„Kinderrechte“ ins Grundgesetz? So rechtfertigt die Union ihre 180-Grad-Wende

Warum hat die Union eigentlich ihre bewährte Position zu den „Kinderrechten“ aufgegeben? Zahlreiche Bürger haben bei ihren Abgeordneten von CDU/CSU nachgefragt und erhielten alles andere als zufriedenstellende Antworten.

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Bis 2017 haben CDU/CSU dem linken Traum von „Kinderrechten“ im Grundgesetz immer eine deutliche Absage erteilt. Dann aber erfolgte der Kurswechsel. Mittlerweile hat sich die Union mit der SPD auf einen Gesetzentwurf geeinigt und erhält dafür massive Kritik von Eltern und Familienschützern. Aus den Rückmeldungen haben wir mehrere signifikante Antworten herausgefiltert, mit denen die Abgeordneten ihre neue Position zum Thema „Kinderrechte“ zu rechtfertigen versuchen.

Die MdBs wissen: Keine Schutzlücke

Zunächst fällt positiv auf, dass die meisten Abgeordneten zumindest wissen, dass diese Grundgesetzänderung unnötig ist, da das Grundgesetz keine Schutzlücke für Kinder aufweist. In vielen E-Mails wurde zu Beginn betont: „Aus rechtlichen Gründen hätte es keiner Neuregelung bedurft. Schließlich sind Kinder schon nach geltendem Verfassungsrecht Grundrechtsträger – von Anfang an, wie alle Menschen.“

Unsere Antwort: Richtig! Alle Rechtsgutachten bestätigen, dass die Aufnahme von „Kinderrechten“ ins Grundgesetz unnötig ist, weil Kinder bereits Träger aller Grundrechte sind und nicht als Objekt betrachtet werden. Allein diese grundlegende Erkenntnis reicht aus, um dieser Grundgesetzänderung eine Absage zu erteilen.

Im Zentrum der Debatte: Das Elternrecht

Zudem heißt es immer wieder in ihren Antworten, dass sich auch mit dem neuen Entwurf am bisherigen Dreiecksverhältnis Kinder-Eltern-Staat angeblich nichts ändern würde:

  • „Es war deshalb von vorneherein unser Ziel, dieses sorgsam austarierte Dreiecksverhältnis von Eltern, Kind und Staat unverändert zu bewahren. Es geht dabei keinesfalls darum, in die Entscheidungskompetenzen von Eltern einzugreifen.“
  • „Träger des Erziehungsrechts sind und bleiben die Eltern. Die Rechte der Eltern werden, anders als Sie vermuten, dabei nicht beschnitten werden.“

Unsere Antwort: Dank der tausenden Protest-E-Mails und –Anrufe wurde den Politikern der Schutz des Elternrechts ins Bewusstsein gerufen. Aber „Kinderrechte“ im Grundgesetz würden eben diesen Schutz unterminieren – unabhängig davon, in welcher Form oder an welcher Stelle die „Kinderrechte“ aufgenommen würden. Denn wer Verfassungsrecht sät, wird Verfassungsrechtsprechung ernten. Es ist daher widersprüchlich, gleichzeitig das Elternrecht schützen und „Kinderrechte“ ins Grundgesetz aufnehmen zu wollen.

Beschwichtigungsversuche für die Kritiker

Einige Abgeordnete der Union rühmen sich sogar, den extremen Forderungen des Koalitionspartners angeblich erfolgreich Widerstand geleistet zu haben:

  • „Umso mehr ist der vorliegende Vorschlag in doppelter Hinsicht ein Erfolg für die Union, da wir so eine staatliche ‚Lufthoheit über die Kinderbetten‘ erfolgreich verhindert haben.“
  • „Weitergehende Forderungen aus dem linken politischen Spektrum hinsichtlich der vorrangigen Berücksichtigung von Kindeswohlinteressen haben wir abgewehrt.“

Unsere Antwort: Dass SPD, Grüne und Linke gegen das Elternrecht kämpfen, ist nichts Neues. Ebenso wenig, dass ihr eigener „Kinderrechte“-Gesetzentwurf extremer ausgefallen wäre. Aber gerade deshalb muss die Union, wie sie es bis 2017 getan hat, grundsätzlich dagegenhalten und darf keine faulen Kompromisse schließen.

