Gender-Zwang: Wie die neue Sprache unsere Weltsicht prägt

Eigentlich müssten Eltern und Lehrer gemeinsam auf die Barrikaden gehen. Immer mehr Kinder hadern mit ihrem Geschlecht und fallen dem Transgender-Hype anheim. Sogar in der Schule werben Transgender-Arbeitsblätter für operative Geschlechtsumwandlungen. Die Politik verteidigt die Indoktrination und will sogar den Beutelsbacher Konsens aufkündigen, um Kinder noch schonungsloser zu Versuchskaninchen linker Ideologien zu machen. Der große Proteststurm bleibt aus. Wie ist das möglich?

Die jahrzehntelange Implementierung der Gender-Ideologie hat den Weg geebnet und das Denken weichgespült. Geschlechter-Kategorien sind inzwischen etwas, für das sich Biologen rechtfertigen müssen, während „sexuelle Minderheiten“ höchste politische Priorität genießen. Viel zitiert ist die linguistische Theorie von der Sprache, die das Denken beeinflusst. Doch wie wirkmächtig die Gender-Sprache als „Top Down-Veranstaltung“ sukzessive eine neue Weltsicht geschaffen hat, wird nur selten deutlich.

Formulierungen wie „Elter 1 und 2“, die mit Blick auf Regenbogenfamilien diskriminierungsfrei sein sollen, sind mittlerweile weit über zehn Jahre alt. Stilblüten wie „Menschenmilch“ oder „menstruierende Person“ sorgten für Kopfschütteln aber auch für Abstumpfung. Wie selbstverständlich empfinden sich frische Erstsemester heute als „Studierende“. Sie heißen so, weil irgendwo in den Hörbänken jemand sitzen könnte, der sich weder als Student noch als Studentin fühlt.

Sämtliche Umfragen belegen, dass die Mehrheit die Gender-Sprache mit ihren Sternchen, Schräg- und Unterstrichen und künstlichen Sprechpausen ablehnt. Trotzdem sickert die große Erzählung dahinter immer tiefer ins Bewusstsein: Vielleicht gibt es ja tatsächlich mehr als zwei Geschlechter? Ist Familie nicht ein Lebensgefühl zwischen Menschen, die füreinander da sein wollen? Und sind Kinder, die sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen, nicht ein ganz normales Phänomen, das viel zu lange sozial unterdrückt wurde. Längst geht es nicht mehr um Frauenrechte oder um altbackene sexuelle Orientierungen wie schwul oder lesbisch.

Vorher hat kein Kind gegendert, jetzt fast alle“

Das Gendern ist kein verschrobenes Projekt der Eliten sondern ihre narzisstische Machtdemonstration – frei nach dem Motto: „Wir können mit unserer Muttersprache machen, was wir wollen.“ Doch die Erfinder der Gender-Ideologie, wie die Linguistin Judith Butler, verfolgen ein tiefgreifenderes Ziel: Sie glauben, dass Sprache die Macht hat, soziale Strukturen und Verhältnisse zu verändern. Beim Gendern geht es also nicht vorrangig um die Sichtbarmachung der angeblich unzähligen Geschlechter jenseits von Mann und Frau, sondern Sprache gilt als das wirksamste Mittel der Dekonstruktion.

Diese subversive Art der Identitäts- und Sozialpolitik hat die Schulen und Universitäten fest im Griff. Junge Menschen sind beeinflussbar und sie können sich als Schüler und Studenten dem Machtgefälle nicht entziehen. Etliche Lehrer würden die Kinder zwingen, die Gender-Sprache im Unterricht zu benutzen, berichtet ein Vater aus Berlin. „In den letzten zwei bis drei Jahren hat das dramatisch zugenommen, auch an den Schulen meiner anderen Kinder. Gerade einige der jüngeren Lehrer wirken auf mich wie getarnte Aktivisten. Viele Eltern könnten ein Lied davon singen, nicht nur in Berlin“, schildert der Vater seine Erlebnisse. „Vorher hat kein Kind gegendert, jetzt fast alle.“

Da der Vater vor dem Verwaltungsgericht klagt, wurden die Schikanen der Lehrer bekannt. Wer sich kritisch über die Gender-Sprache äußere, müsse zur Strafe Referate zum Thema schreiben und würde vor der Klasse bloßgestellt. Die Schüler müssten außerdem ihre bevorzugten Pronomen angeben und dürften bestimmte Wörter nicht mehr benutzen. Statt „Hampelmann“ heiße es in der Klasse beispielsweise nur noch „Hampelmensch“.

