Der am 20. Juli erschienene WELT-Artikel „Selbst die biologischen Fakten wurden nicht richtig vermittelt“ zeichnet den jahrzehntelangen „Kulturkampf um den Aufklärungsunterricht“ nach. Die Fragen, was Kinder über die menschliche Sexualität lernen sollen, wann und von wem, beantwortet die Autorin auf eine Weise, die beim Leser folgenden Schluss nahelegen soll: Die Sexualerziehung, die sich im Zuge der sexuellen Befreiung radikal änderte und schließlich zur „Sexualpädagogik der Vielfalt“ führte, sei jener Weg, der eine „sexuelle Selbstbestimmung“ erst ermöglicht habe.
Ihr gegenüber stünde eine „reaktionäre Mobilisierung“ in den USA und Europa, die die neuen Freiheiten beschränken wollte und vor einer „verfrühten Sexualisierung“ warnte. Für die konservative Seite des Kulturkampfes stehen Zitate der katholischen Ärztin Rita Stumpf aus den 1970ern Pate, die die Abschaffung der „neuheidnisch-sozialistischen Schulsexualerziehung“ forderte, bevor „die Syphilis den Gaumen wegfrisst und Kinder durch das Gift der Gonorrhöe blind zur Welt kommen“.
Während also die lebensbejahenden, „sexualfreundlichen“ Reformer schon Schüler aus der sexuellen Unmündigkeit befreien wollten, opponierten – so will es die Erzählung – verbitterte, alte und prüde Konservative, die der jungen Generation den Spaß am Ausleben ihrer Sexualität vermiesen wollten. Als deren Erben präsentiert der Artikel etwa die „Besorgten Eltern“, die 2014 gegen die emanzipatorische „Sexualpädagogik der Vielfalt“ demonstrierten, und DemoFürAlle.
Die Grundlage dieses Zerrbilds ist die auf ARTE gesendete Gesellschaftsdoku „Let‘s talk about sex: 100 Jahre Aufklärung“. Die Glorifizierung der sexuellen Revolution kündigt sich bereits im Teaser an: „Die ersten Pioniere gingen für die Sexualkunde in den Knast, später lasen Teenager heimlich die ‚Bravo‘ und protestierten für das Konzept der freien Liebe. Eine Zeitreise durch ein Jahrhundert Aufklärung – und eine Bestandsaufnahme der Gegenwart.“
Eigentlich sind es interessante Fragen, denen ein Artikel nachgehen könnte: Was wollen wir Kindern über Liebesbeziehungen, über Sexualität, über Lust und Fortpflanzung sagen? Wie und wann wollen wir sie aufklären, und wer hat ein Recht dazu? Was wir auf diese Fragen antworten, offenbart so klar wie selten sonst, wie wir auf uns selbst, auf unsere Kinder und insgesamt auf den Menschen blicken. Die beiden konträren Menschenbilder, die sich im „Kulturkampf“ gegenüberstehen, stoßen sich in kaum einem Punkt so stark von einander ab, wie in der Debatte um die schulische Sexualpädagogik.
Triebbefriedigung als Prämisse
Die Anhänger des konservativen Menschenbilds wollen die Botschaft vermitteln, dass Sexualität in die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gehört. Es wirbt für sexuelle Enthaltsamkeit vor und Treue in der Ehe. Diese Werte resultieren nicht aus einer Lustfeindlichkeit, sondern aus der Überzeugung, dass auf diese Weise tragfähige Liebesbeziehungen und stabile Familien mit Kinderwunsch entstehen. Warum die Aneinanderreihung sexuell intimer Verhältnisse ab dem Teenageralter das eigene Selbstwertgefühl destabilisiert und später das Führen einer glücklichen Ehe erschwert, kann man hier und hier nachlesen.
Die Verfechter der „freien Liebe“ verfolgen eine weitaus weniger komplexe Idee mit im Grunde nur einer Maxime: Die sexuelle Lust steht über allem. Der Mensch kann erst dann glücklich und voller „Lebensenergie“ sein, wenn er seinen Sexualtrieb uneingeschränkt ausleben kann. Durch die Unterstützung Erwachsener sollen Kinder schon so früh wie möglich ihre kindliche Sexualität kennen lernen, lautet eine zentrale These des Sexualpädagogen Uwe Sielert. Der Begründer der Sexualpädagogik der Vielfalt kritisiert gegenüber ARTE die Sexualerziehung der 1950er-Jahre, die oft von Pfarrern oder Religionslehrern unterrichtet wurde: „Voreheliche Sexualität und Jugendsexualität waren tabuisiert“.
Wer als Befreier der Sexualität auftrat, musste sein Gegenüber lediglich als lustfeindliche Spaßbremse einordnen. Eine simple Botschaft, die an den erwachenden Sexualtrieb der Jugendlichen appellierte. Vielleicht verfing sie beim jungen Menschen auch deshalb leicht, weil es jenen, die Keuschheit vor der Ehe predigten, mitunter schwer fiel, ihre Sichtweise eingängig zu begründen? Zu oft stand lediglich der moralische Zeigefinger im Raum. Ab den späten 1960er-Jahren wirkten angesichts zunehmender sexueller Freizügigkeit in den Medien unbeholfene Moralpredigten oft lächerlich.