Koalitionsvertrag wichtiger als Grundgesetz?

Trotz dieser Einsicht halten die meisten Abgeordneten der Union an dem Vorhaben fest, „Kinderrechte“ ins Grundgesetz aufzunehmen. Ihre Begründungen sind erstaunlich dünn. Zum Beispiel wird immer wieder das fadenscheinige Argument ins Feld geführt, man habe diese Grundgesetzänderung eben im Wahlprogramm und im Koalitionsvertrag vereinbart, daher müsse man das nun durchsetzen:

  • „Fakt ist aber auch, dass CDU und CSU bereits in ihrem Wahlprogramm im Jahr 2017 dafür geworben haben, die Bedeutung der Kinderrechte durch eine Aufnahme in das Grundgesetz noch sichtbarer zu machen. Dieses Ziel wurde auch im Koalitionsvertrag vereinbart.“
  • „Die Koalition hat im Koalitionsvertrag die Verankerung von Kinderrechten in das Grundgesetz vereinbart. CDU und CSU hatten schon in ihrem Regierungsprogramm für die Bundestageswahl 2017 die Einführung eines Kindergrundrechts vorgesehen.“

Unsere Antwort: Fehler müssen rückgängig gemacht werden. Auch wenn CDU/CSU die Aufnahme von „Kinderrechten“ ins Grundgesetz im Wahlprogramm und Koalitionsvertrag vereinbart haben, rechtfertigt das nicht, das Elternrecht (Art. 6 GG) auszuhebeln und die Struktur des Grundgesetzes zu verfälschen. Das Grundgesetz steht immer über Wahlprogrammen und Koalitionsverträgen.

Scheinfriede als Selbstzweck?

Das Argument mit Wahlprogramm und Koalitionsvertrag wird oft mit dem Hinweis untermauert, man habe mit dieser Einigung einen alten Disput zwischen den Parteien endlich beigelegt:

  • „Auf diese Weise wird nicht nur ein mehr seit 30 Jahren währender Streit über die Sichtbarmachung dieser Rechte beigelegt, sondern auch die Vorgabe des Koalitionsvertrags aus dem Jahr 2018 wie auch aus dem gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU aus dem Jahr 2017 umgesetzt, ohne dass Elternrechte eingeschränkt werden.“
  • „Mit der nun erreichten Verständigung wird ein Thema befriedet, das seit Jahrzehnten immer wieder für Streit und Unsicherheit gesorgt hat.“

In einem Fall wurde die alleinige Schuld – einem Zeugnis der Selbstaufgabe gleich – dem Juniorpartner (!) in die Schuhe geschoben: „Wie Sie bereits richtig darstellen, geschieht das auf Drängen unseres Koalitionspartners – der SPD.“

In einem anderen Fall wurden deren Bestrebungen sogar in den Schutz genommen: „Es ist richtig, dass Teile der SPD und die anderen demokratischen Parteien im Bundestag und in den Ländern weitergehende Vorstellungen haben, die die Zuständigkeit des Staats ausdehnen könnten. Das heißt zwar nicht unbedingt, dass dies auf Kosten der Kinder oder ihrer Familien geschähe.“

Unsere Antwort: Seit Jahrzehnten tobt in Deutschland ein Kulturkampf um die Familie. Wer sich als Christdemokrat oder Christsozialer bezeichnet, muss in dieser Auseinandersetzung klare Stellung beziehen und die Familie verteidigen – auch wenn er damit anderen Parteien vor den Kopf stößt. Das Elternrecht und damit die Freiheit der Familie sind wichtiger als vermeintliche Harmonie zwischen politischen Kontrahenten.

