigkeit aus der ökonomischen Krise zu führen, ist ein 24-Stunden-Job. Da bleibt eigentlich nicht viel Zeit, um sich mit sämtlichen Köpfen der Hydra detailliert auseinanderzusetzen. Doch Milei tut genau dies. Seine tiefen Einblicke, etwa jener in den Trans-Kult, zeigen, dass für Milei eine gesundende Volkswirtschaft die mentale Genesung des Staatsvolks zur Voraussetzung hat – dass ein gesunder Körper und ein gesunder Geist einander bedingen:
Es werden gesunde Kinder durch Hormonbehandlungen und Verstümmelungen irreversibel geschädigt, als ob ein fünfjähriges Kind zustimmen könnte, sich solchen Eingriffen zu unterziehen. Und wenn die Familie nicht einverstanden ist, gibt es immer jemanden vom Staat, der zugunsten dessen eingreift, was sie „das Interesse des Kindes“ nennen. Glauben Sie mir, die skandalösen Experimente, die heute im Namen dieser kriminellen Ideologie durchgeführt werden, werden verurteilt und mit jenen Experimenten verglichen werden, die in den dunkelsten Epochen unserer Geschichte stattgefunden haben. Und diese Vielzahl abscheulicher Praktiken wird von ewigem Opferdenken gedeckt, das immer bereit ist, Anschuldigungen von Homophobie, Transphobie und anderen Erfindungen zu erheben, deren einziger Zweck darin besteht, diejenigen zum Schweigen zu bringen, die diesen Skandal anprangern. Nationale und internationale Behörden sind Komplizen.
(…)
Der Wokismus hat so tief in unsere Gesellschaften eingedrungen, dass er sogar die Idee des biologischen Geschlechts infrage stellt, durch die verheerende Gender-Ideologie. Dies hat zu einer noch stärkeren staatlichen Intervention geführt, mit absurden Gesetzen, die den Staat verpflichten, Hormone und teure Operationen zu finanzieren, um der Selbstwahrnehmung bestimmter Personen zu entsprechen. Wir sehen heute die Folgen an einer ganzen Generation, die ermutigt durch eine Kultur der sexuellen Relativität ihren Körper verstümmelte und ihr gesamtes Leben in psychiatrischer Behandlung verbringen muss, um das zu verarbeiten, was sie sich angetan hat. Doch niemand spricht darüber. Nicht nur das: Die große Mehrheit wird gezwungen, sich den falschen Selbstwahrnehmungen einer winzigen Minderheit unterzuordnen. (Javier Milei)
Traditionelle Sexualerziehung statt Sexualisierung
Das Einfallstor einer „Kultur der sexuellen Relativität“ ist die Schule. Bereits in seinem Wahlkampf 2023 hat Milei angekündigt, dass er die sogenannte „Comprehensive sexuality education“ (kurz: CSE, deutsch: umfassende Sexualerziehung) abschaffen möchte.
Aus seiner Sicht greife die seit 2006 in Argentinien gesetzlich verankerte CSE mit Themen wie reproduktive Rechte (sprich: Abtreibung), sexuelle Gesundheit (sexualisierender Verhütungsunterricht, der sexuelle Aktivität von Teenagern voraussetzt), und Gleichstellung der Geschlechter (Gender-Propaganda) zu sehr in private und familiäre Bereiche ein. Künftig solle eine zurückhaltendere und traditionellere Erziehung wieder mehr auf Familie ausgerichtet sein, und vor allem sollen Eltern die Verantwortung für die sexuelle Aufklärung ihrer Kinder tragen. Unterdessen hat die argentinische Regierung CSE-Inhalte von einer Online-Plattform mit Lehrinhalten und Unterrichtsmaterialien entfernt.
Mileis zentrale Erkenntnis stellt vieles in Frage, was zur DNA der mächtigen Clique in Davos gehört: Sogenannte humanistische Ziele, die ein übergriffiger Staat in Gesetze gießt, um den Einzelnen zu lenken oder gar zu „befreien“, bewirken letztlich das Gegenteil und ebnen zerstörerischen Ideologien den Weg. Die Reaktion auf Mileis Affront wird eine Polarisierung sein, denn wer gesunden Menschenverstand besitzt, wird sich von dem argentinischen Wirtschaftswissenschaftler inspirieren lassen. Erstmals in seiner 55-jährigen Geschichte wäre es ein Gewinn, wenn vom WEF ein Impuls in die Welt ausgeht.