Bayern streicht Familiengeld komplett und fördert Krippen

„Betreuungsplatz vor Direktleistung“ lautet die neue Familienpolitik der CSU in Bayern. Überraschend hat Ministerpräsident Markus Söder auf der Haushaltsklausur vergangene Woche das Aus für das geplante Kinderstartgeld verkündet – zugunsten der Förderung von Krippenplätzen. Eigentlich wäre das Kinderstartgeld in Höhe von 3.000 Euro in wenigen Wochen an die ersten Familien in Bayern ausgezahlt worden.

Kinderstartgeld – davon dürften die wenigsten Leser außerhalb und vielleicht auch innerhalb Bayerns gehört haben:

Ursprünglich gab es in allen Bundesländern das Betreuungsgeld für Eltern, die für ihre Kinder unter drei Jahren keinen Krippenplatz in Anspruch nehmen wollten. Als das Bundesverfassungsgericht 2015 das Gesetz zum Betreuungsgeld kippte, führte die bayerische Staatsregierung 2018 das einkommensunabhängige Familiengeld ein. Familien erhielten zwischen dem 13. und dem 36. Lebensmonat ihres Kindes monatlich 250 Euro (ab dem dritten Kind 300 Euro), und dies im Gegensatz zum Betreuungsgeld auch unabhängig davon, ob das Kind eine Krippe besuchte oder nicht. 2024 beschloss die bayerische Regierung, die in Summe 6.000 Euro pro Kind um die Hälfte zu reduzieren und als Einmalzahlung in Höhe von 3.000 Euro als sogenanntes Kinderstartgeld zum ersten Geburtstag des Kindes auszuzahlen.

Ab dem 1. Januar 2026 hätten die ersten Familien das Kinderstartgeld erhalten. Daraus wird nun nichts, denn die Staatsregierung setzt plötzlich andere Prioritäten, wie Söder zugab. Wegen gestiegener Unterhaltskosten für Kita-Betreiber brauche es mehr Geld im System. Der Erhalt der Betreuungsplätze habe Vorrang vor der direkten Unterstützung von Familien.

Bayern ist war Familienland Nummer 1“

Jahrzehnte war die CSU die einzige Regierungspartei, die die Überzeugung vertrat, Eltern sollten die Frage, wie ihre Kinder zu betreuen seien, ohne finanziellen Druck beantworten können. Es war die CSU, die das Betreuungsgeld auf den Weg brachte, und sie war es auch, die es später entgegen der Bundespolitik in Bayern als Familiengeld beibehielt. Die 250 Euro im Monat waren für viele Familien der Anstoß, darüber nachzudenken, ob es wirklich nötig ist, ihr einjähriges Baby schon in eine Kindertageseinrichtung zu geben. Die als „Herdprämien“ verunglimpften Zahlungen waren eine Wertschätzung für Väter und Mütter, die ihren Familienalltag und die intensive Betreuung ihrer kleinen Kinder ohne U3-Fremdbetreung meisterten. Das Familiengeld war ein nicht zu unterschätzendes politisches Signal weit über Bayern hinaus.

Völlig überraschend bricht das Land, das im Haushalt eine schwarze Null anvisiert, mit seiner Familienpolitik – auch das ist ein Signal: Gegen Familien, gegen Kinder und gegen echte Wahlfreiheit. Stattdessen soll es nun wie in tiefsten SPD-Gebieten mehr Staat und mehr Fremdbetreuung geben. Das Geld komme ja weiterhin den Familien zugute, beschwichtigt die Politik. Doch das ist Hohn in den Ohren all jener Eltern, die nun ökonomisch keine andere Möglichkeit mehr sehen, als ihre Kinder, die oft noch nicht einmal laufen oder reden können, jeden Morgen wieder in eine Krippe zu bringen. Ihm blute das Herz, beteuerte Söder, da er das Familiengeld schließlich selbst eingeführt habe. Manch einer verzweifelten Mutter, die ihr weinendes Kleinkind für die Länge eines Arbeitstages in der Kita zurücklassen muss, wird tatsächlich das Herz bluten.

Was interessieren mich meine Posts von gestern, dachte sich der bayerische Landesvater vielleicht. Im Juni postete der Instagram-Account markus.soeder ein niedliches Babyfoto, darüber den Spruch „Bayern schenkt dir 3.000 Euro zum ersten Geburtstag“ und darunter: „Bayern ist Familienland Nummer 1“. Ende Oktober wiederholte Söder seine stolze Bekräftigung zum Kinderstartgeld auf Instagram. Diesmal sogar mit Kurzvideo vom Kita-Besuch. Söder zwischen Kindergartenkindern und Selbstgebasteltem.

Wir fühlen uns betrogen“

Schöne Bilder und schöne Sätze: „Kinder sind unsere Zukunft. Wir investieren mit fast fünf Mrd. Euro pro Jahr so viel wie kein anderes Land in Familien und Kinderbetreuung.“ Wie beim Begriff Kita, der Krippe und Kindergarten zusammenfasst, stimmen die Bilder und das Gemeinte nicht ganz überein. Aber Kindergartenkinder, die artig singen, liefern schlicht bessere Bilder als Söder zwischen schreienden Einjährigen. Geschenkt. Als das Video am 28. Oktober gepostet wurde, galt immerhin noch: „Außerdem unterstützen wir in Bayern als einziges Bundesland unsere Familien mit 3.000 Euro Kinderstartgeld.“

Wenn es dann urplötzlich doch nicht klappt, kann das schon für Herzschmerz sorgen. Doch Söders Krokodilstränentheater reichte nicht einmal soweit, dass er die Petition gegen die Streichung des Kinderstartgelds persönlich entgegengenommen hätte. Mehr als 200.000 Unterschriften hatten enttäuschte Eltern in kurzer Zeit gesammelt. „Wir fühlen uns betrogen – nicht nur um das Geld, sondern um unser Vertrauen“, schreiben sie in ihrer Petition. „Vertrauen in eine Politik, die uns Familien ein Jahr lang das neue Kinderstartgeld versprochen hat.“ 2028 wird in Bayern wieder gewählt. Dann sind aus den betroffenen Krippenkindern Kindergartenkinder geworden. Wenn das Gedächtnis der 200.000 Unterzeichner gut ist, bekommen sie die Gelegenheit ihrem enttäuschten Vertrauen Ausdruck zu verleihen.