Ideologisches Kampfmittel der Identitätspolitik“

Die aus der amerikanischen Transgender-Szene stammende Marotte, mittels freier Pronomenwahl jedermann mitzuteilen, welchem Geschlecht man sich zugehörig fühlt, hat über die sozialen Medien auch politisch unbedarfte Milieus erreicht. Wer im woken Miteinander dazugehören will, hat auf seinem LinkedIn-Profil oder in seiner E-Mail-Signatur den Hinweis ’she/her‘ oder ‚he/him‘ stehen. Die Botschaft: Man solidarisiert sich mit der Transgemeinde und dem Promille jener Menschen, die sich irgendwo zwischen ‚er‘ und ’sie‘ einordnen und die Pronomen ‚they/them‘ bevorzugen.

Für die Berliner Beamten soll die Selbstauskunft mittels Pronomen demnächst sogar zur Pflicht werden. Der für das Personal zuständige grüne Finanzsenator, Daniel Wesener, fordert von allen im öffentlichen Dienst Beschäftigten eine entsprechende Anpassung der E-Mail-Signatur. Das sei reiner „Gender-Bekenntniszwang“, meint die AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker. So werde Druck auf alle Beschäftigten ausgeübt, „die das Gender-Gaga nicht mitmachen wollen, denn angesichts von Beurteilungskriterien wie ‚Diversitätskompetenz‘ wird kaum ein Mitarbeiter es wagen, sich durch eine nicht wunschgemäße E-Mail-Signatur den Karriereweg zu verbauen“.

Für Wesener mag es ein politisches Machtspielchen sein, doch die beiden Geschlechtskategorien sind – wieder einmal – offiziell aufgehoben. Das bestärkt ganze Scharen an Aktivisten. An den Unis üben längst nicht mehr nur Dozenten einen Gender-Zwang aus. An der Freien Universität Berlin etwa müssen Mitglieder im sogenannten „Studierendenparlament“ ihre Anträge mit Gender-Sprache einreichen. „Der Gender-Zwang ist ein ideologisches Kampfmittel der Identitätspolitik“, sagte ein Student, dessen Antrag die Gender-Vorgaben nicht erfüllte und abgelehnt wurde. „Es wird genutzt, um eine gesellschaftspolitische Deutungshoheit im studentischen Raum zu erreichen und andere Ansichten moralisch abzuwerten.“

Die Realität entzieht sich immer mehr

Städte, Behörden, Kirchen – überall wird offiziell gegendert. Und es werden keine Mühen und Kosten gescheut. Allein für die Umstellung ihrer IT-Systeme auf eine „geschlechtergerechte Sprache“ veranschlagt etwa die Stadt München vier Millionen Euro. Nur vereinzelt regt sich effektiver Widerstand, wie mit der Volksinitiative gegen das Gendern in Hamburg: „Schluß mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ oder dem Thüringer Landtagsbeschluss, in staatlichen Einrichtungen wieder die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung zu befolgen.

Die totalitäre Dauerthematisierung von Geschlecht stößt den meisten Menschen übel auf, doch meist wird es nur als nervig abgetan. Das „performative“ Potential der Sprache, wie Butler schreibt, ist kaum bekannt. Die Gefahr, dass Begriffe ihre Bedeutung verlieren, Bedeutungen sich verschieben, das Gesagte mit dem Gemeinten nicht mehr übereinstimmt und Vorstellungen sich verändern, spielt in der populären Gender-Kritik nur eine untergeordnete Rolle.

Sind die neuen Sprachmuster erst einmal verinnerlicht, steht das Wort über den Dingen. Die Wirklichkeit wird verzerrt wiedergegeben. Noch mutet das grotesk an, wie im Fall eines ARD-Journalisten, der vom Super Bowl in den USA berichtete. Obwohl beim rauen American-Football Testosteron-Schwaden durch die Luft ziehen, sprach der ans Gendern gewöhnte Korrespondent von „SpielerINNEN und Spielern“.

Nur ein witziger Versprecher? Umso schlimmer für die Tatsachen, denn wann der erste Transmann oder die erste Transfrau in der National Football League spielt, ist nur noch eine Frage der Zeit. Der Deutsche Fußball-Bund lässt trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen bereits selbst entscheiden, ob sie in einem Frauen- oder Männerteam spielen. Die Realität entzieht sich unserem ideologisierten Denken immer mehr. Die neue Sprache hat daran entscheidenden Anteil.