Buchbesprechung: „TransAgenda“ von S. Griebel

„Ich hatte gefunden, wonach ich mein Leben lang gesucht hatte“, berichtet Sophie Griebel rückblickend über den größten Irrtum ihres Lebens. Denn sie war bis in die tiefste Seele traumatisiert: Desolate Familienverhältnisse, Selbstmordversuche des leiblichen Vaters, sadistische Gewalt und sexueller Missbrauch seitens des Stiefvaters, Angst um ihren kleinen Bruder und die Mutter. Das geringste Problem waren noch die ständigen Umzüge und Konflikte mit Gleichaltrigen in Kindergarten und Schule.

Sophies Kinderseele wollte überleben, sich in Geborgenheit wiegen und fallen lassen, endlich geliebt werden, ohne Angst und Schuld. In ihrem Buch „TransAgenda. Transgender – Der Kult der verlorenen Kinder“ schildert Griebel anhand nahegehender Erinnerungen, warum der Trans-Kult verletzte Seelen wie ihre unwiderstehlich anzieht. So als würde sich plötzlich eine Tür öffnen inklusive imaginärem Einladungsschreiben:

Wenn du dich schon immer in deinem Körper falsch gefühlt hast, nie wirklich Anschluss gefunden hast, unter schweren psychischen Störungen leidest und dein Geschlecht als Last empfindest – dann bist du hier vielleicht genau richtig.

Hier musst dich nicht verbiegen. Hier ist jeder willkommen, der anders ist.

Wir stehen hinter dir, akzeptieren dich und unterstützen dich auf deinem neuen Weg.

Vielleicht warst du nie falsch – sondern nur dein Körper.

In Liebe,

deine Trans Community

Plötzlich habe alles Sinn ergeben. Gewaltig sei die Verlockung gewesen, tonnenschweren seelischen Ballast auf einem unverhofften Weg einfach loszuwerden. Mit ihren Beschreibungen dürfte Griebel ehemaligen Opfern des Trans-Kults aus dem Herzen sprechen. Denn die Geschichten der Detransitioner, also derjenigen, die ihre Transition bereuen, ähneln sich. Sie alle hatten etwas erfahren, „das sie dazu brachte, sich selbst verzerrt wahrzunehmen“.

Ich verstand plötzlich auch, warum ich so oft misshandelt, missbraucht und vergewaltigt worden war. Die Erklärung balancierte meine Schuldgefühle aus. Es war wegen meinem Körper. Und den konnte man ja – korrigieren. Die Sonne zeigte sich am Horizont. Endlich gab es Hoffnung für mich, für meinen Wunsch nach Liebe und Zugehörigkeit. Es gab Hoffnung auf ein Leben frei von Schuld und dem Gefühl endlos versagt zu haben.

Ich war erneut Teil eines Rituals“

Mit 20 Jahren stieß Griebel die verheißungsvolle Tür weit auf, und fand, „was ich für meine Heimat hielt.“ Sie unterzog sich einer Trans-Behandlung, ließ sich die Brüste amputieren und regelmäßig Testosteron spritzen. Die Euphorie hielt nicht lange an. Zweifel mischten sich ins Hochgefühl. Heute kann Griebel die kultischen Mechanismen exakt wiedergeben: „Ich war erneut Teil eines Rituals geworden.“ Und immer noch Opfer. Es sei wie ein Tauschgeschäft gewesen. „Ein Handel: Du gibst Körperteile und bekommst dafür die Illusion von Befreiung.“ Die Brust, die frühere Identität, die Gesundheit und die vielen dauerhaften Schmerzen sollten die Opfer für die Befreiung vom inneren Schmerz sein. Doch der war inoperabel und blieb. „Er verfolgte mich.“ Auch in Form toxischer Beziehungen, die lediglich die Grundmuster der seelischen Abgründe zur Wiederaufführung brachten.

