Sexuelle Gewalt: Kita-Skandal bei VW ohne Konsequenzen

Der in einer Betriebskita des VW-Konzerns aufgedeckten sexuellen Gewalt unter Kindern liege „kein arbeitsrechtliches Fehlverhalten“ zugrunde, behauptet der Betreiber. Das Problem sei die erwachsene Sicht der Eltern auf „kindliche Sexualität“.

In Braunschweig sind in einem Betriebskindergarten von Volkswagen sexuelle Übergriffe unter den Kindern monatelang von den Erziehern geduldet worden. Öffentlich wurden die Vorfälle Anfang November durch Belege aus dem Intranet der Volkswagen Financial Services, die dem Journalisten Alexander Wallasch als Screenshot zugespielt wurden.

Konkret geht es um das interne Beschwerdeschreiben einer Mitarbeiterin, die die „sexuelle Gewalt“ an ihrer Tochter in der Volkswagen-Betriebskita „Frech Daxe“ anprangert.

Alexander Wallasch hatte Volkswagen und den Träger der Kita aufgefordert, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. Sowohl die Vorwürfe der Mutter als auch die Stellungnahmen von VW und dem Träger der Kita sind auf dem Nachrichtenportal in voller Länge dokumentiert. „Die teilweise schon Monate alten Vorfälle wurden bis heute nicht öffentlich gemacht“, fasst Alexander Wallasch die Situation zusammen. „Eltern, die ihre Kinder hier neu anmelden, erfahren im Zweifel nichts von den gravierenden Vorfällen in der Kita“.

Der Träger der Kita hat der eigentlichen Stellungnahme eine Bemerkung vorangestellt, die offenbart, dass die Verantwortlichen erst dann dazu in der Lage oder Willens sind, sexuellen Missbrauch als solchen wahrzunehmen, wenn Vorwürfe laut werden:

Bevor wir Ihre Fragen als Träger der Kita konkret beantworten, möchten wir vorab deutlich klarstellen, dass es sich bei den Vorgängen nicht um Handlungen von Erwachsenen an Kindern handelte. Vielmehr haben uns mehrere Familien in unserer Kita Frech Daxe berichtet, dass Kinder ihre Körper während der Betreuungszeit in der Kindertagesstätte gegenseitig entdeckt hätten und dabei Grenzen überschritten wurden.

Es war so liebevoll, so wunderschön.“

Die verharmlosende Phrase „gegenseitig entdecken“ ist ein Hinweis auf das sexualpädagogische Verständnis der Verantwortlichen. Phrasen dieser Art tauchen in der emanzipatorischen Sexualpädagogik auf, die auf Helmut Kentler zurückgeht, und die das Kind als sexuelles Wesen ansieht. Sein sexuelles Erleben sei von Beginn an zu fördern, etwa durch gegenseitiges Erkunden in Kuschelecken oder durch Doktorspiele. Genau dies schilderte die entsetzte Mutter ihren Kollegen im Volkswagen Financial Services Intranet:

Im Februar 2022 hat meine Tochter mir geschildert, dass sie im Kindergarten regelmäßige Scheiden- und Pountersuchungen von Jungen ihrer KITA Gruppe über sich ergehen lassen musste. Bei der Rückfrage bei anderen Eltern der Gruppe stellte sich heraus, dass mehrere Kinder über die gleichen Vorfälle bei sich selbst berichteten und dies teilweise auch an die Erzieherinnen der Kita gemeldet hatten, teilweise vor Monaten. Ich als Elternteil wurde weder von der Kita noch anderen Elternteilen darüber informiert. Wenn sich meine Tochter mir nicht anvertraut hätte, wäre ich nie über diese Fälle/ Handlungen informiert worden. In einem der „Klärungsmeetings“ erklärte eine Erzieherin: „Wir haben unter unsere Aufsicht den Kindern erlaubt, sich nackig zu machen, gegenseitig zu untersuchen, sich schönen Gefühlen zueinander hinzugeben und es war so liebevoll, so wunderschön.“ In der Kita wurde ohne Information und Einwilligung der Eltern den Kindern sexuelle Handlungen erlaubt!