„Kinderrechte“ sind Symbolpolitik

Außerdem griffen die Abgeordneten zu einer Vielzahl politischer Phrasen, die deutlich machen, dass es sich bei dieser Grundgesetzänderung um bloße Symbolpolitik handelt, die keine echten Verbesserungen für Kinder zur Folge hat:

  • „Deshalb ist es unser Anliegen, mit der Verankerung von Kinderrechten in unser Grundgesetz Symbolkraft auszustrahlen und ein wichtiges politisches Signal zu senden.“
  • „Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion liegen uns die Kinder besonders am Herzen. Wir wollen die Rechte der Kinder stärken und damit deutlich machen, dass wir für eine kindgerechte Gesellschaft eintreten. Das wollen wir mit und in den Familien erreichen, nicht gegen die Eltern. Das wollen wir durch diese Änderung im Grundgesetz zum Ausdruck bringen.“

Unsere Antwort: Offensichtlich können „Kinderrechte“ im Grundgesetz kein Kind vor Armut, Missbrauch oder mangelnder Bildung schützen. Politiker würden sich gegenseitig auf die Schulter klopfen, ohne irgendetwas Gutes für Kinder getan zu haben. Stattdessen sollten sie sich lieber auf konkrete Verbesserungen etwa im Straf- oder Sozialgesetzbuch fokussieren.

Artikel 6 GG schützen

In Ermangelung konkreter Beispiele für Verbesserungen wurden dem Bürger vermeintlich neue Errungenschaften der aktuellen Regierung angepriesen:

  • „Wir haben ein differenziertes, wohlaustariertes System der wechselseitigen Rechte und Pflichten im Dreiecksverhältnis Eltern-Kind-Staat entwickelt. Der Staat hat hier weiter nur eine ergänzende und nachgeordnete Wächterfunktion.“
  • „Der Staat hat hier nur eine ergänzende und nachgeordnete Funktion, die nur ausnahmsweise dort zum Tragen kommt, wo die Erziehung durch die Eltern ausfällt. An dieser Aufgabenverteilung halten wir mit der Neuregelung in Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes fest.“

Unsere Antwort: Nichts davon ist neu. Im Gegenteil finden sich diese klugen und ausgewogenen Regelungen bereits in Artikel 6 des Grundgesetzes. Noch einmal erfährt der Bürger, dass es „Kinderrechte“ im Grundgesetz überhaupt nicht braucht.

Der Protest lohnt sich

Die Abgeordneten geben zu, dass „Kinderrechte“ im Grundgesetz unnötig sind und das Leben der Kinder nicht verbessern. Eine echte Begründung, weshalb sie dennoch dafür sind, erfolgt nicht.  Anstatt auf die Kritik der zahlreichen Rechtsgutachten einzugehen, beteuern die Abgeordneten ohne rechtswissenschaftliche Begründungen, dass das Elternrecht nicht angetastet würde. Dabei hat selbst der Bundesarbeitskreis Christlich Demokratischer Juristen in seinem Gutachten das Gegenteil festgestellt.

Trotz allem: Es lohnt sich, weiterhin seine lokalen Abgeordneten zu kontaktieren. Denn es haben sich auch viele Abgeordnete der Union zurückgemeldet, die diese unnötige und gefährliche Grundgesetzänderung nicht unterstützen werden:

  • „Eine Änderung des Grundgesetzes in der zuletzt vorgelegten Fassung erscheint mir deshalb von rein deklaratorischem oder appellativem Charakter. Dafür aber erscheint mir eine Änderung der Verfassung weder angemessen noch vertretbar. Ich werde darum dieser Vorlage nicht zustimmen.“
  • „Ein zusätzlicher Artikel ‚Kinderrechte‘ würde nicht über den schon bestehenden Rechtsschutz hinausgreifen und hätte eine rein symbolische Bedeutung. Solch eine rein symbolische Gesetzgebung ist in jedem Fall abzulehnen.“

Durch die vielen Anrufe und Nachrichten kritischer Bürger werden diese Abgeordneten gestärkt und ihr Einfluss ausgeweitet, sodass weiterhin die große Chance besteht, dass am Tag der Abstimmung über ein Drittel der Abgeordneten gegen „Kinderrechte“ im Grundgesetz stimmen werden. Unser Protest trägt Früchte.