Gibt es überhaupt die Möglichkeit auszubrechen aus diesem Wiederholungszwang? Die traumatisierte Seele zieht es immer wieder dorthin, wo sie sich von klein auf gut auskennt. Sie reinszeniert unbewusst in Gedanken und Gefühlen, in Handlungen und sogar in zwischenmenschlichen Beziehungen die individuellen Schmerzpunkte, etwa die Erfahrung immer wieder verletzt und abgelehnt zu werden. Auch Griebels Überzeugung, nicht liebenswert zu sein, bestätigte sich auch noch viele Jahre nach den traumatischen Erlebnissen in der Kindheit immer wieder und ihre Selbstverachtung wuchs ins Unermessliche.

Gibt es also ein Zeitfenster für die Liebe in den ersten Lebensjahren, oder können auch Erwachsene noch einmal (Ur-) Vertrauen fassen? Griebel gibt zunächst folgende Antwort: „Man kann nur heilen, wenn man sich stellt, nicht wenn man in neue Rollen schlüpft.“ Das ist noch sehr auf den Trans-Kult bezogen, auf die Vorstellung, ein starke, männliche Schutzhülle sei auch gegen emotionale Verletzungen gefeit.

Die nächste Stufe auf dem Weg zur Heilung, die Griebel erklimmt, ist eine persönliche Erfahrung der Annahme, die sich kaum verallgemeinern lässt: „Unsere Herzen spielten dieselbe Melodie. (…) Auch wenn sie wieder ging, blieb sie in meinem Herzen. (…) Sie hinterließ Liebe – keinen Mangel.“

Die Verantwortung beginnt bei den Eltern“

„Mangel“ ist das Muster der Transgender-Misere. Der tiefempfundene Mangel sei das, was sich laut Griebel immer wieder beobachten lasse: „Wenn sich Kinder heute in Krankheit, Ideologien oder Genderrollen flüchten, dann ist das oft ein Versuch, eine Leerstelle zu füllen.“

Liebesmangel hat nun bekanntlich viele Gesichter, aber stets die gleiche Ursache. „Die Verantwortung beginnt bei den Eltern“, schreibt Griebel. „Sie sind es, die in der frühen Entwicklungszeit die Grundlage für Selbstwert, Bindungssicherheit und Identitätsstabilität legen.“ Wenn diese Verantwortung zu früh an Institutionen abgegeben werde, gehe nicht nur Beziehung verloren, „sondern auch der wichtigste Resonanzraum für kindliche Entwicklung“.

Kinder brauchen in ersten Lebensjahren vor allem eines: Bindung und Präsenz. Vertrauen. Verlässlichkeit. Eltern, die nicht funktionieren, sondern da sind. Nur so kann ein inneres Fundament entstehen, auf dem sich das Kind später sicher selbst entdecken kann. Doch in einer Welt, in der das Kind zunehmend früh „abgegeben“ wird – oft auch aus strukturellem oder emotionalem Druck – wird unbemerkt auch die Verantwortung abgegeben. Und mit ihr: die Grundlage für stabile Identität.

Neben zu früh „abgegebenen“ Kindern kann die emotionale Not kleiner Kinder viele Gesichter haben. Griebels Kindheit ist über viele Jahre geprägt von traumatischen Brüchen und sich hinziehenden Notlagen: Abwesende Eltern und emotional abwesende Eltern, kaputte Elternbeziehung mit Streit, Trennung und Scheidung, wechselnde Partner der Eltern, familiäres Chaos und Vernachlässigung bis hin zu körperlicher und psychischer Gewalt und sogar Missbrauch und Vergewaltigung. Das sind unzählige und doch vergleichbare Ursachen, von denen jede für sich genommen schon ausreichte, um einen jungen Menschen später während seiner Identitätsfindungsphase in psychische Schwierigkeiten zu bringen. Selbst wenn es einer Familie nach außen hin materiell gut geht und sie stabil wirkt, wie später in Griebels Familie, als ihr Stiefvater das Zepter übernimmt, so kann sich hinter der intakten Fassade ein eklatanter Mangel, Missbrauch und eine zerstörte Kinderseele verbergen.