Sex verbindet dauerhaft
Doch über die Dimensionen der menschlichen Sexualität, die weit über den Lustaspekt hinausgehen, lässt sich so sprechen, dass es auch heute noch einen Nerv trifft. Die zentrale These einer Körper und Psyche einbeziehenden Sexualpädagogik lautet, dass Sex zwei Menschen seelisch verbindet. Nicht umsonst versuchen die Apologeten der sexuellen Revolution, den Wert der Jungfräulichkeit als erzkonservativen Mythos abzutun. Es geht um die Exklusivität in einer Beziehung, die erst durch die körperliche Verschmelzung zur seelisch intimen Vereinigung wird. Sex mit mehreren Partnern geht zu Lasten dieser Exklusivität. Es entsteht eine dauerhafte Parallelität im seelischen Erleben, die man nicht löschen kann, wie etwa das gemeinsame Foto mit dem Ex-Partner. Jugendliche verstehen das intuitiv, wenn man es radikal anspricht: Wie vertraut und romantisch kann die große Liebe noch sein, wenn man vorher schon mit anderen im Bett war? Soll Deine Frau/Dein Mann fürs Leben Second Hand sein? Welchen Sinn hat das weiße Hochzeitskleid?
Frei nach dem Motto „Leben und leben lassen“ könnten beide Anschauungen, so konträr sie auch sein mögen, nebeneinander existieren. Doch die Sexualreformer drängen mit missionarischem Eifer in die Schulen und in die Kommissionen, die die Bildungspläne erstellen. Sie nehmen sich das Recht heraus, alle Kinder im Sinne ihrer Ideologie zu erziehen. Da die Anhänger der „freien Liebe“ eher wenig Kinder haben und konservative Familien eher kinderreich sind, geht es also unterm Strich darum, fremde Kinder zu indoktrinieren. Der Kompromiss, sich im Unterricht wenigsten auf einen rein biologischen Sachunterricht zu beschränken, wird abgelehnt. So befasst sich etwa der WELT-Artikel ausführlich mit der in Schulbüchern bis vor kurzem noch als zu klein dargestellten Klitoris. Der Subtext: Das Patriarchat will die Kontrolle über die weibliche Lust. Daraus folge: Frauenemanzipation und eine Sexualpädagogik im Sinne der sexuellen Befreiung seien untrennbar verbunden.
Kentler-Sielert-Schule bedient pädophile Interessen
Irgendein Vorwand, flächendeckend in den Schulen auf Kinder zuzugreifen und sie mit perversen Bildern, Botschaften und interaktiven Übungen zu verstören und sexuell zu enthemmen, fand sich immer. Um Kindern Akzeptanz gegenüber LSBT-Personen einzubläuen, lief die Sexualaufklärung lange unter dem Vorzeichen der Antidiskriminierung. Sexualpädagogen aus dem Umfeld von Sielert gaben 2008 und in zweiter Auflage 2012 das Methodenhandbuch „Sexualpädagogik der Vielfalt“ heraus, das darauf abzielt, Kinder mit queeren Sex-Praktiken vertraut zu machen.
Da man jedoch mit feministischen und queeren Ansätzen keine breite Zustimmung unter Eltern gewinnen konnte, schwenkten die Sexualreformer, die in die Schulen streben, zuletzt massiv um. Ihr neues Stichwort, das bei den Eltern Anklang finden soll: „Prävention von sexueller Gewalt“. So fordert etwa Sielert eine Bildungsoffensive in Sachen Aufklärung – beginnend in Kindertagesstätten. Seine Begründung lautet: „Es ist statistisch nachweisbar, dass Sexualstraftäter als Kinder häufiger eine mangelnde sexuelle Bildung erfahren haben.“ Die stark zunehmenden Vergewaltigungszahlen und Gruppenvergewaltigungen von vorwiegend kulturfremden Tätern dienen als Begründung, um Kinder in der Schule zu sexualisieren.
Worum geht es Sielert und all jenen, die Kindern dabei helfen wollen, ihre Sexualität zu entdecken? Welche Motive haben sie? Letztlich handele es sich um eine Pädagogik, „die pädophile Interessen bedient“, sagt Hedwig von Beverfoerde gegenüber dem Sender AUF1. Sielerts Sexualpädagogik der Vielfalt, die unter den Labeln Emanzipation, Antidiskriminierung und Missbrauchsprävention auftritt, basiert auf der emanzipatorischen Sexualpädagogik des pädophilen Missbrauchstäters Helmut Kentler. Kinder, die die „sexuelle Bildung“ der Kentler-Sielert-Schule erfahren, würden sexuell angestachelt und ihrer Schamgrenzen beraubt, erklärt Beverfoerde. Was an Schulen unter Gewalt-Prävention läuft, sei oft reine Sexualisierung und somit eine Gefahr für Kinder, denn sexualisierte Kinder werden leichter zu Opfern. Kentlers und Sielerts emanzipatorische Sexualpädagogik der Vielfalt sei an sich schon ein sexueller Übergriff.
Weiterführende Informationen zur Sexualpädagogik der Vielfalt finden Sie hier und zu dessen Wegbereiter, dem Sexualpädagogen Helmut Kentler, hier.