Großer Geist und großes Herz: Christa Meves wird 100

Sie ist das, was man eine Ausnahmepersönlichkeit, ja sogar eine Jahrhundertgestalt nennen könnte, und dies nicht, weil sie am 4. März ihren 100. Geburtstag feierte. Christa Meves hat die Erziehung von mindestens drei Generationen an Kindern rettend mitgeprägt – als Antipode zur herrschenden 68er-Ideologie und ihren zersetzenden Fortentwicklungen.

1925 geboren und evangelisch getauft als Christa Mittelstaedt in Neumünster/ Schleswig-Holstein verlebte sie mit Mutter, Vater und ihrer älteren Schwester eine schöne und geborgene Kindheit. Der Vater war Künstler und als Kunsterzieher tätig. Über ihn sagt sie, er sei ein tiefgläubiger Mann gewesen.

Der Ernst des Lebens kam knallhart nach ihrem Abitur im Kriegsjahr 1943 mit Reichsarbeitsdienst, Kriegshilfsdienst und später sogar Einsatz als Flakhelferin. In Breslau begann sie ihr Studium von Germanistik, Philosophie, Geographie, Psychologie und Pädagogik, das sie später in Kiel und Hamburg fort- führte und mit Examen abschloß. Nur 21 Jahre jung heiratete sie den Augenarzt Dr. Harald Meves († 2003), mit dem sie zwei Töchter bekam. Im Fernstudium absolvierte sie später eine Zusatzausbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin.

Als ihre eigenen Kinder, wie sie sagt, „aus dem Gröbsten heraus waren“, eröffnete sie am Familienwohnort Uelzen eine Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie. Was sie dort täglich an Nöten von Kindern und Eltern erlebte, zeigte ihr das große Unwissen über eine gesunde Weise, Kinder zu erziehen, und forderte sie – erst recht mit Ausbruch der 68er-Proteste – heraus, zu schreiben und öffentlich zu sprechen. Es war der Beginn ihrer großen Sendung. In den jungen Revoluzzern erkannte sie eine durch den Krieg väterverlassene Jugend, die jetzt dem gefährlichen Wahn aufsaß, sich völlige Freiheit verschaffen zu wollen mit totaler sexueller Schrankenlosigkeit.

Die neue Ideologie propagierte, Sex von der Wiege bis zur Bahre sei not- wendiges Lebenselixier für jeden und jede. Ein Helmut Kentler, der heute als Kinderschänder enttarnt ist, entwickelte daraus seine pseudowissenschaftliche „Sexualpädagogik“, die sich rasant verbreitete und über Funk und Fernsehen in die gesamte Gesellschaft eindrang. Meves, die Kentler schon früh kennenlernte, wurde eine seiner schärfsten Kritikerinnen.

Prophetisch sagte sie voraus, wozu die Entfesselung des zweitstärksten menschlichen Triebes führen würde: zu einer Suchtgesellschaft, zu zahlreichen Krankheiten an Leib und Seele und zu einem dramatischen Anstieg von Kindesmißbrauch. Und genau dort sind wir heute angelangt. Meves‘ frühe Bücher, darunter „Manipulierte Maßlosigkeit“ von 1971, zeugen von ihren treffsicheren Prognosen.

In ihrem Fach war Christa Meves aufgrund ihrer ungeheuren Publikationstätigkeit schon in den 70ern eine der ganz Großen, eine leidenschaftliche Kämpferin für die Familie, denn „Vater, Mutter, Kind sind die Säulen, die man unbedingt braucht“, und damit ein rettender Anker für die zumeist christlichen Familien, die den Sirenengesängen der neuen Zeit nicht folgen mochten. Ihnen gab sie konkrete Hilfe und fachliche Orientierung bei der Erziehung ihrer Kinder.

Der große Bezugsrahmen ihrer fachlichen Arbeit war ihr dabei stets die göttliche Schöpfungsordnung, über deren Genialität und Klugheit sie immer wieder in Begeisterung ausbrechen kann. Diesem liebenden Schöpfer, so sagte sie in einem Interview, möchte sie mit ihrer Arbeit bis zum letzten Atemzug dienen.

1987 konvertierte Christa Meves zum katholischen Glauben. Papst Johannes Paul II. sprach ihr aus dem Herzen, aber den Ausschlag habe die liebevolle Verehrung der Gottesmutter gegeben, die die katholische Kirche pflegt.

Über 100 Bücher, übersetzt in bis zu 13 Sprachen mit teils hohen Auflagen, und zahlreiche Preise machten sie weit über Deutschland hinaus bekannt. Sie nutzte ihre Einflußmöglichkeiten, u. a. als Synodenmitglied der EKD bis 1984 oder später als Mitherausgeberin des Rheinischen Merkur.

Bei all dem vernachlässigte sie nie die Menschen, die sich direkt an sie wandten, jene, die sie in ihrer Praxis aufsuchten, ebensowenig wie die unzähligen, die ihr im Laufe ihres Lebens schrieben und um Rat und Hilfe in Erziehungs- und Familienfragen baten. Noch heute, 100jährig, beantwortet sie täglich mit ihrer Assistentin Zuschriften – ohne Honorar.

Persönlich bin ich Christa Meves erstmals 2006 begegnet bei einem fulminanten Vortrag in Hamburg für das Familiennetzwerk, dessen Mitbegründerin ich war. Es war die Zeit einer Familienministerin Ursula v. d. Leyen, die zum großen Krippenfeldzug blies, um junge Mütter schnell in die Erwerbsarbeit zurückzuholen und deren Babys „frühkindlicher Bildung“ im Krippenkollektiv zuzuführen.

Mit der ihr eigenen Vitalität und Begeisterung legte uns Christa Meves nun die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung dar, die bestätigten, was sie jahrzehntelang gegen alle Widerstände unbeirrt vertreten hatte: Das Wichtigste, das das Kind für eine gesunde geistige und seelische Entwicklung für sein ganzes Leben benötigt, ist seine Mutter, die in den ersten drei Lebensjahren jederzeit für das Kind erreichbar ist und ihm ihre volle liebende Zuwendung schenkt.

Nun zeigte die Hirnforschung, daß bei Kindern, die in dieser Zeit von der Mutter betreut worden sind, die Gehirne sich viel besser entwickeln, die Synapsen sprießen, z. B. wenn die Mutter mit dem Kind spricht, daß die Gehirne viel mehr Verknüpfungen bilden etc. und damit die Voraussetzungen für Bildung viel besser sind. Welch schöne Bestätigung!

Liebe Christa Meves, zu Ihrem 100. Geburtstag von ganzem Herzen Dank und Vergelt’s Gott für Ihr so fruchtbares Lebenswerk, für Ihren Mut, Ihre Widerständigkeit und Ihr lebensbejahendes Vorbild! VIVAT VIVAT! Gott schütze Sie!

Diese Würdigung erschien zuerst im Rundbrief 1/25 des Instituts Philipp Neri – Berlin.