Trans als neue Ausdrucksform einer Bindungsstörung

Ebenso vielseitig sind die möglichen Reaktionsmuster der verletzten Kinder. Wenn etwa wie in Griebels Fall ein Kind viel zu früh Verantwortung für die eigene Mutter und das jüngere Geschwisterkind übernimmt, oder auch wenn es Traumata verarbeiten muss, wirkt es auf einmal ernst und schon so erwachsen. Doch eigentlich ist es innerlich komplett überfordert. Psychologen sprechen von einer „Notreife“. Auch die gegenteilige Reaktion ist möglich. Dann weigert sich das Kind unbewusst, erwachsener zu werden und altersgerechte Verantwortung zu übernehmen. Es zieht sich zurück, spielt lieber mit jüngeren Kindern und gibt sich eher infantil.

Meist sind den Transgender-Selbstdiagnosen solche typischen Kennzeichen einer Traumatisierung vorgelagert. Dazu zählen auch Depressionen, Angststörungen, tiefe Identitätskrisen, dissoziative Störungen und seelische Abspaltungen, sowie Selbstverachtung und Selbsthass bis hin zu suizidalem Verhalten.

Diese bekannten Symptome einer Persönlichkeitsstörung haben im Trans-Kult eine neue jugendkulturelle Ausdrucksform gefunden. Persönlichkeitsstörungen kann man genauso gut als Bindungsstörung bezeichnen. Während die Fachwelt teils noch zögert, die tiefere Ursache des exponentiellen Anstiegs an Transgender-Selbstdiagnosen klar zu benennen, erkennen ehemalige direkt Betroffene wie Sophie Griebel die emotionale Not kleiner Kinder als gemeinsamen Nenner.

Subtile Prägung: „Deine Gefühle sind falsch, Du bist falsch“

Die Palette der vielen unterschiedlichen Auslöser, die einen Jugendlichen während der Pubertät plötzlich in den Trans-Kult ziehen, ist lang. Bei Mädchen spielen häufig die körperliche Reifung zur Frau in Verbindung mit sozialen Faktoren eine Rolle, wie etwa Geschlechterrollenkonflikte und Schönheitsideale. Im Vergleich zu solchen nachgelagerten Auslösern liegen die tieferen Ursachen für handfeste psychische Störungen jedoch meist in den emotionalen Dynamiken des „Familiensystems“, um die es Griebel in ihrem Buch TransAgenda vor allem geht. Nicht immer seien diese Ursachen sexueller und psychischer Missbrauch, obwohl diese besonders schwerwiegenden Verletzungen in den Biographien von Trans-Menschen häufig eine entscheidende Rolle spielen, wie Griebel betont. Der Grundstein für die pubertäre Identitätskrise wird auch nicht ausschließlich in Scheidungsfamilien oder Krippenkindheiten gelegt, obwohl auch hier die psychischen Spätfolgen erwiesen sind und häufig die Merkmale von Persönlichkeitsstörungen erfüllen.

Im Familiensystem wirken laut Griebel bisweilen subtilere Prägungen auf das Kind, die aber deswegen nicht weniger folgenschwer und verletzend sind, etwa wenn Kinder die unterdrückten Gefühle und Konflikte in und zwischen ihren Eltern unbewusst selbst austragen. Weitere „Ursachen für emotionale Dysregulation, Selbstentfremdung und psychische Störungen im Erwachsenenalter“ sieht Griebel auch im unbewussten Eingriff der Eltern auf die Gefühlsregulation ihres Kindes. Solche „emotionalen Invalidilierungen“ würden dem Kind signalisieren: „Deine Gefühle sind falsch, Du bist falsch.“

Bindungsbiografien genauer in den Blick nehmen

Unterm Strich bleibt festzuhalten: Wenn man den Trans-Kult verstehen will, sollte man sich nicht nur auf die äußeren Auslöser fokussieren, die etwa mit dem sich geschlechtlich entwickelnden Körper oder den vielseitigen Herausforderungen im sozialen Umfeld der Jugendlichen einhergehen. Wenn man die wirklichen Ursachen in den Blick nehmen will, sollte man in den meist sehr jungen Biografien rückwärts gehen und diese als Bindungsbiografien betrachten. In den meisten Fällen liegen die tieferen Ursachen in der Familie.