Missbrauch unter Aufsicht

Als „beaufsichtigten Missbrauch“ ordnete eine Sozialpädagogin aus Braunschweig gegenüber Alexander Wallasch die Vorfälle in der Kita ein: „Missbrauchsfälle unter den gütigen Augen von Erzieherinnen, die davon noch angetan sind. Und hier ohne die Möglichkeit für das Kind, sich an die Erzieher zu wenden und um Hilfe zu bitten bei dieser Grenzüberschreitungssituation.“

Die Redaktion hatte sich zudem bei der Braunschweiger Staatsanwaltschaft erkundigt, ob seitens der Eltern bereits Anzeigen vorliegen. Dort ist jedoch bisher nichts zu den Vorfällen bekannt. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich allerdings dahingehend, dass ein Ermittlungsauftrag vorliegen könnte, selbst wenn nur Teilaspekte der Schilderungen zuträfen.

Ein Sprecher von Volkswagen betonte, Volkswagen Financial Services sei nicht der Betreiber der Kita. Man habe von dem Träger der Kita eine umfassende Aufklärung eingefordert. Dieser habe zeitgleich mit der zuständigen Aufsichtsbehörde (Landesjugendamt) entsprechende Untersuchungsmaßnahmen eingeleitet, hieß es in der Stellungnahme von VW, und weiter: „Anhand der internen Untersuchungen und des externen Prüfberichts wurden zahlreiche konkrete Maßnahmen umgesetzt.“

Kita-Träger: „Die Eltern sind das Problem“

Um welche Maßnahmen es sich handelte, ließ der VW-Sprecher offen. Stattdessen verwies er auf die Stellungnahme des Trägers der Kita. Das ist die Kasseler Impuls Soziales Management GmbH & Co.KG. Da deren Antwort zeitgleich mit der von VW kam, ist davon auszugehen, dass sich der Konzern und die Kita-Leitung in der Beantwortung abgestimmt haben.

Im Wesentlichen ist die Stellungnahme des Trägers eine grobe Relativierung der sexuellen Gewalt, der die Kinder durch andere Kinder ausgesetzt waren. So habe man „kein arbeitsrechtliches Fehlverhalten“ seitens der Erzieher beobachten können. Anstelle personeller oder strafrechtlicher Konsequenzen strebe man nun „eine intensivere und präventive Aufklärung der Eltern zum Thema Sexualpädagogik“ an. Eltern sollten zwischen „kindlicher Sexualität und Erwachsenensexualität“ unterscheiden lernen. Auch die Arbeit mit den Kindern zum Thema „Nein“ sagen solle intensiviert werden.

Weder der Kita-Träger noch Volkswagen oder das Jugendamt haben etwas am Verhalten der Erzieher, die sexuelle Übergriffe unter den Kindern als „liebevoll“ und „wunderschön“ wahrnehmen, zu beanstanden. Aus Sicht der Verantwortlichen liege das Problem vor allem in der Perspektive der Eltern. Diese hätten kein Verständnis für „kindliche Sexualität“. Offenkundig ist man der Überzeugung, dass es den Kindern gut tut, „sich nackig zu machen, gegenseitig zu untersuchen, sich schönen Gefühlen zueinander hinzugeben“.

Politiker bietet Betroffenen Rechtsschutz an

Das ist die Sprache der pädophilen Missbrauchspädagogik von Helmut Kentler. Der Sexualreformer hatte in seinen berüchtigten Kentler-Experimenten straffällig gewordene Jungen und Heimkinder mit Hilfe des Berliner Senats bei pädophilen Pflegevätern untergebracht, wohl wissend, dass Vergewaltigungen den Alltag dieser Abhängigkeitsverhältnisse prägten.

Kentlers Sexualpädagogik ist heute noch die Basis der sexuellen Bildung, die über Pro Familia in sämtlichen Kitas und Schulen angewandt wird. Ausführliche Hintergründe zu dieser schamverletzenden und übergriffigen Pädagogik gibt es von DemoFürAlle in dem Dokumentarfilm „KentlerGate: Kindesmissbrauch in staatlicher Verantwortung“.

Der parteilose Berliner Politiker und Gewerkschaftsführer Marcel Luthe prangert im Film die schleppende Aufklärung der damaligen Missbrauchsfälle an. Angesichts der aktuellen Fälle in der VW-Kita hat Luthe folgende Botschaft für die Eltern:

Das erinnert fatal an Original Play und die Vertuschungsversuche vieler anderer Träger. Als Gewerkschaft sind wir ja schon bei VW vertreten und werden Druck machen, denn das muss auch im Konzern aufgeklärt werden. Wo so etwas geschehen kann, ist das meist nur die Spitze des Eisbergs. Wichtig ist jetzt, dass strafrechtlich aufgeklärt wird und die Kinder geschützt werden. Wer als Betroffener keinen erfahrenen Anwalt hat, kann sich gerne an unseren Rechtsschutz wenden.